Angeblich Ungefährlicher drohte mit Bomben

Eine krasse Fehleinschätzung ist im Frühjahr einem Wiener Richter unterlaufen. Er wies einen 27-jährigen Mann nach einer Bombendrohung nicht in eine Anstalt ein. Nach Prozess drohte dieser jedoch gleich wieder mit Bomben.

Eine telefonische Drohung, den Bahnhof Meidling zu sprengen - das war der Grund für den ersten Prozess im April. Ein Gutachter stufte den Mann damals als psychisch krank aber zurechnungsfähig ein. Eine Strafe erhielt er dennoch nicht, denn der Richter war von der Schuldfähigkeit des Mannes nicht überzeugt, hielt ihn aber auch nicht für gefährlich.

Bombendrohung wenige Minuten nach Prozess

Nur wenige Minuten nach dem Prozess lief der 27-Jährige damals jedoch seiner Sozialarbeiterin davon, eilte in eine Telefonzelle und drohte neuerlich mit einem Bombenanschlag. In weiterer Folge griff der seit seiner Kindheit psychisch auffällige Mann immer öfter zum Hörer. Zwischen 22. April und 14. Mai drohte er fünf Mal mit der Sprengung der Telekom-Zentrale, drei Mal ging ein ähnlicher Anruf bei der Telefonseelsorge der Erzdiözese Wien ein.

Auch der ÖAMTC wurde in Furcht und Unruhe versetzt. Weil er nicht weiterverbunden wurde, teilte der 27-Jährige einem Mitarbeiter in der Telefonzentrale mit, er habe einen Rucksack mit Dynamit hinterlegt.

Einweisung in Anstalt gefordert

Am Mittwoch stand der Mann nun erneut vor Gericht. Derselbe Gutachter wie im April bescheinigte dem 27-Jährigen nun jedoch Zurechnungsunfähigkeit und eine damit einhergehende mangelnde Schuldfähigkeit. Auf Basis dessen beantragte die Staatsanwaltschaft nun die Unterbringung des Mannes in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbreche.

Der 27-Jährige hinterließ vor dem Schöffensenat den Eindruck eines psychisch kranken Mannes. Immer wieder kicherte er vor sich hin oder steckte die Hände in den Mund. Auf die Frage, warum er mit Bomben und Anschlägen gedroht hätte, meinte der 27-Jährige: „Weil mich die Leute immer beschimpfen. Arschloch sagen sie zu mir und Blödmann.“ Seine Absicht sei, „dass die Polizei kommt und mir in der Sache hilft. Aber die Polizei sagt immer nur, sie sind nicht zuständig bei solchen Beschimpfungen.“

Psychische Erkrankung „nicht behandelbar“

Als „Grenzfall in allen Bereichen“ bezeichnete Gerichtspsychiater Karl Dantendorfer den 27-Jährigen. Der Mann leide an einer „irreversiblen Störung der Hirnfunktion“. Diese ist laut Gutachter „nicht behandelbar“. Medikamente „können allenfalls seine Energie und seinen Antrieb dämpfen.“ Eine „nachhaltige Stabilisierung seiner Steuerungsfunktionen“ sei nicht zu erwarten, meinte Dantendorfer.

Insgesamt fünf Vorgutachter - Dantendorfer eingeschlossen - hatten den Mann für zurechnungsfähig eingestuft, der 2007 erstmals strafrechtlich auffällig wurde. Er beging kleinere Ladendiebstähle und Sachbeschädigungen, auch beim Onanieren in der Öffentlichkeit wurde er erwischt. In Haft landete er nie.

Telekomzentrale kein einziges Mal evakuiert

Die Zentrale der Telekom, bei der fünf Bombendrohungen eingingen, wurde übrigens kein einziges Mal evakuiert. „Polizeijuristen und der Verfassungsschutz haben uns geraten, nicht zu räumen“, erläuterte ein Telekom-Vertreter dazu dem Schöffensenat. Die Experten hätten befunden, dass im Fall des Falles mit einem größeren Schaden zu rechnen sei, wenn sich die zahlreichen Mitarbeiter vor dem statt im Gebäude befänden.

Betreute Wohngemeinschaft als Option

Die Verhandlung wurde auf Anfang November vertagt. Richterin Sonja Höpler-Salat möchte in einer Sozialnetzkonferenz klären, ob eine Pflegeeinrichtung bereit ist, den Mann unter engmaschiger Kontrolle aufzunehmen, nachdem der psychiatrische Sachverständige betont hatte, dieser wäre in einer betreuten Wohngemeinschaft, „aus der er nicht weg kann“, besser aufgehoben als im Maßnahmenvollzug.

Eine entsprechende Überwachung ist für Dantendorfer unbedingt erforderlich. Ansonsten sei „mit nahezu an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass es wieder zu Straftaten mit schweren Folgen kommt“.