„Genosse Jude“ im Jüdischen Museum

Die kommunistische Machtübernahme in Russland jährt sich zum 100. Mal. Das Jüdische Museum Wien widmet der Oktoberrevolution und ihrer Strahlkraft über die Grenzen Russlands hinaus eine Ausstellung.

„In unserer Ausstellung analysieren wir die Entstehung, die Entwicklung und den Zerfall des Kommunismus aus der jüdischen Perspektive“, sagte Museumsdirektorin Danielle Spera. „Nicht alle Juden waren Kommunisten, aber viele Kommunisten waren Juden. Der Antisemitismus war für sie ein Symptom des Kapitalismus, der in einer klassenlosen Gesellschaft nicht mehr existieren würde“, erklärte Spera, die selbst in einem kommunistischen Elternhaus aufgewachsen ist.

Jüdische Ikonen der Arbeiterbewegung

Gleich im ersten Raum werden Büsten und Porträts einiger jüdischer Ikonen der Arbeiterbewegung, deren jüdische Herkunft meist nur am Rande thematisiert wird, ausgestellt - darunter Viktor Adler, Otto Bauer, Karl Marx und Rosa Luxemburg. Die Schau spannt einen weiten Bogen - beginnend mit dem Exil Leo Trotzkis in Wien noch vor der Oktoberrevolution und endend mit dem Zerfall der Sowjetunion.

Bei der Orientierung innerhalb der komplexen Ausstellung hilft die Wandbemalung - geht es um die Geschichte der Juden in der Sowjetunion, sind die Wände knallrot gestrichen, die Abschnitte über die jüdischen Kommunisten in Österreich sind dunkelrot unterlegt. Die Wände der Ausstellungsräume sind gepflastert mit Propagandaplakaten, Fotografien, Fahnen sowie mehreren Gemälden, darunter eine Darstellung Stalins, die im Stil der einzigen von ihm geduldeten Kunstrichtung - dem Sozialistischen Realismus - gemalt wurde.

Trotzki im Cafe Central

Auch verschiedene Filmausschnitte werden gezeigt: So kann der Besucher die unterschiedliche Darstellung des Brands des Justizpalasts in der sowjetischen und der österreichischen Wochenschau vergleichen. Auch ein Ausschnitt aus Sergej Eisensteins Film „Oktober“ aus dem Jahr 1927 wird abgespielt, der das Bild, das die Menschen heute von der Revolution haben, entscheidend geprägt hat. „Dabei war die Oktoberrevolution keine große Revolution, sie war ein leiser Putsch“, sagte Gabriele Kohlbauer-Fritz, die die Ausstellung gemeinsam mit Sabine Bergler kuratiert hat.

Veranstaltungshinweis:

„Genosse. Jude. Wir wollten nur das Paradies auf Erden“ bis 1. Mai 2018 im Jüdischen Museum, Dorotheergasse 11, 1010 Wien.

Die Strahlkraft der Revolution wirkte weit über die russischen Grenzen hinaus. Einer der Schauplätze war Wien. „Im russischen Reich gab es zahlreiche Pogrome, großes Elend, viele sind geflüchtet“, sagte Kohlbauer-Fritz: „Wien war ein Ort des Exils.“ Einer der prominentesten politischen Flüchtlinge war Leo Trotzki, der sich mit kurzen Unterbrechungen von 1907 bis 1914 in Wien aufhielt.

Im Cafe Central traf er mit den führenden Vertretern der österreichischen Sozialdemokratie zusammen: Otto Bauer, Max Adler und Karl Renner. In der Ausstellung sind unter anderem sein Meldezettel zu sehen sowie Briefe an Viktor Adler, der ihm Geld für die Flucht aus Wien lieh. Wien wurde außerdem eine Drehscheibe für die Ausreise sowjetischer Juden nach Israel. Viele von ihnen seien in der Stadt hängen geblieben, sagte Spera. Sie bilden heute einen großen Teil der jüdischen Gemeinschaft in der Hauptstadt.

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