Eingelegte Raben in Uniarchiven

Mumifizierte Krokodilschädel und 5.000 Laufmeter Dokumente: Das befindet sich unter anderem in den Sammlungen und Archiven der Universitäten in Wien. Wien.ORF.at hat sich in vier Universitäten umgesehen.

150 Jahre alt sind die Fische, Vögel, Schildkröten und Salamander, die in länglichen Gläsern in Alkohol eingelegt sind. Die Universität Wien hat etwa 100 Sammlungen. Eine davon ist jene der Zoologie. Die Präparate, die einen Teil der Sammlung ausmachen, werden nicht nur für die Lehre verwendet, sondern auch heute noch für die Gewinnung neuer Erkenntnisse.

Krokodilschädel aus Napoleons Ägypten-Feldzug

„Dadurch, dass die Präparate so gut erhalten sind, ist noch zellreiches Gewebe vorhanden, mit dem geforscht werden kann“, so Sammlungsmitarbeiter Maximilian Petrasko. Er hat erst vor Kurzem einen Hopflappenvogel, eine Kreuzung aus Rabe und Specht, der aus dem 19. Jahrhundert entstammt und bereits ausgestorben ist, skalpiert und Gewebe für die Forschung entnommen.

Mumifizierter Krokodilschädel

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Ein mumifizierter Krokodilschädel

Neben der „Feuchtsammlung“ gibt es auch eine weitreichende „Trockensammlung“, die aus Skeletten und Knochen besteht. „Sie ist besonders wertvoll, weil sie bis zum Jahre 1780 zurückgeht“, so Petrasko. Die anfänglichen Sammlungen waren privater Natur und wurden später erst an die Universitäten übergeben. Heute finden sich in der Sammlung zum Beispiel Mammutzähne, Elefantenschädel und mumifizierte Krokodilschädel, die noch aus der Zeit des Ägypten-Feldzugs unter Napoleon stammen. Zwischen all diesen Skeletten sitzt auch ein ausgestopfter Gorilla aus Schönbrunn aus dem Jahr 1910 auf einem Fels.

„Sammlung als Grundlage für neues Wissen“

Die Sammlung der Zoologie wird durch knapp 700 historische Wandtafeln und circa 15.000 historische Glasplatten ergänzt, die bis heute für Forschung und Lehre verwendet werden. Derzeit wird daran gearbeitet, diese Glasplatten zu digitalisieren. „Es dauert jedoch eineinhalb Stunden, nur eine davon online zu stellen“, so Petrasko. Außerdem ist eine App für die Sammlung, die insgesamt aus 500.000 Objekten besteht, in Entwicklung.

„Die Sammlung ist ein wichtiges Medium der Wissenschaftsvermittlung an der Universität Wien. Das Wissen der Universität wird in den Archiven historisch gesammelt. Diese stehen dann wieder der Lehre und Forschung zur Verfügung. Es ist also auch Grundlage, dass wieder neues Wissen generiert werden kann. Die Objekte aus der Vergangenheit sind also für die Jetztzeit wichtig“, sagt Claudia Feigl, Sammlungsbeauftragte der Universität Wien.

„Wachsfiguren als Lernobjekte“

Auch die Sammlung der Medizinischen Universität im Josephinum dient nach wie vor der Forschung. Das Herzstück dieser Sammlung sind die Wachsfiguren, die Kaiser Joseph II. zwischen 1784 und 1788 in Florenz anfertigen und dann nach Wien bringen ließ. Die Wachsfiguren zeigen das Innere, die Anatomie des Menschen. Sie dienten damals einerseits zur Demonstration für Studenten, andererseits waren sie jeden Sonntag für alle Bürger zugänglich.

„Sie müssen sich vorstellen, es gab damals keinen Ultraschall oder eine andere Möglichkeit‚ in den Menschen ‚hineinzuschauen‘. Diese Wachsfiguren waren die einzige Möglichkeit zu lernen, wie der Körper funktioniert“, sagt Christiane Druml, die Leiterin. „Ethisch ist dabei alles korrekt. Immerhin dienten den Modellen Leichen als Vorbilder“, so Druml, die auch Vorsitzende der Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt ist.

Julius Raab brach Studium ab

Im Archiv der Technischen Universität (TU) befinden sich insgesamt 5.000 Laufmeter Dokumente. Die Unterlagen reichen bis ins Jahr 1815 zurück. Unter den Dokumenten befinden sich größtenteils Verwaltungsunterlagen, aber auch Personalakten – zum Beispiel die Inskriptionsbescheide und Studienverläufe von Studenten.

Julius Raab Inskription

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Der Matrikelschein von Julius Raab

In den Unterlagen ist auch das Studienblatt von Julius Raab, dem „Staatsvertragskanzler“, enthalten. Darin sind sein Geburtsdatum und seine Studienfächer vermerkt. Aber auch, dass er von 1914 bis 1918 in den Krieg einrückte und danach sein Studium nicht beendete. „Da hat er dann schon seine politische Laufbahn begonnen“, sagt Juliane Mikoletzky, die Leiterin des Archivs.

Patente von Bösendorfer im TU-Archiv

„Die Hauptaufgaben eines klassischen Uniarchivs sind die Aufbewahrung, Pflege und Ordnung“, so Mikoletzky. Im Archiv der TU befinden sich auch die Nachlässe von ehemaligen Studierenden und Professoren. Darunter ist auch jener von Friedrich Ohmann, dem Architekten, der die Stadtparkeinfassung, das Elisabethdenkmal im Volksgarten und das Palmenhaus entwarf. Auch eine Sammlung von Patentschriften aus den Jahren von 1800 bis 1850 ist im Archiv vorhanden. „Darunter befinden sich auch Patente einiger Musikinstrumente – so auch die von Bösendorfer“, so Mikoletzky.

Während in der Sammlung der Zoologie daran gearbeitet wird, so viel wie möglich zu digitalisieren, ist das bei den Daten der TU schwierig. „Aufgrund des Datenschutzes dürfen personenbezogene Daten erst 30 Jahre nach dem Tod der betreffenden Person veröffentlicht werden. Uns fällt es hier oft schwer, das nachvollziehen zu können“, so Mikoletzky.

Angewandte steuert Objekte zu Ausstellungen bei

Eigene Ausstellungen des Archivs, das öffentlich zugänglich ist, gibt es aus Platzgründen kaum. „Wir steuern aber regelmäßig Dokumente zu Ausstellungen bei. Am 12. Dezember eröffnet etwa eine Ausstellung über den Architekten Josef Frank, der an der TU studiert hat. Da werden einige Zeichnungen aus seiner Dissertation aus unserem Archiv gezeigt.“

Im Archiv der Angewandten befindet sich eine große Kunstsammlung. Doch auch hier gibt es kaum eigene Ausstellungen mit den Archivobjekten. Größtenteils werden Kooperationen mit Museen eingegangen. „So gab es beispielsweise eine Ausstellung über Kolo Moser oder den Wiener Kinetismus in der Albertina unter Beteiligung der Angewandten“, sagt der Leiter Patrick Werkner.

„Kokoschka hat Kalvach im Studium nachgemacht“

Erst kürzlich wurde ein neues Depot eröffnet, in dem Archiv und Sammlung gemeinsam geführt werden. Über 65.0000 Dokumente, 20.000 Grafiken, 8.500 Kostüm- und Modeobjekte und 5.000 Plakate, Möbel und Keramiken verfügt das Archiv. „Das Uniarchiv gibt es, seit es die Kunstgewerbeschule gab, die Sammeltätigkeit von Kunstobjekten setzte erst ab 1979 verstärkt ein“, so Werkner. „Ziel ist es, Werke von Menschen zu sammeln, die bei uns tätig waren oder ausgebildet wurden.“ Gustav Klimt, der in den 1870er Jahren an der Angewandten war, zählt dabei zu einem der prominentesten Schüler.

Kolo Moser und Oskar Kokoschka zählen aber genauso dazu. „In den Archiven befinden sich auch Zeugnisse der Schülerinnen und Schüler. Es ist sehr interessant, jetzt die Beurteilung von Malern zu lesen, die später weltberühmt wurden. Der Lehrer von Kokoschka bemängelte zum Beispiel, dass er Rudolf Kalvach, den Grafiker, nachmacht, seit die beiden nebeneinander sitzen“, so Werkner.

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