100 Tage Regierung: „Es fehlt die Vision“

Mit Donnerstag ist die zweite Auflage der rot-grünen Wiener Stadtregierung genau 100 Tage im Amt. Politikberater Thomas Hofer fehlt die große Vision der Regierung. Die Oppositionsparteien fordern sogar Rücktritte.

„Rot-Grün fehlt weiterhin, wie schon bei der ersten Auflage, ein gemeinsames großes Projekt, eine Art Vision“, so Politikberater Thomas Hofer im Interview mit ORF-Wien-Chefredakteur Paul Tesarek.

„Aber man hat aber auch nicht so versagt, wie es die Opposition dargestellt hat. Man hat immerhin das Wahlrecht, ein sehr umstrittenes Thema aus der letzten Legislaturperiode, aus dem Weg geräumt und man hat auch in Richtung Wohnen ein paar Projekte auf den Weg gebracht, die man herzeigen kann.“ Hofer sieht dennoch einige Konfliktthemen im rot-grünen Regierungsprogramm. „Das kann noch große Probleme bereiten.“

Dieses Element ist nicht mehr verfügbar

Thomas Hofer im Interview

Politikberater Thomas Hofer analysierte für „Wien heute“ die ersten 100 Tage der Stadtregierung, aber auch der Opposition.

„Pleiten, Pech und Pannen“

Viel Kritik kommt von den Oppositionsparteien. „Außer Pleiten, Pech und Pannen ist nicht viel passiert. Es sind viele Skandale an die Öffentlichkeit gelangt, wie Semmelweis-Klinik und islamistische Kindergärten“, meinte etwa Johann Gudenus, Klubobmann der Wiener FPÖ zu den ersten hundert Tagen der rot-grünen Regierung. Besonders kritisierte er Stadträtin Sonja Wehsely (SPÖ), die „auf Tauchstation in Kuba gegangen“ sei, statt sich dem Problem der islamischen Kindergärten zu widmen.

In diesem Bereich will Gudenus "alle unsere Möglichkeiten ausgeschöpfen, die FPÖ bereitet demnach eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft vor. „Thema Nummer eins“ könnte für Gudenus die Kontrolle rund um das Krankenhaus Nord werden, hier wurde der Bundesrechnungshof eingeschaltet.

Drohung mit Verfassungsgerichtshof

Zu der von SPÖ und Grünen angekündigten Änderung der Bauordnung zur Errichtung von temporären Unterkünften droht die FPÖ mit dem Verfassungsgerichtshof, sollte die Novelle am 18. März in der jetzigen Form im Landtag beschlossen werden - mehr dazu in Flüchtlinge: Erleichterung bei Bauvorschriften.

100 Tage Rot/Grün 2

Eine erste Bilanz der Opposition für Rot/Grün 2 ist vernichtend. Die Stadtregierung selbst sieht die eigene Arbeit naturgemäß positiv.

ÖVP fordert Rücktritte

Gernot Blümel, Obmann der Wiener ÖVP, zog in einer Pressekonferenz eine „Bilanz des Scheiterns“ und forderte Rücktritte. „100 Tage Rot-Grün II sind 100 verlorene Tage für die Wienerinnen und Wiener“, meinte Blümel. Zu den „100 Baustellen“, die die Wiener ÖVP sieht, zählen vor allem der Schuldenstand und die „Rekordarbeitslosigkeit“. Blümel forderte eine Ausgabensenkung, die Umsetzung des Lobautunnels sowie die Liberalisierung der Bauordnung für die Wirtschaft.

Längst rücktrittsreif ist für Blümel Vizebürgermeisterin und Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou (Grüne) - nicht zuletzt, um ihre Ankündigung im Falle von Verlusten bei der Wien-Wahl endlich wahr zu machen. Auch SPÖ-Klubobmann Christian Oxonitsch der in seiner damaligen Funktion als Stadtrat für das „Desaster rund um die Islam-Kindergärten“ verantwortlich, sowie die jetzt dafür zuständige Ressortchefin Sonja Wehsely forderte er zum Rücktritt auf.

24 NEOS-Vorschläge präsentiert

NEOS-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger gab der Stadtregierung noch 24 Stunden Zeit, um 24 NEOS-Vorschläge umzusetzen. Zu den großteils bereits bekannten Forderungen zählen die Einführung einer Schuldenbremse, eine transparente Auftragsvergabe sowie ein Verbot von Aufträgen der öffentlichen Hand an parteinahe Unternehmen, die Halbierung der Parteienförderung und des Inseratenbudgets sowie eine Qualitätsoffensive im Kindergarten.

Meinl-Reisinger begrüßte das kürzlich beschlossene Jugendcollege für Flüchtlinge, die angekündigte Wohnbauoffensive sowie den Beschluss der Wahlrechtsreform - auch wenn diese nicht weit genug gehe. Den dringendsten Handlungsbedarf sieht NEOS in der Schuldenpolitik, beim Thema Transparenz und Anti-Korruption und im Umgang mit der Flüchtlingskrise. Sie vermisse eine „aktive und ehrliche Kommunikation in der Flüchtlingsfrage“, sagte Meinl-Reisinger: „Ich erwarte mir, dass sich der Bürgermeister jede Woche in der Stadthalle hinstellt und die Bürger einlädt.“

SPÖ und Grüne: Konstruktives Klima

Christian Oxonitsch und David Ellensohn, Klubobmann der Grünen, sahen in einer gemeinsamen Aussendung ein „konstruktives Klima“, die Zusammenarbeit würde funktionieren. Als positive Projekte der ersten hundert Tage der rot-grünen Regierung werden unter anderem eine Wohnbauoffensive, strenger Jugendschutz durch ein neues Wettgesetz, ein neues Wahlrecht, die Nachwuchsförderung „Sportscontracting“ oder der kostenlose Lehrabschluss für Berufstätige hervorgehoben.

Auch auf die fortschreitende Planung des Bildungscampus Nordbahnhof, den Jahreskartenrekord der Wiener Linien, die Ausweitung des Parkpickerls auf Währing und darauf, dass sich Wien als eines der wenigen Bundesländer für den Erhalt der Mindestsicherung einsetze, ist man in der Stadtregierung stolz.

Links: