Wenig Interesse an serbischer Wahl

In Wien leben rund 75.000 Menschen mit serbischer Staatsbürgerschaft. Viele besuchen oft ihre Heimat und nutzen serbische Medien. Das Interesse an der serbischen Parlamentswahl am Sonntag ist aber überraschend gering.

Am Sonntag findet nicht nur die österreichische Bundespräsidentschaftswahl statt. Auch in Serbien wird gewählt, und zwar ein neues Parlament. Obwohl alleine in Wien rund 75.000 Menschen mit serbischer Staatsbürgerschaft leben, ließen sich nur 524 Menschen in ganz Österreich für die Wahl registrieren. Sie können am Wahltag, dem 24. April, ihre Stimme im serbischen Konsulat in Wien abgeben.

„Wahlfahrt“ nach Serbien

Aufgrund der geringen Zahl an Anmeldungen seien keine weiteren Wahllokale nötig, sagt Goran Bradic, stellvertretender Missionschef der serbischen Botschaft in Wien. „Wir sind überrascht, dass so wenige Menschen von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen.“ Bradic vermutet, dass die Zahl der Anmeldungen unter anderem deshalb so gering ist, weil viele Serben, die in Österreich leben, übers Wochenende in ihr Herkunftsland fahren und dort ihre Stimme an ihrem Zweitwohnsitz abgeben.

Goran Bradic, stellvertretender Missionschef der Serbischen Botschaft in Wien

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Goran Bradic, stellvertretender Missionschef der serbischen Botschaft in Wien

Ähnliche Parteien wie im Herkunftsland

Einer der wenigen Serben, die am Sonntag im serbischen Konsulat in Wien wählen werden, ist Bojan Lazic. Er ist noch unentschlossen, welche Partei er auf dem Wahlzettel ankreuzen wird. Mit seiner Stimme kann er etwas bewirken, ist er überzeugt. „Ich möchte für meine Heimat etwas besser machen. Ich möchte eine bessere Zukunft für die Menschen in Serbien.“

Dragan Stevic legte sich dagegen bereits fest. Er wird die Partei des amtierenden Ministerpräsidenten Aleksandar Vucic wählen. „Vucic hat mich mit seiner Arbeit in den letzten Jahren überzeugt.“ Vucic schrieb nach zwei Regierungsjahren eine Neuwahl zur Festigung seiner Macht aus. Seine Fortschrittspartei wird aller Voraussicht nach wieder stimmenstärkste Partei in Serbien werden.

Auch von den wenigen Serben in Österreich, die an der Wahl teilnehmen, wird Vucic wohl die meisten Stimmen erhalten. Das Wahlverhalten der Serben in Österreich folge ähnlichen Mustern wie im Herkunftsland, sagt Zarko Radulovic, Chefredakteur der Medien-Servicestelle Neue ÖsterreicherInnen. „Das liegt daran, dass die Serben in Österreich eine sehr heterogene Gruppe sind, und auch das Wahlverhalten wird ein durchaus heterogenes sein.“

Politikwissenschaftler Vedran Dzihic

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Politikwissenschaftler Vedran Dzihic

Kein serbischer Wahlkampf in Wien

Anders als bei der türkischen Präsidentschaftswahl vor zwei Jahren, bei der der damalige türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan unter den Türken in Österreich überdurchschnittlich gut abschnitt. Der Wahlkampfauftritt Erdogans in der Albert-Schultz-Eishalle in Wien Donaustadt blieb in Erinnerung. Tausende feierten ihren Kandidaten mit Türkei-Flaggen, riesigen Erdogan-Plakaten und Sprechchören - mehr dazu in Fahnenmeere für und wider Erdogan (wien.ORF.at; 18.6.2014).

Wahlkampfauftritte von serbischen Politikern gab es in Wien in den vergangenen Wochen dagegen nicht. „Die Auslandsserben werden von Belgrad eher stiefmütterlich behandelt. Auch was Wahlwerbungen und Kampagnen betrifft, ist hier kaum Aktivität zu verzeichnen“, sagt Radulovic. Er führt das auf den geringen Prozentsatz der Serben, die in Österreich zur Wahl gehen, zurück. „Dementsprechend sieht es die Politik in Belgrad wahrscheinlich nicht als essenziell an, hier große Aktionen zu setzen.“

„Versprechen der Politiker nicht umgesetzt“

Viele Serben in Wien glauben nicht, dass ihre Stimme einen Einfluss auf das Geschehen ihres Herkunftslands hat. Dragana Djuricic hat kein Interesse an der serbischen Parlamentswahl. Sie sagt, sie lehne die Politik in Serbien generell ab. Ein- bis zweimal im Jahr fahre sie nach Serbien, um Freunde und Familie zu besuchen. Was sie dort sehe, gefalle ihr nicht.

„Junge Menschen mit Hochschulabschlüssen finden in Serbien keine Arbeit, viele müssen auswandern. Das ist die Tragik des Landes. Die serbische Politik interessiert mich höchstens am Rande.“ Auch Boban Stokic wird nicht an der Wahl in seinem Herkunftsland teilnehmen. „Die serbischen Politiker versprechen viel, aber in den letzten 15 bis 20 Jahren haben sie nichts davon umgesetzt.“

Interesse an österreichischer Politik

Besonders die Serben der zweiten und dritten Einwanderergeneration haben sich emotional und kulturell von ihrem Herkunftsland entfernt, sagt der Politikwissenschaftler Vedran Dzihic. Viele führen noch regelmäßig nach Serbien und nutzten serbische Medien, seien aber apolitisch, was ihr Heimatland betreffe.

Dzihic spricht von zwei Phänomenen, die auf alle Menschen mit Migrationshintergrund zutreffen, auch auf Serben. „Erstens nimmt mit der Fortdauer des Bleibens in Österreich das Interesse an den Geschehnissen in der Heimat ab, und zweitens wird mit fortschreitendem Grad der Integration das Interesse für die politischen Fragen in Österreich möglicherweise gestärkt“, sagt Dzihic.

Der Alltag der Serben in Österreich wird mehr von Entscheidungen der österreichischen als von jenen der serbischen Politik bestimmt. Wählen und damit am politischen Prozess teilhaben dürfen Menschen mit serbischer Staatsbürgerschaft hierzulande aber nicht. Das Interesse wäre jedenfalls da, etwa bei Djuricic, die sagt: „Ich lebe in Österreich, und hier möchte ich auch wählen.“

Isabella Purkart, wien.ORF.at

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