„Bummvoll“: SOS-Kinderdorf mit Platzmangel

Das SOS Kinderdorf betreut in Wien circa 150 Kinder und Jugendliche - vor allem in Floridsdorf und der Donaustadt. Leiter Erwin Rossmann wünscht sich allerdings dringend mehr Plätze, denn man sei „bummvoll“.

Seit mittlerweile zehn Jahren ist das SOS-Kinderdorf auch in Wien mit einer Dependance vertreten. 2006 gab es eine Kinderdorf-Familie mit drei Kindern, heute betreut die Organisation rund 150 Kinder und Jugendliche. „Für ein Kind gibt es nichts Schöneres, als bei seinen Eltern aufzuwachsen“, so Leiter Erwin Rossmann im Interview mit der APA. Doch es gibt Gründe, warum dies nicht immer möglich ist - nämlich dann, wenn zum Beispiel Gewalt oder Vernachlässigung im Spiel sind.

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SOS-Kinderdorf betreut in Wien rund 150 Kinder und Jugendliche

„Wir kriegen laufend Anfragen und können nicht“

Wenn klar ist, dass die Kinder nicht mehr zu den Eltern zurück können, dann wird beispielsweise beim SOS-Kinderdorf angefragt, ob dieses die Betreuung übernehmen kann. Im Moment tut sich die Organisation allerdings mit freien Kapazitäten schwer: „Die Plätze reichen aus meiner Sicht nicht aus - wir kriegen laufend Anfragen für die Aufnahme von Kindern und können sie nicht aufnehmen“, sagte Rossmann. Doch eine Ausweitung der Plätze sei eine „Auftragssache der Stadt Wien“.

Wenn man rein die Statistik betrachtet, ist der Bedarf eigentlich im Laufe der Jahre nicht so stark gestiegen wie es scheinen mag. 2006 waren circa 3.300 Kinder in Wien in Fremdunterbringung, nun sind es circa 3.800. Der gestiegene Bedarf habe auch mit der im Jahr 2000 beschlossenen Heimreform zu tun, argumentierte Rossmann. Damit wurden große Heime geschlossen und u.a. Wohngemeinschaften für bis zu acht Kinder geschaffen.

13.000 Gefährdungsmeldungen pro Jahr

„Es gibt knapp 13.000 Gefährdungsmeldungen jedes Jahr in der Stadt Wien, knapp 6.000 davon haben den Hintergrund Vernachlässigung der Kinder“, veranschaulichte der Kinderdorf-Leiter. Die Gründe für die Fälle von Vernachlässigungen seien „vielleicht gesellschaftspolitisch zu suchen“: Der wirtschaftliche Druck auf Familien werde größer, Beziehungen seien nicht mehr so stabil. „Es geht oft ums Geld. Es geht oft ums Thema Wohnen, Essen, Arbeit.“

Ebenfalls häufig seien aber auch Meldungen wegen Gewalt: Im Vorjahr gab es 3.200 Verdachtsfälle von körperlicher Gewalt, 1.500 Verdachtsfälle von psychischer Gewalt und 140 Meldungen wegen sexueller Gewalt. Eine Meldung bedeutet allerdings nicht automatisch, dass das Kind aus der Familie genommen wird. Zunächst prüfen Sozialarbeiter und entscheiden dann abhängig vom Schweregrad bzw. abhängig davon, ob Gefahr in Verzug ist, über die Maßnahmen.

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Gastfamilien für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gesucht

Gastfamilien für Flüchtlinge gesucht

Seit dem Vorjahr betreut das Kinderdorf auch rund 50 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Im Schnitt sind die Betroffenen zwischen fünf und acht Jahre alt, wenn die Organisation die Betreuung übernimmt, so Rossmann. Für diese werden auch laufend Gastfamilien gesucht.

Interessierte müssen finanziell unabhängig sein, über einen einwandfreien Leumund sowie einen adäquaten Wohnraum verfügen. Der Hauptwohnsitz hat in Wien zu liegen. Die jugendlichen Flüchtlinge, für die das Kinderdorf Familien sucht, sind zwischen 14 und 18 Jahre alt. Sie sind größtenteils männlich und stammen aus Staaten wie Syrien, Afghanistan oder Somalia. Neben einer finanziellen gibt es auch pädagogische Unterstützung - denn es bedarf einer besonders einfühlsamen Betreuung.

Elternarbeit bald flächendeckend

Manche Kinder kehren in ihre Familien zurück, wenn sich die Verhältnisse dort stabilisiert haben, viele bleiben. Um die Zahl der - wie Rossmann sie nennt - „Rückführungen“ zu erhöhen, setzt das Kinderdorf künftig verstärkt auf Elternarbeit. Das heißt, Sozialarbeiter unterstützen die betroffenen Eltern bei der Bewältigung ihrer Lebenssituation. In ersten Wohngruppen wird das bereits praktiziert. Im kommenden Jahr soll die Elternarbeit flächendeckend in den Wiener Kinderdorf-Einrichtungen eingeführt werden.

Ebenfalls ressourcentechnisch aufgestockt wird 2017 im zum Kinderdorf gehörenden Ambulatorium für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Denn hier gebe es einen „Riesenbedarf“, so Rossmann. Künftig soll es einen Facharzt sowie zwei Therapeuten mehr geben. Finanziert wird das Ambulatorium zu 75 Prozent durch Sozialversicherungsträger - vor allem der Wiener Gebietskrankenkasse - und durch Spenden.

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