Terrassenhaus: AzW zeigt „Wiener Fetisch“

Das Terrassenhaus soll Natur und Licht ins Urbane holen. Schon seit rund 100 Jahren wird der Typus gebaut - prominentes Beispiel ist der Wohnpark Alt Erlaa. Das Architekturzentrum (AzW) widmet sich nun diesem „Wiener Fetisch“.

Stadt und Land vereint in Architektur: Mit der Ausstellung „Das Terrassenhaus. Ein Wiener Fetisch?“ erläutert das Architekturzentrum Wien die Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte sowie die jüngste Renaissance. „Das Terrassenhaus ist der Versuch, Stadt und Land zu versöhnen, also eine uralte Utopie“, sagte AzW-Chefin Angelika Fitz.

Unternommen wird das in Wien seit Adolf Loos, der das erste Beispiel - ein Mehrfamilienobjekt in Hietzing (Haus Scheu) - realisieren konnte. Weitere, größere Terrassenentwürfe von Loos wurden nicht verwirklicht. Nach 1945 wurden in Wien zunächst einfach zu bauende (und zu finanzierende) Gemeindebauten errichtet, die nicht von der klassischen Form des geschlossenen Wohnblocks abwichen.

1960er-Jahre brachten Terrassenhaus zurück

In den 1960er-Jahren wurde das Haus mit Terrasse anhand internationaler Konzepte - etwa aus England - schließlich wieder verstärkt diskutiert, berichtete Kurator Lorenzo De Chiffre von der Technischen Universität Wien. Hermann Czech machte sich genauso ans Planen wie Wilhelm Holzbauer, der sich etwa mit seinem Entwurf für den Gemeindebau Weiglgasse in Rudolfsheim-Fünfhaus durchsetzen konnte.

Je nach Lage unterschiedlich gestaltet sich die Form, wie Fitz erläuterte. Im innerstädtischen Bereich werden die Terrassen eher in die Tiefe und in die Innenhöfe gebaut, in den Stadtentwicklungsgebieten am Stadtrand hingegen in die Höhe.

Wohnpark Alt Erlaa als bekanntestes Beispiel

Das bekannteste Beispiel für die Hochhaus-Variante ist der Wohnpark Alterlaa des kürzlich verstorbenen Architekten Harry Glück. Die riesige Anlage dominiert nicht nur die Skyline im Süden der Stadt, sondern war auch bestimmend in der jahrelangen Diskussion über Sinn und Unsinn derartiger Großbauten. Ihr Schöpfer gilt seither als einer der Erfinder des Formats in Wien, was er aber nicht war. Er habe es lediglich konsequent umgesetzt: „Glück hat das Konzept an sich gezogen“, sagte De Chiffre.

Schöpfwerk

Architekturzentrum Wien, Sammlung, Margherita Spiluttini

Der Wohnkomplex am Schöpfwerk zählt auch zu den Terrassenbauten

Lange Zeit wurde Glück von Kollegen und Kritikern als Kommerz-Architekt gescholten. Auch seien die Türme von Alterlaa in ihrer Dimension viel zu monströs und einschüchternd, um sich darin wohlfühlen zu können, hieß es. Roland Rainer setzte dem etwa sein Konzept des verdichteten Flachbaus entgegen. Glück hat darauf reagiert. In der Schau ist eine Skizze zu sehen, auf der er eine Einzelhaussiedlung dem Wohnpark-Areal gegenüberstellt. Ergebnis: Erstere würde - bei vergleichbarer Wohnungsanzahl - viel mehr Fläche verbrauchen.

Gilt inzwischen als Vorbildbau

Inzwischen ist die Kritik weitgehend verstummt, Alterlaa gilt als Vorbildbau. Diese Rehabilitierung lässt sich in der Ausstellung ebenfalls nachvollziehen. Und die Entwicklung geht weiter, auch wenn statt terrassierter Großformen eher kleinere Formate - etwa in Form gestapelter Reihenhäuser - umgesetzt werden. Ein komplexerer Entwurf wird aktuell im Stadtentwicklungsgebiet in Aspern errichtet, das Universitäts-Gästehaus vom norwegischen Architekturbüro Helen & Hard.

Wohnpark Alt Erlaa

ORF

Inzwischen gilt Alt Erlaa als Vorbildbau

Die Schau im AzW ist mit einer Fülle von Zeichnungen aus dem hauseigenen Fundus gestaltet - da sie zu einem neuen Format namens „SammlungsLab“ gehört, mit dem die umfangreichen Bestände des Hauses künftig häufiger präsentiert werden sollen. Eigens angefertigt wurden hingegen fünf große, abstrahierte Gipsmodelle, die die Entwicklungsphasen des Konzepts Terrassenhaus dokumentieren.

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