Zweieinhalb Jahre Haft für Millionenbetrug

In einem Betrugsprozess ist eine 69-jährige Frau nicht rechtskräftig zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Sie soll einem 77-Jährigen Wiener gemeinsam mit ihrem verstorbenen Mann über Jahre 1,33 Mio. Euro abgeknöpft haben.

„Er ist ausgenommen worden wie eine Weihnachtsgans“, stellte Richter Andreas Hautz in der Urteilsbegründung fest. Die Haftstrafe wegen schweren gewerbsmäßigen Betrugs wurde als unbedingt ausgesprochen - also nicht als Bewährungsstrafe. Die bisher unbescholtene Frau erbat Bedenkzeit. Der Staatsanwalt gab vorerst keine Erklärung ab.

Bei dem Opfer handelte es sich um einen pensionierten HTL-Lehrer und Unternehmer. Dem mittlerweile 77-Jährigen wurden von 1999 bis 2011 insgesamt 1,33 Millionen Euro abgeluchst. Am Ende musste er die Arbeitsschutz-Firma, die er mit seiner Frau betrieb, in Konkurs schicken. Das Paar soll dem Mann lohnende Geschäfte in der Türkei vorgegaukelt haben. Der Akademiker glaubte, das türkische Militär wäre an seinen Desinfektions- und Reinigungsmitteln interessiert.

Abenteuerliche Geschichten aufgetischt

Das Opfer wurde sogar nach Istanbul gelockt, für eine Nacht in einem sündteuren Hotel untergebracht und einem vorgeblich ranghohen Beamten vorgestellt. Dass das Ganze eine Inszenierung war, dämmerte dem Wiener erst, als es zu spät war. „Im Nachhinein gesehen war ich zu gutgläubig. Oder verrückt“, räumte der mittlerweile 77-Jährige im Zeugenstand ein.

Obwohl es nie zu einem Geschäftsabschluss kam, hatte er immer wieder für angebliche Gebühren und Anwaltskosten gezahlt, um in der Türkei Fuß zu fassen. Gezählte 99 Mal holte die Angeklagte bei ihm bzw. in der Ordination von seiner Tochter Geld ab, das in der Regel in Kuverts übergeben wurde.

Für den anhaltenden Finanzbedarf wurden dem Firmenbesitzer abenteuerliche Geschichten aufgetischt. Einmal hieß es, ein Geschäftspartner in spe habe den türkischen Gesundheitsminister geohrfeigt und müsse nun aus der Haft freigekauft werden. Dafür zahlte der 77-Jährige 30.000 Euro. Dem Mann wurden auch gefälschte Unterlagen vorgelegt, die beispielsweise suggerierten, die Betrüger hätten mit dem damaligen Ministerpräsidenten Abdullah Gül zu Abend gegessen.

Unternehmen musste Konkurs anmelden

Nach dem Tod ihres Gefährten erschien die Angeklagte schluchzend und in Schwarz gekleidet bei ihrem Opfer und ersuchte um 13.000 Euro, um den Leichnam ihres in der Türkei verstorbenen Mannes in die Heimat bringen zu können. In Wahrheit war dieser in Wien gestorben.

„Ich habe nie geglaubt, dass es Menschen mit so einem Charakter gibt. Ich würde keinem einen Apfel stehlen“, sagte der 77-Jährige. Er verwies darauf, jahrzehntelang Geschäfte mit der heimischen Großindustrie gemacht zu haben: „Ich bin nicht dumm. Das war schon raffiniert eingefädelt.“ Er sei nicht nur wegen des finanziellen Verlustes „gestraft“, berichtete der Betroffene dem Gericht: „Die Ehe ist zerstört. Von meiner Frau höre ich das jeden Tag, wie ich das machen hab’ können und warum ich ihr nichts gesagt habe.“

Angeklagte bekannte sich nicht schuldig

Die Angeklagte bekannte sich nicht schuldig und behauptete, sie habe mit dem 77-Jährigen kaum ein Wort gesprochen. Alles Geschäftliche habe ihr verstorbener Mann erledigt, sie habe nur als dessen Geldbotin fungiert: „Mir hätte der Herr Doktor nie zehn Euro gegeben.“ Verteidiger Philipp Wolm bezeichnete die 69-Jährige als „klassische Hausfrau“: „Sie hat sich gar nicht getraut zu fragen, was ihr Mann tut.“

Die mitangeklagte Tochter der Frau, die 22 Mal Geld vom Geschädigten abgeholt hatte, wurde freigesprochen. Der von Verteidiger Christian Werner vertretenen 34-Jährigen konnte nicht nachgewiesen, dass sie von den Betrügereien Kenntnis hatte.