Nigerianer in Wien: Kunst gegen Klischees

Afrikanische Migranten in Wien werden derzeit oft mit der Drogenproblematik entlang der Linie U6 in Verbindung gebracht. Eine Ausstellung räumt mit Klischees auf und widmet sich der nigerianischen Migrationsgeschichte.

„Naija Akatarians – Nigerian Migrants in Vienna since 1960“ - so heißt die Ausstellung, in der sich Österreichs größte Subsahara-Community präsentiert. Sie möchte einen Dialog mit der Stadt Wien starten, zu der sie so ein schwieriges Verhältnis hat.

Die Ausstellungseröffnung von Naija Akatarians.

Clifford Erinmwionghae

Ungewöhnlicher Ausstellungsraum: Ein Friseursalon

Die Ausstellung ist ein unabhängiges Projekt, gefördert durch „SHIFT“, einer Unterabteilung der Kulturabteilung der Stadt Wien. Es bewegt sich zwischen Kunst und Forschung, denn afrikanische Migration erlangte bisher nicht viel wissenschaftliche Aufmerksamkeit in Wien.

Omofuma-Tod als Thema

Ausgestellt werden Zeichnungen und Objekte, aber auch Interviews mit nigerianischen Migranten und Migrantinnen sowie Privatfotos. Zu sehen ist außerdem eine Zeitleiste mit wichtigen Ereignissen, wie der Entstehung von ersten afrikanischen Geschäften, Kirchen und wichtiger Organisationen und Vereine, wie beispielsweise NANCA - National Association of Nigerian Community Austria, einem Verein für alle in Österreich lebenden Nigerianer und Nigerianerinnen, unabhängig von ihrer ethnischen Zugehörigkeit oder Religion.

Ausstellungshinweis:

„Naija Akatarians – Nigerian Migrants in Vienna since 1960“, bis 25. Juni, Kings Barbing Salon, Wimbergergasse 8, 1070 Wien. Die Ausstellung ist in englischer Sprache gehalten. Der Eintritt ist frei. Anmeldung via E-Mail.

Einen besonders markanten Punkt der Ausstellung bildet der gewaltsame Tod Marcus Omofumas 1999, der eine große Protestbewegung auslöste. Der damals 26-jährige Asylwerber wurde bei der Abschiebung gefesselt und mit einem Klebeband erstickt. Die drei verantwortlichen Polizisten wurden zu acht Monaten bedingter Haft verurteilt. Ihre Suspendierung vom Dienst wurde noch vor der Gerichtsverhandlung aufgehoben. Menschenrechtsaktivisten kritisierten das milde Urteil als rassistisch motiviert.

Drogenszene: Kritik aus eigenen Reihen

Perspektiven verschiedener Generationen, die ein ambivalentes Verhältnis zueinander haben, werden in der Ausstellung künstlerisch inszeniert. Ältere afrikanische Bildungsmigranten der 1960er und 70er stehen den jungen Kriegs- und Armutsflüchtlingen der 80er, 90er und der Gegenwart kritisch gegenüber.

So wird die afrikanische Drogendealerszene entlang der U-Bahn-Linie U6 von älteren afrikanischen Migranten heftig kritisiert. Man beklagt eine Imageverschlechterung der gesamten Community. Der Zusammenhalt zwischen Nigerianern jeden Alters ist dennoch groß.

Zeichnungen, Texte und Fotos hängen gleichberechtigt nebeneniander.

Clifford Erinmwionghae

Zeichnungen Texte und Fotos liegen über der Timeline

Widersprüchliche Meinungen zu Homosexualität

Die jungen afrikanischen Drogendealer stehen unter einem enormen existentiellen Druck. Verschärfte polizeiliche Verfolgung kann die Probleme dieser Asylwerber nicht lösen. Insofern zeigt man sich unter afrikanischen Migranten trotz moralischer Bedenken solidarisch - mehr dazu in U6: Drogen dealen - was sonst?.

Veranstaltungshinweise:

Kuratorenführung am 20. Juni, 16.00 Uhr, im Kings Barbing Salon, Wimbergerstr. 8, 1070 Wien

Podiumsdiskussion am 23. Juni, 18.30 Uhr, im Wien Museum, Karlsplatz 8, 1040 Wien

Auch Homosexualität wird widersprüchlich thematisiert. Einerseits als Fluchtgrund, da gleichgeschlechtliche Beziehungen in Nigeria verboten sind, andererseits als Tabu unter nigerianischen Migranten selbst. Es existiert eine unsichtbare afrikanische Schwulen- und Lesbenszene, die in der Ausstellung sichtbar gemacht werden soll.

Der Friseursalon als Ausstellungsraum.

Clifford Erinmwionghae

Während der Ausstellung läuft der Betrieb ungestört weiter

Ausstellung in Friseursalon

So vielfältig die Themen der Ausstellung sind, so unterschiedlich sind auch ihre Veranstalter: Petja Dimitrova ist Künstlerin und lehrt an der Akademie der Bildenden Künste. Clifford Erinmwionghae ist Student und Aktivist, der 2012 die „Bleibeführer_In“, einen Art Wien-Reiseführer für Asylwerber, zusammen mit dem Künstler und Aktivisten Hansel Sato herausgegeben hat. Happy Akegbeleye ist in der Wiener Nigeria-Community vor allem als Fußballer bekannt.

Ausgestellt wird im Kings Barbing Salon, einem afrikanischen Friseursalon in Wien-Neubau. Die kuriose Wahl des Veranstaltungsortes ist beabsichtigt. So sollen auch Menschen ohne einen starken Bezug zum Kulturgeschehen angesprochen werden.

Theresa Loibl, wien.ORF.at

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