Museumstiger und Pyramidenrätsel im 21er Haus

Schwarz ist nicht Weiß - oder doch? Zwei Holzpyramiden treten in der aktuellen Schau von Anna Jermolaewa im 21er Haus quasi den Gegenbeweis an: Die russische Künstlerin thematisiert damit Konformitätsexperimente in der Sowjetunion.

Wie sich Mehrheitsmeinungen auf Individuen auswirken können, wurde nicht nur in den 70ern in der Sowjetunion von Valeria Mukhina untersucht, sondern bereits 20 Jahre davor in den USA von Solomon Asch: Beide gingen der Frage nach, ob einzelne Personen zu offensichtlich falschen Aussagen bewogen werden können, sollte eine Mehrheit ihnen dies vorzeigen.

Bei Mukhina waren es beispielsweise die Pyramiden - eine schwarz, eine weiß. Aber mit entsprechendem Umfeld urteilten die Testpersonen: Beide sind weiß. Bei Asch kam diese Aufgabe u.a. Strichen zu, deren Länge man vergleichen sollte. Sie sind im 21er Haus nun als „Neon“-Installation an der Wand zu sehen. Die Ausstellung „Beide Weiß“ geht aber darüber hinaus - neben dem Pyramidenrätsel gibt es nämlich auch Museumstiger oder den „Disney-Look“.

„5-Jahres-Plan“ in St. Petersburger U-Bahn

Dass sich Jermolaewa mit gänzlich unterschiedlichen Medien beschäftigt, versuche man in der Ausstellung widerzuspiegeln, erläuterte Kuratorin Luisa Ziaja. „Wir wollen hier einen Überblick schaffen.“ Im Zentrum stehen beispielsweise fünf Monitore, auf denen dreiminütige Videoloops laufen. Dieser „5-Jahresplan“ wird von Jermolaewa seit 1996 aufgenommen, und zwar in einer U-Bahn-Station in ihrer Geburtsstadt St. Petersburg.

Während sie mit einer verstecken Kamera auf einer Rolltreppe nach oben fährt, sieht man im Bild jene Leute, die nach unten fahren - und eigentlich nur wenig Unterschied, ob die Bilder nun aus 1996 oder 2011 stammen. „Obwohl sich die Wahrnehmung der Menschen nicht so sehr unterscheidet, hat sich die Lebenswelt über der Erde stark verändert“, umriss Ziaja die Eigenheit dieser Arbeit. „Die massive Transformation, die dort stattgefunden hat, ist fast nicht sichtbar.“

Kitsch im Museum und in Disneyland

Nicht nur hier zeige sich Jermolaewa als „aufmerksame Beobachterin des Alltags“, die oft scheinbar Nebensächliches nutze, um Grundsätzliches zu erzählen. Der Geschichte von St. Petersburg widmet sie sich in „Ohne Titel (Hermitage Cats)“: 40 Fotos von Katzen sind an einer Wand aufgereiht, wie eine „Tafel der Ehre“, schmunzelte die Künstlerin. Sie zeigen Tiere aus der Eremitage, die im Museum angestellt sind. Ihre Aufgabe: Die Kunstbestände von Nagetieren frei zu halten. Und das fällt den Katzen bereits seit mehr als 250 Jahren zu.

Veranstaltunshinweis:

Anna Jermolaewa: „Beide Weiß“ von 14. Oktober bis 22. Jänner 2017 im 21er Haus, Museum für zeitgenössische Kunst, Arsenalstraße 1, 1030 Wien. Di sowie Do-So von 11-18 Uhr, Mi von 11-21 Uhr geöffnet

Gleichzeitig sind diese Museumstiger aber auch eine Erzählung über die Stadt selbst, gab es doch nur zwei Phasen, in denen sie nicht die Eremitage bevölkerten: Einmal während des Zweiten Weltkriegs und einmal in den 60er-Jahren. „Mit dieser kitschigen Oberfläche kann ich diese tragische Geschichte transportieren“, sagte Jermolaewa.

Im weitesten Sinne Kitsch begegnet man auch im Disneyland, wo die Künstlerin anlässlich einer Recherche auf den „Disney-Look“ stieß. Konkret ist das eine aus den 70ern stammende Infobroschüre für Mitarbeiter des Freizeitparks mit Regeln dazu, wie ihr Äußeres auszusehen hätte. Denn während Walt Disney selbst stets seinen markanten Schnauzer trug, galt so etwas den Angestellten bis vor wenigen Jahren als verboten. Wie die Anweisungen genau gelautet haben, lässt sich im Rahmen der Ausstellung bis 22. Jänner 2017 studieren.

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