Skurriler Prozess: BMW gegen Moped

Ein 19-jähriger BMW-Fahrer und eine 53-jährige Frau auf einem Moped sind sich im Juni 2016 im Wiener Straßenverkehr zu nahe gekommen. Das Ergebnis: Ein Prozess, in dem selbst für ein Gericht nicht alltägliches zu hören war.

Das Gericht sprach den ursprünglich wegen schwerer Körperverletzung angeklagten BMW-Fahrer nur wegen Körperverletzung schuldig und verurteilte ihn zu einer viermonatigen bedingten Haftstrafe. „Ich kann eine gewisse Provokation durch das Opfer nicht ausschließen“, stellte die Richterin in ihrer Urteilsbegründung fest. Die 53-Jährige bekam 1.000 Euro zugesprochen, die der Angeklagte noch im Verhandlungssaal auf den Tisch blätterte, „damit es ihr bald besser geht“.

Das Opfer berichtete im Prozess von Albträumen, die es seit der Auseinandersetzung plagen. Der Vorfall habe sie derart mitgenommen, dass sie sich in Kroatien und später mehrere Wochen in Thailand regenerieren habe müssen, erzählte die Frau: „Dort hab’ ich meditiert, Yoga gemacht und mein seelisches Gleichgewicht gesucht.“

Opfer: „gelebtes Nichteinsichts-Empfinden“

Am 21. Juni 2016 soll der BMW-Lenker mit seinem Auto auf der mehrspurigen Wagramer Straße in der Donaustadt der Mopedlenkerin zu nahe gekommen sein. Die Frau wollte ihn zur Rede stellen, fuhr im nach, stieg vor einer roten Ampel ab und ging zu dessen Auto. „Was der gemacht hat, war gelebtes Nichteinsichts-Empfinden. Das kann man so nicht stehen lassen“, erläuterte die Frau Richterin Alexandra Skrdla zu ihren Beweggründen. Sie habe den Burschen auf seine gefährliche Fahrweise aufmerksam machen wollen: „Das muss er erkennen, dass er in einer Waffe sitzt.“

Der junge Mann habe sie allerdings über den Beifahrersitz hinweg durch das geöffnete Seitenfenster angespuckt: „Der Schleim ist am Leiberl runter geronnen.“ Sie habe das T-Shirt mitgebracht, echauffierte sich die Zeugin und kramte ein schwarzes Leiberl hervor, auf dessen nähere Inspektion die Richterin verzichtete.

„Wie Obelix hin und her gebeutelt“

Ein unbeteiligter Zeuge sah das Spucken nicht, bemerkte allerdings, dass die Frau wild gestikulierend mit ihrer Hand ins Fahrzeuginnere langte, wie der Mann der Richterin schilderte. Die Mopedlenkerin soll den 19-Jährigen an der Oberlippe getroffen haben. Der BMW-Fahrer stieg darauf aus. „Ich war überrumpelt von dem Ganzen. Ich hab’ mich viel zu sehr provozieren lassen“, gab der von Verteidiger Alexander Philipp vertretene Bursch zu. Er habe der Frau einen Stoß gegeben, dann auch noch ein Mal hingetreten: „Ich weiß, dass es nicht richtig war. Es tut mir leid, ich bereue es. Ich war überfordert.“

„Er hat mir die Faust ins Gesicht geschlagen und mich zu Boden geschmettert. Tritte und Kicks sind auf mich eingehagelt“, gab dagegen die Frau zu Protokoll. Der junge Mann - ihrer Ansicht nach „ein richtiger Henker“ - habe sie „wie der Obelix hin- und hergebeutelt. Es hat mich ein paar Mal überschlagen“. Sie habe Prellungen, ein kinderkopfgroßes Hämatom am Oberschenkel und Zerrungen am Nacken und am linken Handgelenk erlitten: „Gott sei Dank hab’ ich eine Lederhose angehabt. Daher hatte ich keine Abschürfungen.“

Albträume und Schlafstörungen

Für die psychischen Folgen machte die Frau allerdings ein Schmerzensgeld von 10.000 Euro geltend. Sie habe seither Albträume und Schlafstörungen. Nachts erscheine ihr immer wieder das Antlitz des Angeklagten mit dessen „total bissigem Mund“ und „ganz argen blauen Augen, die einen Irrsinn, pure Raserei ausgedrückt haben“. Das sei „nicht leiwand“, betonte die Zeugin. Vor wenigen Tagen habe sie ihre „Vitaluhr gecheckt. Ich war entsetzt, dass ich in den letzten 14 Tagen nur auf fünf bis sechs Stunden Schlaf gekommen bin“.

„Hat sich das auf Ihren Beruf ausgewirkt?“, hakte die Richterin nach. „Ich bin frühpensioniert“, erwiderte die Frau. - „Mit 53?“ - „Ich war eine sehr engagierte Lehrerin. Da kann man ausbrennen“. Bereits 2009 habe sie mit einem Burn-Out einen längeren Krankenstand angetreten und sei schließlich berufsunfähig geschrieben worden.

Psychiater: „leichtgradige Belastungsstörung“

In seinem Gutachten bescheinigte der beigezogene psychiatrische Sachverständige der 53-Jährigen „auffallende Persönlichkeitszüge mit einer histrionischen Färbung“. Außerdem neige sie zu „theatralischer Präsentation“. Dessen ungeachtet hätte das Erlebte bei der Pädagogin eine leichtgradige posttraumatische Belastungsstörung mit mehrmonatiger Dauer bewirkt, führte der Experte aus.

Auf Basis dessen wurde der Angeklagte nicht wie ursprünglich angeklagt wegen schwerer Körperverletzung verurteilt. Die Richterin am Landesgericht für Strafsachen verurteilte ihn wegen Körperverletzung rechtskräftig zu vier Monaten bedingt. Wegen des restlichen Schmerzensgeldes verwies das Gericht die Frau auf den Zivilrechtsweg.