Rätsel um giftige Erde in Gaudenzdorf

Die Stadtwildnis Gaudenzdorf gilt als Erholungsgebiet. Dass sie nicht verbaut worden ist, könnte daran liegen, dass die giftigen Reste eines Gaswerks im Boden lagern. Das Umweltbundesamt kann aus mehreren Gründen Entwarnung geben.

Wien besteht zu 50 Prozent aus Grünflächen. Die weitläufige Wiese am Gaudenzdorfer Gürtel zählt dazu. Nur wenige Bäume und Sträucher wachsen auf dem Gelände. Das Gras ist gelbbraun und von diversen Gassigängen gezeichnet. Alles in allem: etwas trostlos.

Giftstoffe im Boden

Doch es könnte einen triftigen Grund haben, dass an diesem Verkehrsknotenpunkt seit über 100 Jahren nichts mehr errichtet wurde. Bis 1912 stand auf der Fläche ein Gaswerk. Es wurde damals abgerissen und eingeebnet - ungeachtet dessen, dass Gaswerke diverse Giftstoffe hinterlassen, zum Beispiel Phenole, Benzole und Ammonium. Diese Stoffe sind krebserregend, können ins Grundwasser gelangen, aber auch durch Pflanzenwuchs an die Oberfläche treten.

Das Umweltbundesamt hat Untersuchungen der Grünfläche angeordnet, die noch in diesem Jahr beginnen sollen. Stefan Weihs, vom Umweltbundesamt, geht jedoch davon aus, dass das Grundstück keine große Gefahr mehr darstellt: „Es ist jetzt nicht anzunehmen, dass die obersten Bodenschichten wirklich stark verunreinigt sind.“ Und das liege vor allem daran, dass der Boden schon einmal aufgegraben und giftiges Material entsorgt wurde.

1985: Altlasten bei U-Bahnbau entdeckt

Im Jahr 1985 begann am Gaudenzdorfer Gürtel ein Tunnelbau der Bahnlinien U4 und U6. Er musste schnell wieder unterbrochen werden, denn die Arbeiter stießen auf die Überreste des Gaswerks. Damals war noch die Stadt für die Entsorgung von Altlasten zuständig. Es entbrannte ein Streit, wo das giftige Material hingebracht werden sollte.

Das Gauswerk wurde von 1855 bis 1911 von der "Gasbeleuchtungs-AG" betrieben

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Die „Gasbeleuchtungs-AG“ betrieb das Gaswerk von 1855 bis 1911

Der damalige Umweltstadtrat, Helmut Braun (SPÖ), plante, den Giftmüll verbrennen zu lassen, schränkte jedoch ein: „Sollte eine Verbrennung nicht möglich sein, würden wir keinen Augenblick zögern und das Erdreich von einer Firma aus der DDR entsorgen lassen.“ Gesagt getan, fuhren bereits kurze Zeit später die ersten Sattelschlepper voller Giftmüll zur Sondermülldeponie Schönberg, in den Norden der damaligen DDR. Insgesamt 7.000 Kubikmeter Erde wurden dorthin gebracht. Weiterer Giftmüll landete in Ungarn.

„Eventuell Restbelastungen“

Ob die Kollegen damals gründlich gearbeitet und die meisten Altlasten entsorgt haben, will das Umweltbundesamt nun herausfinden. „Das war halt in den 80er Jahren und es kann sein, dass eventuell noch Restbelastungen geblieben sind“, erklärt Stefan Weihs. Das Umweltbundesamt ist seit 1989 für die Untersuchung und Sanierung verdächtiger Flächen zuständig. Es bekommt laut eigener Auskunft jährlich rund 50 bis 60 Millionen Fördergelder vom Staat für die Altlastensanierung.

Tatsächlich verunreinigte Grundstücke werden vom Umweltbundesamt im Altlastenatlas vermerkt. Wenn eine Altlast noch nicht bearbeitet wurde gilt sie als „Altast“. Das ist zum Beispiel in Simmering der Fall, wo auch ein Gaswerk stand. Ist die Altlast gesichert, wie beim Tanklager in der Lobau, gilt sie als „sanierte Altlast“. Ein Grundstück, das womöglich verunreinigt sind, gilt als „Verdachtsfläche“. Im Verdachtsflächenkataster ist jede dieser Flächen verzeichnet. So auch die Wiese in Gaudenzdorf.

Diverse Vierbeiner sind in der Gaudenzdorfer Stadtwildnis äußerst geschäftig

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Diverse Vierbeiner sind in der Gaudenzdorfer Stadtwildnis äußerst geschäftig

Erdbohrungen und Wasserproben

Die Untersuchungen am Gaudenzdorfer Gürtel sollen maximal zwei Jahre dauern. Durchgeführt werden sie vom „Wiener Gewässer Management“ (WGM). „Wir haben den Auftrag, Rammkernbohrungen zu machen, um die Zusammensetzung des Untergrunds analysieren zu können“, erklärt Martin Jank, Geschäftsführer des WGMs. Zudem solle gemessen werden, ob Giftstoffe im Grundwasser Grenzwerte übersteigen.

Das Grundwasser ist schon nach der Ausgrabung Ende der 1980er überprüft worden. Es soll keine Auffälligkeiten gegeben haben. Je nachdem, ob es diesmal Auffälligkeiten gäbe oder nicht, „zieht dann das Umweltbundesamt seine Rückschlüsse und erteilt dann weitere Aufträge“, erklärt Jank. Dann müsse abgeschätzt werden, wie gefährlich die aktuelle Verunreinigung ist.

In Wasser, Boden und Luft wurden damals teils hohe Belastungen gemessen

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In Wasser, Boden und Luft wurden damals teils hohe Belastungen gemessen

Nicht nur Gaudenzdorf wird untersucht

Ein Aushub, wie 1985, sei laut Weihs eher unwahrscheinlich: „Es ist schon davon auszugehen, dass bei diesem Schadensfall die Verunreinigungen eher tiefer liegend sind.“ Bestätigt sich diese Theorie, wird weiterhin Gras über die Sache wachsen. Es sei denn, jemand kommt auf die Idee, das Grundstück zu bebauen. Geplante Projekte, wie Fahrradbrücken, sind bisher nicht verwirklicht worden.

Die Gaudenzdorfer Stadtwildnis soll gleichzeitig mit elf anderen ehemaligen Gaswerk-Standorten untersucht werden. Zum Beispiel in Döbling, der Rossau und Floridsorf. Warum Gaudenzdorf erst jetzt überprüft werde? „Vorrangiger schauen wir uns Standorte an, wo eben noch keine Sanierungsmaßnahmen und Untersuchungen erfolgt sind“, sagt Weihs. Dazu zähle die ehemalige Lokomotivfabrik in Floridsdorf, auf dessen Gelände mittlerweile die SCS Nord steht.

Michael Hammerl, wien.ORF.at

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