MAK: Zeitreise ins Biedermeier
Seit über 30 Jahren arbeiten Michael Clegg und Martin Guttmann schon zusammen. Ihr Schaffen sehen sie selbst als „soziokommunikativen Prozess“, der den Betrachter gerne aktiv mit einbezieht. Die kommende Ausstellung im Geymüllerschlössel soll ganz diesem Prinzip entsprechen. Von 25. September bis 4. Dezember wird ein Rundgang von Texten und Musik begleitet in 14 Stationen durch das Anwesen führen. Dabei soll die bestehende Biedermeiereinrichtung durch Eingriffe der Künstler in ein neues Licht gerückt werden.
Clegg & Guttmann/Georg Kargl Fine Arts, Vienna
„Musiksofa“ und Panoramatapete
Aus den Objekten im Geymüllerschlössel in Währing sollen Szenen und Stillleben geformt werden. Dabei werden Möbel verrückt, die Beleuchtung verfremdet und Soundelemente eingefügt, die den Biedermeierstil „aktivieren“ sollen, heißt es vonseiten des MAK. Vorgeführt werden unter anderem ein „Musiksofa“, das früher Musik spielte, wenn man sich darauf setzte und die panoramahafte „Zuber-Tapete“, die den Betrachter an exotische Orte entführt.
Ausstellungshinweis:
„Biedermeier reanimiert“ von 25. September bis 4. Dezember, Eröffnung am 20. September, 19.00 Uhr, MAK-Expositur Geymüllerschlössel, Pötzleinsdorfer Straße 102, 1180 Wien.
Untermalt wird die Ausstellung mit Biedermeiermusik und aufgezeichneten Gespräche, die Martin Guttmann mit internationalen Kunsthistorikern und Biedermeierexperten führte. Diese Gespräche können im Buch „Biedermeier reanimiert“ auf Deutsch nachgelesen werden. Besucherexemplare des Buchs werden begleitend zum Rundgang kostenlos zur Verfügung gestellt.
Gerald Zugmann/MAK
Rundgang soll Geschichten erzählen
Die Künstler wollen mit ihrer Arbeit Geschichten im Flair des Biedermeier erzählen und für den Betrachter erkennbar machen, wie relevant diese Epoche auch heute noch ist, so das MAK gegenüber wien.ORF.at. „Dabei richtet sich der Blick auf künstlerische Aspekte, die – im Gegensatz zu einer ausschließlich kunsthistorischen Aufbereitung – den Biedermeierstil in seiner Aktualität erlebbar machen.“
Das direkte Ansprechen und Miteinbeziehen des Betrachters ist typisch für die Arbeiten von Clegg & Guttmann. Im deutschsprachigen Raum sind sie vor allem für ihre frei zugänglichen Büchervitrinen bekannt. Solche Bücherschränke finden sich in Österreich beispielsweise in Graz oder auf dem jüdischen Friedhof in Krems in Niederösterreich. Auch in der Bibliothek der Universität von Innsbruck befindet sich eines ihrer Objekte - eine sogenannte „Lesemaschine“, die sich auf mechanische Erfindungen der Renaissance bezieht.
Clegg & Guttmann/Georg Kargl Fine Arts, Vienna
Geymüllerschlössel hat NS-Vergangenheit
Der Ausstellungsort in Wien wurde Anfang des 19. Jahrhunderts vom Schweizer Bankier Johann Jakob Geymüller als Sommerresidenz errichtet. Das Lustgebäude mit gotischen und orientalischen Stilelementen entsprach ganz dem damaligen Lebensgefühl von luxuriöser Gemütlichkeit und Bürgerlichkeit. Es wanderte durch verschiedene Eigentümerhände, bis es als damals jüdischer Privatbesitz während des Zweiten Weltkriegs von der Deutschen Reichsbank „arisiert“ wurde.
Nach 1945 ging das Schlössel an die Österreichische Nationalbank über, die es an die damals noch junge, vom Krieg mitgenommene und hoch verschuldete Republik Österreich verkaufte. Franz Sobek schoss den Verkaufspreis in Devisen vor und erhielt dafür ein lebenslanges Wohnrecht.
Peter Kainz/MAK
Der Direktor der Staatsdruckerei und Gründer der österreichischen Interessenvertretung für NS-Opfer „Bund politisch Verfolgter“ hinterließ nach seinem Tod eine wertvolle Uhrensammlung. Diese kann heute noch im mit der Straßenbahnlinie 41 erreichbaren Geymüllerschlössel neben den Ausstellungen des MAK betrachtet werden.
Theresa Loibl, wien.ORF.at