Kunstprojekt setzt auf Dating-App

Für die Ausstellung „Duett mit Künstler_in“ im 21er Haus schafft Tomas Kleiner einen Beitrag, den nicht alle Besucher sehen: Er unterhält sich mit Menschen. Wer Lust auf ein Gespräch hat, kann ihn etwa über die Dating-App Tinder erreichen.

„Ich glaube, dass viele Leute sehr alleine sind. Jeder läuft an jedem vorbei“, sagt der Künstler Tomas Kleiner. „Ich möchte zeigen, dass es mir nicht egal ist, was die Menschen um mich herum machen und was sie bewegt.“ Für die neue Ausstellung, die noch bis 4. Februar im 21er Haus zu sehen ist, hat der Künstler deshalb eine etwas andere Aktion vorbereitet: Für sein Projekt „Verbindungsstücke“ unterhält er sich mit Menschen. Diese können Zufallsbekanntschaften sein oder Freunde.

Tinder Profil Tomas Kleiner

Tomas Kleiner

Um mehr Leute zu erreichen hat sich Kleiner ein Tinderprofil angelegt

„Manchmal erzähle ich auch von meiner Großmutter“

Worum es bei den Gesprächen geht, ist dabei egal. „Es fängt meist mit einem Kennenlernen an: Wer bist du, woher kommst du und was machst du so? Aber dann kann es um alles gehen. Manchmal rede ich über meine Arbeit, manchmal erzähle ich aber auch von meiner Großmutter.“ Wichtig ist Kleiner, dass die Gespräche möglichst natürlich sind. Deshalb bevorzugt er es, von anderen angesprochen zu werden und nicht auf die Menschen zugehen zu müssen. „Ich denke, spontan passieren die schönsten Sachen“, sagt Kleiner.

Spontan war auch seine Teilnahme an der Ausstellung. Im Rahmen des Projektes, das ursprünglich seine Abschlussarbeit für das Kunststudium war, unterhielt er sich mit der Kuratorin Stefanie Kreuzer. „Während dem Gespräch hat sie mir damals erzählt, dass sie gerade eine Ausstellung zum Thema Partizipation macht und gesagt, dass sie mich in der Ausstellung dabeihaben will.“ Seine Teilnahme an der Ausstellung in Leverkusen, die jetzt für das 21er Haus adaptiert wurde, verdankt er dem zufälligen Gespräch.

Anzeige auf Willhaben wurde gesperrt

Vollständig überlässt der Künstler die Gespräche aber nicht dem Zufall. Um mehr Leute erreichen zu können, hat er sich ein Profil bei der Dating-App Tinder angelegt und Anzeigen geschaltet, unter anderem auf der Onlineplattform Willhaben.

Den richtigen Text für diese Anzeigen zu formulieren fiel Kleiner dabei nicht leicht. „Ich habe die Texte oft verändert. Besonders auf Willhaben muss ich noch ein bisschen an den Formulierungen feilen“, sagt er. „Da ist die Zielgruppe älter, weshalb ich zum Gespräch neben einem Kaffeebesuch auch Theater- und Opernausflüge vorgeschlagen habe. Das klingt aber schnell nach Escortservice.“ Die Anzeige wurde deshalb auch bereits zwei Mal gesperrt.

"Verbindungsstücke" Tomas Kleiner

Belvedere/ Johannes Stoll

Kleiner (l.) im Gespräch

Über hundert Gespräche

Bisher hat Kleiner über hundert Gespräche geführt. „Ein Gespräch mit meinem Mitbewohner kann genauso Teil sein wie ein ausgemachtes Tinder-Treffen oder ein Gespräch mit dem Mann von der Dönerbude“, sagt er. Die Treffen finden in oder rund um das 21er Haus, aber auch anderswo in Wien, statt.

Projekte wie dieses oder die weiteren Installationen im 21er Haus können seiner Meinung nach dabei helfen, Klischees über die Kunstszene zu relativieren. „Für mich bedeutet Kunst, etwas aufzuwirbeln und anders zu machen“, sagt Kleiner.

„Das Projekt zeigt, dass Kunst nicht nur auf einer Leinwand oder im Museum stattfindet: sie ist überall." Für ihn können diese Projekte auch vermitteln, dass der Strich auf der Leinwand nicht Kunst ausmache, sondern die Menschen, die sie betrachten und in einen Kontext bringen. Aufgezeichnet werden die Gespräche übrigens nicht, sie bleiben Momentaufnahmen.

Melanie Gerges, wien.ORF.at

Links: