Unbegleitet, minderjährig und auf Flucht

Ein Leben ohne Eltern können sich viele hierzulande nicht vorstellen, für mehr als 900 minderjährige Flüchtlinge in Wien ist das Alltag. Der Großteil davon lebt in Heimen und WGs - so wie Belal, den „Wien heute“ besucht hat.

„Flucht ist vom Anfang bis zum Ende schwer“, sagt Belal. Er ist selbst von Afghanistan nach Österreich gekommen, von den Eltern wurde er unterwegs getrennt. Mehr als 900 unbegleitete Minderjährige sind im Zuge der Flüchtlingsbewegung im vergangenen Herbst in Wien gelandet. Belal kam bereits im Dezember 2014 ins Land und lebt in einer betreuten Unterkunft. Wie er werden zur Zeit 624 Kinder und Jugendliche in Heimen und Wohngemeinschaften betreut.

Wohngemeinschaft minderjährige Flüchtlinge

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Die Sozialpädagogen helfen den Jugendlichen und dienen als Stütze

Stütze, nicht Elternersatz

Belal lebt in einer Wohngemeinschaft (WG) der MA 11 zusammen mit sieben Jugendlichen. Betreut werden sie von vier Sozialpädagogen, Rene Sachs ist einer davon. Aus seiner Sicht profitieren die Jugendlichen besonders von den vorgegebenen Tagesstrukturen und den Bezugspersonen in der WG. Seine Position sieht er nicht als Elternersatz, sondern als Stütze, die in einer professionellen Beziehung zu den Jugendlichen steht.

Die Betreuer legen besonderen Wert darauf, dass die Jugendlichen selbstständig werden: „Es ist wichtig, dass Jugendliche eigenständige Persönlichkeiten werden, die wissen, was sie tun können und dürfen.“ Im WG-Alltag gibt es dabei natürlich auch Reibereien und Probleme, diese werden aber dezidiert angesprochen und geklärt. Als Vorteil des WG-Lebens sieht Sachs jedoch, dass sie eine erwachsene Bezugsperson haben, die sie etwa bei Behördengängen unterstützt.

Wohngemeinschaft minderjährige Flüchtlinge

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Belal ist seit Dezember 2014 in Österreich.

Belal ist „Vorbild“

Über Belal kann Sachs nur Positives berichten. Er sei ein Vorbild für die anderen Jugendlichen, „nett, freundlich und zuvorkommend“. Überrascht hat ihn, wie schnell er Deutsch gelernt hat, zu Beginn konnte er sich nur auf Englisch verständigen. In Gesprächen sei ihm anzumerken, dass er in seinem jungen Leben schon viel erlebt hat.

Eltern in Pakistan

Belal ist 14 Jahre alt. Sein Vater wurde von den Taliban verfolgt, und so versuchte die ganze Familie zu fliehen. Er hat drei Geschwister, zwei Brüder und eine Schwester. Im Iran wurde er von ihnen und seinen Eltern getrennt. Als die iranische Polizei versuchte sie festzunehmen, gelang es Belal mit dem Schlepper davonzulaufen. Während er über die Türkei und den Balkan bis nach Österreich gelangte, sind seine Eltern mittlerweile in Pakistan.

Mit ihnen telefoniert Belal regelmäßig und hofft sie eines Tages nachholen zu können: „Es ist nicht einfach ohne Familie zu leben.“ Als „Ankerkind“, also als in Österreich lebende „Vorhut“ für seine ganze Familie, sieht er sich nicht. Bei der Flucht sei er noch sehr schwach und klein gewesen, deswegen hätte auch die ganze Familie versucht, den Weg nach Europa zu finden.

Alltag von Kindern in einer Flüchtlings-WG

Rund 900 unbegleitete Minderjährige sind in Wien. 624 Kinder und Jugendliche werden in Heimen und Wohngemeinschaften betreut.

Berufswunsch Polizist

Belal kam vor der großen Flüchtlingsbewegung bereits im Dezember 2014 nach Österreich. Bei der Ankunft sprach er einen Polizisten an, der ihn nicht nach Traiskirchen, sondern in ein kleineres Krisenzentrum brachte. Nachdem er dort eine Woche verbracht hatte, wollte er zur Schule gehen. Daraufhin brachte man ihn in der WG unter.

Seitdem besucht Belal die Schule und möchte das auch weiter tun. Er spricht fünf Sprachen, im Alltag aber vor allem Deutsch, wie er sagt. Sein Berufswunsch ist klar: Er möchte Polizist werden. Bis dahin muss er noch einige Hürden wie etwa die Staatsbürgerschaft bewältigen. Doch sein Betreuer ist sich sicher, dass er das schaffen wird.

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