Wo der kleine Braune größer ist

Wie viel Kaffeemehl in einer Melange ist, darf der Besitzer des Kaffeehauses entscheiden. Normen und gesetzliche Vorschriften gibt es bei Heißgetränken auch bei der Tassengröße und dem Preis nicht.

„Es gibt zwar Melangetassen, die haben zwischen 205 und 300 Milliliter, aber es gibt auch Betriebe, die servieren die Melange oder den Häferlkaffee in einer 350-Milliliter-Tasse“, sagte Wolfgang Binder, Obmann der Fachgruppe der Wiener Kaffeehäuser und Besitzer des Cafe Frauenhuber. Denn in den Wiener Kaffeehäusern entscheidet der Besitzer, wie groß die Tasse ist.

Im Gegensatz zu den Kaltgetränken, bei denen eine Markierung auf den Gläsern sowie die Beschreibung in der Karte auf die Menge deutet, gibt es bei Heißgetränken keine gesetzliche Eichung. „Bei uns ist der kleine Braune etwa größer, als wenn ich zum Beispiel in ein italienisches Espresso gehe und dort einen bestelle“, erzählte Binder. Er verlängert das Getränk nämlich mit mehr Wasser, seinen Gästen würde es so besser schmecken.

Kaffeehaus-Szene

APA/Hans Klaus Techt

Die Tassengröße kann von den Besitzern bestimmt werden

Tassengröße von Zubereitungsart abhängig

„Jedes Kaffeehaus drückt sich in seiner Geschirrkultur aus“, sagte auch Cafe-Landtmann-Besitzer Berndt Querfeld. Für ihn ist eine Eichung der Tassen nicht denkbar. Auch, weil seine Kunden häufig zusätzliche Wünsche wie Schlagobers oder Milch hätten und ihren Kaffee auf unterschiedliche Weise zubereitet haben möchten.

Brigitte Jank und Berndt Querfeld

Wirtschaftskammer Wien/Florian Wieser

Berndt Querfeld

Auch die Kaffeeproduktion ist in jedem Betrieb unterschiedlich. Zwar gibt es laut Querfeld Empfehlungen, so seien sechs bis sieben Gramm Kaffeemehl für eine Tasse ideal, die Entscheidung läge jedoch beim Besitzer. Je mehr Kaffeemehl in die Tasse fließt, desto intensiver ist letztlich der Geschmack. „Bei uns sind in einer Melange etwa 8,5 Gramm Kaffeemehl“ enthalten, sagte er.

Die Preise in den einzelnen Kaffeehäusern zu vergleichen, sei deshalb schwierig. Auch, weil jedes Kaffeehaus eine andere Röstung verwende. „In Wien liegt der Preis für eine Melange in der Vorstadt zwischen 3,90 und 5,80 Euro“, sagte Binder. Bei ihm koste sie etwa 4,70 Euro. Auch bei den anderen Kaffeesorten gibt es Preisunterschiede von bis zu zwei Euro. Je zentraler die Lage, desto teurer ist der Kaffee, so Binder.

Personalkosten machen halben Kaffeepreis aus

Die Kosten haben aber nur am Rande etwas mit dem Inhalt der Tasse zu tun. „Die Personalkosten schlagen sich mittlerweile zu 45 bis 50 Prozent auf den Preis des einzelnen Produktes nieder, dann haben wir zusätzlich noch Stromkosten, Mietkosten und noch viele weitere Posten“, sagte er.

Zwei Euro für ein Glas Wasser

Um die Personalkosten ausgleichen zu können, ohne den Kaffeepreis zu heben, verlangen einige Betriebe auch Geld für ein Glas Leitungswasser. Die Kosten für einen halben Liter Wasser variieren zwischen 90 Cent und zwei Euro.

Querfeld hingegen bezeichnet den Preis für einen Kaffee – im Cafe Landtmann kostet eine Melange 5,70 Euro – als Eintrittskarte: „Die Schale Kaffee erlaubt dir, zeitlich unlimitiert zu sitzen. Das heißt, der Kaffeesieder muss eigentlich mit dem großen Braunen die Kosten decken, auch wenn ein Gast dann vielleicht zwei Stunden sitzt“, sagte er. Beide Besitzer rechnen auch damit, dass die Preise künftig wieder steigen werden, auch wenn das Cafe Landtmann das für das kommende Jahr zumindest nicht plant.

Cafe Landtmann

Feel Image

Querfeld vergleicht den Kaffeepreis mit einer Eintrittskarte in das Kaffeehaus

Qualitätsregeln gefordert

Johanna Wechselberger, Rösterin und Besitzerin der Vienna School of Coffee, wünscht sich hingegen einheitliche Normen in der Kaffeebranche. „Es sollte Qualitätsregeln und Stufen geben. Wenn einer 40 Euro für Kaffee bezahlt, dann sollte er auch mehr für die Tasse verlangen dürfen. Es sollte für den Kunden klar erkennbar sein, dass der Kaffee hochwertiger ist, wenn ich mehr zahle“, sagte sie.

In den Kaffeehäusern werde ihrer Meinung nach kein teurer Kaffee verkauft, die hohen Kosten pro Tasse sind für sie deshalb nicht gerechtfertigt. „Man zahlt auch für den Namen, die Chance, dass ein Politiker vorbeirauscht. Man zahlt dafür, zu sehen und gesehen zu werden“, meinte sie. Der Kaffee werde häufig nur als Massenprodukt gehandelt, die Qualität stehe im Hintergrund.

„Wenn das Wort Kaffee im Namen ist, der Kaffee dann aber nicht zu trinken ist und man Milch und Zucker hinzufügen muss, um das Bittere zu übertunken, dann verdient das Lokal den Namen nicht“, sagte sie.

Bewusstsein für guten Kaffee gestiegen

Das Bewusstsein für guten Kaffee sei in den vergangenen fünf bis zehn Jahren gestiegen, vor allem durch die „dritte Kaffeewelle“, eine Trendbewegung, die sich für die Produktion von vielfältigem, qualitativ hochwertigem Kaffee einsetzt. Durch diesen Trend würden laut Wechselberger vereinzelt auch traditionelle Kaffeehäuser Wert auf Qualität legen.

Cafe Landtmann

Jan Lackner

Das Bewusstsein für qualitativ hochwertigen Kaffee sei gestiegen

„Heute noch auf gut Wienerisch ein ‚Gschloder‘ zu verkaufen, ist fast nicht mehr möglich. Die Leute merken das sofort, sagen, dass der Kaffee nicht schmeckt, und verlangen etwas anderes. Die Leute sind heute schon stark sensibilisiert“, bestätigte auch Binder.

Den neuesten Kaffeetrends möchten dennoch nicht alle Kaffeehäuser nachgehen. „Jetzt ist die Frage, ob die vierte, fünfte Kaffeewelle, die über uns hereinbraust, in zehn, fünfzehn Jahren noch Beständigkeit hat. Ich würde sagen, unser Lokal gibt es ungeschlossen seit über 144 Jahren, ob das so mancher Coffeeshop erreichen wird, das weiß ich nicht“, sagte Querfeld.

Zu viele Röstungen überfordern Kaffeehausbesucher

Mit dem breiten Angebot würde man die Kunden häufig nur überfordern. „Wenn ich beim Gast beginne zu philosophieren, wie viele Röstungen ich habe - die kernige, die nussige, die hantige, fairtrade und bio - dann ist die Frage, ob das dann überhaupt bestellt wird“, sagte er.

„Die Gäste wollen sich hier treffen, einen Aufenthaltsort haben und sich im positiven Sinne garagieren. Der Kaffee ist zwar wichtig, aber es ist nicht der einzige Grund, ins Kaffeehaus zu gehen.“ Den Besuchern gehe es vorrangig um die Atmosphäre, jene Kaffeehauskultur, die 2011 in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen wurde - mehr dazu in Kaffeehäuser sind Kulturerbe.

Melanie Gerges, wien.ORF.at

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