Reportagen eines vergessenen Fotografen

Jahrzehntelang waren seine Bilder in einer New Yorker Dachkammer versteckt. Nun lässt sich das Werk des vergessenen Wiener Fotografen Robert Haas im Wien Museum in der Schau „Der Blick auf zwei Welten“ entdecken.

Seit Herbst 2015 befindet sich der Nachlass von Robert Haas (1898-1997) im Besitz des Hauses am Karlsplatz. Entdeckt hatte ihn der Kurator Anton Holzer, als er für die Ausstellung über die Atelierfotografin Trude Fleischmann - sie war 2011 im Wien Museum zu sehen - in den USA recherchierte. „Warum ist dieser Fotograf in der Fotografiegeschichte unerwähnt geblieben?“, fragte sich der Fachmann damals angesichts der Qualität der Tausenden schwarz-weißen Abzüge und Negative.

Plakate für die Wiener Secession

Verwunderlich ist das insofern, als Haas in den 1930er-Jahren „ganz und gar nicht unbekannt, sondern einer der Stars unter den österreichischen Fotojournalisten gewesen ist“, wie Holzer versicherte. In dieser Periode setzt die Ausstellung zeitlich ein. Der gelernte Grafiker, der unter anderem Plakate für die Wiener Secession oder das Künstlerhaus entwarf, setzte seine Kamera vor allem im Freien ein. Aufnahmen vom Vergnügen im Böhmischen oder Wurstelprater sind ebenso zu sehen wie nahezu formalistische Übungen: Raster aus Pflastersteinen, das Schattennetz eines Mistkübels, das Gleisbett einer Standseilbahn.

Reportagen über Kinder von Arbeitslosen

Großen Erfolg auch außerhalb der Landesgrenzen hatte Haas mit seinen Sozialreportagen etwa über die Betreuung der Kinder von Arbeitslosen in Simmering. Diesen menschennahen Blick sucht man in den zeitgleich entstandenen Abbildungen von Hochöfen, Loks, riesigen Maschinen und Rohrungetümen in Industrieanlagen wie dem steirischen Stahlwerk Donawitz vergeblich.

Robert Haas-Fotos

Wien Museum/Sammlung Robert Haas

Ausstellungshinweis:

„Robert Haas. Der Blick auf zwei Welten“, von 24. November 2016 bis 26. Februar 2017, im Wien Museum

Der Welt der Kunst und Künstlichkeit kam Haas in den Jahren 1936/37 nahe, als er offizieller Fotograf der Salzburger Festspiele war. Hier knipste er die Luxuskarossen vor dem mondänen Hotel de l’Europe, eine durch die Handkamera in den Himmel starrende Marlene Dietrich und Schauspieler vor dem Schminktisch.

Und wo liegt der Konnex zu Trude Fleischmann? Bei ihr lernte Haas Anfang der 1930er-Jahre das Handwerkszeug als Atelierfotograf. In den Porträts etwa des Architekten Fritz Wotruba oder des Autors Carl Zuckmayer ist der Einfluss der Mentorin deutlich sichtbar.

Flucht vor den Nazis

Seiner Karriere in der Heimat war mit dem Aufstieg der Nazis allerdings ein Ende gesetzt. Haas floh 1938 vorerst nach London, ein halbes Jahr später setzte er in die USA über. Dieser Schaffensperiode ist der zweite Teil der Ausstellung, die ab Donnerstag geöffnet ist, gewidmet. Den Wiener zog es anfangs nach New York, dem „Mekka der Fotografie“, wie Co-Kuratorin Frauke Kreutler erklärte. Dort orientierte er sich zusehends an der eher nüchternen Ästhetik der dem reinen Realismus verpflichteten amerikanischen „straight photography“.

Weniger die Straßenschluchten und Wolkenkratzerfassaden des Big Apple, sondern vielmehr die Reisebilder dieser Zeit stehen im Mittelpunkt. Im Sommer 1940 tuckerte Haas beispielsweise per Auto nach Kalifornien und retour. Neben Bauwerken in der öden Landschaft - Getreidesilos, Dammbauten und Brücken - bannte er häufig den amerikanischen Alltag auf Film: spielende Kinder in der Bronx, ein Schuhputzer in Arizona, Milchkannen am Straßenrand, das Treiben auf einer Fähre.

Robert Haas-Fotos

Wien Museum/Sammlung Robert Haas

Haas dokumentierte den „American Way of Life“

Lehraufträge statt Fotografie

Ein Grund, warum Haas’ Fotos recht bald vergessen wurden, mag womöglich daran liegen, dass er in seinem fast 100 Jahre dauernden Leben nur etwa zwei Jahrzehnte dieser Kunstform widmete. Schon in den 1940er-Jahren nahm er den Apparat immer seltener zur Hand.

Denn die Konkurrenz wurde härter, die Arbeitsbedingungen als „enemy alien“ nach Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg nicht gerade einfacher. Und das Aufkommen der Farbfotografie auf Kosten der Schwarz-Weiß-Ästhetik dürfte bei Haas auch nicht gerade großen Beifall gefunden haben. Stattdessen widmete er sich wieder mehr der Grafik und seinen diversen Lehraufträgen.

Erst mehr als fünf Jahrzehnte nach seiner Vertreibung erhielt er die österreichische Staatsbürgerschaft zurück. Im Jahr 1993 schrieb Haas in einem Brief: „Es wäre schön, wenn es doch gelingen würde, mein Leben in illustrierter Buchform publiziert zu sehen. Ja, manchmal verwirklichen sich Träume.“ 19 Jahre nach seinem Tod hat ihm das Wien Museum mit der großen Personale und dem dazu erschienenen Katalog über sein Lebenswerk diesen Wunsch nun posthum erfüllt.

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