Warnung vor „abenteuerlichem“ Ärztemangel

Ein düsteres Szenario hat am Montag die Wiener Ärztekammer präsentiert: 2030 werde die Zahl der Mediziner den Bedarf in Wien nicht mehr decken. Gewarnt wurde gar vor einem Ärztemangel „abenteuerlichen Ausmaßes“.

„Die Rahmenbedingungen werden schlechter“, konstatierte Kammerpräsident Thomas Szekeres in einer Pressekonferenz. Es gebe zu wenig Kassenverträge, gleichzeitig würden die Wartezeiten in den Ordinationen und Spitalsambulanzen immer länger. Die Wertschätzung für Ärzte durch die Politik lasse zu wünschen übrig. Untermauert wurde die Kritik mit Zahlen. Diese wurden gemeinsam mit dem Leiter des Forschungsinstituts für Freie Berufe der Wirtschaftsuniversität Wien, Leo W. Chini, ausgebreitet.

2030 fehlen laut Prognose 3.000 Mediziner in Wien

Vor allem bei Hausärzten mit Kassenverträgen droht demnach ein Mangel. Musste ein Hausarzt 2015 statistisch 2.272 Patienten versorgen, werde er sich 2025 bereits um 3.338 Wiener kümmern müssen. Der Trend werde sich fortsetzen. Bis 2030, so schätzt Chini, werden in Wien mindestens 3.000 Medizinerinnen und Mediziner fehlen.

Geht man von einem Pensionsantritt von 67 aus, werde sich etwa die Zahl der Hausärzte von derzeit 730 auf 190 reduzieren. Gleichzeitig würden die Anspruchsberechtigten immer mehr: Seit 2005 etwa sei diese Gruppe um 14 Prozent gewachsen. „Schauen Sie, dass Sie gesund bleiben“, empfahl der WU-Vertreter.

Kritik an OECD-Statistiken

Die Daten würden die Behauptung widerlegen, wonach Österreich nach Griechenland die zweithöchste Ärztedichte in Europa aufweise. Entsprechende OECD-Statistiken seien problematisch, da man die einzelnen Länder nur schwer vergleichen könne - worauf auch die OECD hinweise. So würden etwa die Turnusärzte in Österreich mitberücksichtigt, in anderen Ländern wie Belgien sei dies nicht der Fall.

Nehme man nur die fertig ausgebildeten Ärzte, liege Österreich lediglich im Mittelfeld, erläuterte Chini. Wirklich „schlimm“ sei jedoch die Zukunftsprognose. Die geburtenstarken Jahrgänge gehen laut der Erhebung demnächst in Pension. Aufgrund der demografischen Entwicklung fehle aktuell der Nachwuchs - sowohl bei den Hausärzten als auch bei den Fachmedizinern.

„Masterplan für Jungmediziner“ gefordert

Die Kammervertreter verwiesen zudem darauf, dass viele der in Österreich studierenden Ausländer - vor allem deutsche Staatsbürger - meist wieder in ihre Heimat zurückkehren würden. Gleichzeitig wandern heimische Kräfte ab. Die, die bleiben, arbeiten immer häufiger nur Teilzeit - auch, weil der Anteil der Ärztinnen immer größer werde, wie es hieß.

Nötig sei nun ein „Masterplan für Jungmediziner“, um die „fundamentale Versorgungskrise“ abzufangen. Vor allem der Umstand, dass Österreich ein „Exportland“ für Mediziner sei, stört die Standesvertreter. Man müsse den Nachwuchs im Land halten, nämlich nicht nur mit Geld, sondern auch mit Reformen. Verlangt wurden etwa ein Ende der „Formularflut“ für Kassenärzte. Auch Zumutungen wie „Mystery Shopping“ sollten abgeschafft werden - mehr dazu in Mystery Shopping: Ärzte kritisieren „DDR 2.0“.

Wahlärzte keine „Reservearmee“

Auch vor Einschränkungen bei den Wahlärzten wurde gewarnt. Ohne sie würde der niedergelassene Versorgungsbereich nicht mehr funktionieren. Als „Reservearmee“, die die frei werdenden Kassenverträge übernehme, sei diese Gruppe ohnehin nicht zu sehen, wie Chini darlegte. Denn auch hier zeige sich dieselbe demografische Entwicklung.

Im Fokus steht laut Kammer-Vize Johannes Steinhart zudem der Aufnahmetest für die Medizin-Universitäten bzw. die damit einhergehende Beschränkung der Studienplätze. Die Kammer hofft außerdem, dass die Quote bei den Plätzen - derzeit sind 75 Prozent für Österreicher reserviert - beibehalten werden darf. Sie wird derzeit von der EU-Kommission geprüft.

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