Zehn Jahre an der Spitze der Wiener Polizei

Der Wiener Landespolizeipräsident Gerhard Pürstl ist seit zehn Jahren im Amt. Im Rückblick erinnert er sich an „Karlsplatz drogenfrei“, Operation Java, Pizzeria Anarchia und lässt Zahlen für sich und seine Amtszeit sprechen.

215.000 angezeigte Straftaten, 3.000 Kfz-Diebstähle, 10.000 Wohnraum-Einbrüche im Jahr 2008 - weniger als 200.000 angezeigte Straftaten, 1.300 Kfz-Diebstähle, 5.200 Wohnungseinbrüche im Jahr 2017: Die erste und die bisher letzte Kriminalstatistik für Wien unter dem Landespolizeipräsidenten Gerhard Pürstl zeigen eine eindeutige Tendenz: „Die Zahlen sind signifikant gesenkt worden, obwohl 200.000 Personen mehr in der Stadt leben als 2008.“

Amtsübergabe von Peter Stiedl an Gerhard Pürstl am 28. Dezember 2007

APA/Herbert Pfarrhofer

Amtsübergabe von Peter Stiedl (r.) an Gerhard Pürstl am 28. Dezember 2007

Dazu steht einer Aufklärungsrate von rund 28 Prozent zu Beginn seiner Amtszeit aktuell eine Aufklärungsrate von mehr als 40 Prozent gegenüber. „Was Kriminalität betrifft, und das gebe ich immer zu, spielt die Polizei eine wesentliche Rolle, aber das ist nicht alles. Da gibt es viele andere Faktoren auch. Aber was die Aufklärung betrifft, ist das die Leistung, die die Polizeiarbeit widerspiegeln kann“, sagte Pürstl.

Beruhigung und strategische Vorgangsweise

Die Wiener Polizei im Jahr 2008 habe „alles andere als Sicherheit vermittelt“. Nach der so genannten „Sauna-Affäre“ habe sie sich in einer schwierigen Situation befunden. Es gab strafrechtlich relevante Intrigen von Polizeispitzen, die schlechte Stimmung wirkte sich auch auf die Polizeiarbeit aus, so Pürstl. Eine seiner Hauptaufgaben zu Beginn sei es gewesen, „Ruhe in die Organisation zu bringen“. Das habe gut funktioniert, heute habe die Wiener Polizei einen hervorragenden Ruf, meint Pürstl.

Landespolizeipräsident von Wien, Gerhard Pürstl

APA/Helmut Fohringer

Gerhard Pürstl

Dafür verantwortlich sei aber auch gewesen, dass es gelungen sei, ordentliche Strategien für Phänomene und Probleme zu entwickeln. So habe man etwa bei Einbrüchen festgestellt, man müsse viel mehr Tatortspuren sammeln und auswerten sowie intensiv gegen Personen ermitteln, die immer wieder im Zusammenhang mit Einbrüchen auftauchen. Dazu gehörten auch Erhebungen gegen Täter aus bestimmten Ländern wie Georgier, Moldawier oder Rumänen - was nichts mit „Ethnic Profiling“ zu tun habe.

Als Beispiel nannte Pürstl die Operation Java im März 2010. Dabei sei eine europaweit agierende Einbrecherorganisation aus Georgien ausgehoben worden. Man habe gewusst, dass die Organisation Asylwerber anwerbe. Deshalb habe man auch dort angesetzt - trotz aller Kritik, dass jetzt alle unter Generalverdacht gestellt würden.

Viele Einflüsse auf Sicherheitsgefühl

Die objektiv gute Sicherheitsentwicklung entspricht laut Pürstl nicht unbedingt dem subjektiven Sicherheitsgefühl der Bevölkerung. Das hänge mit vielen Dingen zusammen, etwa der allgemein abstrakten Terrorgefahr, der großen Migrationswelle mit ihren Nachwirkungen, mit der Berichterstattung mancher Boulevardmedien und auch damit, dass sich jeder in sozialen Medien Gehör verschaffen kann. Pürstl: „Damit müssen wir umgehen lernen.“

Pürstl

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Ein Schritt zur Steigerung des subjektiven Gefühls sei die Einführung der „Grätzlpolizisten“ gewesen. Mehr Beamte gab es dafür jedoch nicht, kritisiert die Gewerkschaft. Generell hätte es seit Einführung der Aufnahmeoffensive 2009 nur ein Nullsummenspiel gegeben, so Harald Segall, Vorsitzender der FSG-Polizeigewerkschaft: „Der Personalstand ist derzeit ein ganz desaströser. Wir haben in Wien 30 bis 40 Prozent Unterstände, wir fahren wirklich am letzten Drücker.“

Kritik, die Pürstl nicht versteht: „Es ist die Personallage nicht ganz so schlecht, wie sie manchmal dargestellt. Wir haben knapp 7.000 Exekutivbeamte in Wien. Das ist deutlich mehr, als wir vor zehn Jahren hatten.“ Ein Nullsummenspiel könne es schon alleine deswegen nicht sein. Außerdem sei der Plan der neuen Regierung, 2.100 neue Stellen in Österreich zu schaffen. Pürstl wolle da natürlich einen großen Anteil in Wien sehen.

Von der Sauna-Affäre bis zur Pizzeria Anarchia

Im Rückblick auf seine zehn Jahre als Polizeipräsident ist Pürstl die bereits genannte Sauna-Affäre in Erinnerung geblieben, aber auch die EURO 2008 nur wenige Monate nach seinem Amtsantritt - eine „Riesenherausforderung“. Als einen herausragenden Erfolg bewertete Pürstl, dass es gelungen sei, den Karlsplatz drogenfrei zu machen: „Jeder in Europa, der süchtig war, kannte den Karlsplatz.“ Nach drei Jahren konnte der Karlsplatz für drogenfrei erklärt werden - dank konsequenter Arbeit, tausender und abertausender Kontrollen und Festnahmen.

Sendungshinweis:

„Wien heute“, 12.1.2018, 19.00 Uhr, ORF2

Auch die Verbannung des Straßenstrichs in Wien sei eine große Aufgabe gewesen. In Kritik geriet Pürstl bei der Räumung der Pizzeria Anarchia in der Leopoldstadt - mehr dazu in Hausräumung: Pürstl verteidigt Großeinsatz. 1.700 Polizisten gegen 19 Hausbesetzer: Heute sagt Pürstl, es sei nicht kommuniziert worden, dass mit der Räumung 90 Beamte beauftragt waren. 400 Beamte hätten für die Absperrung des Areals gesorgt, der Rest sei für allfällige Demonstrationen in Bereitschaft gehalten worden.

Landespolizeipräsident seit Jänner 2008

Gerhard Pürstl wurde am 5. Juli 1962 in Wien geboren. Nach der Matura absolvierte er beim Bundesheer eine Einjährig-Freiwilligen-Ausbildung, mehrere Führungsausbildungen und Truppenverwendungen und wurde als Oberleutnant ausgemustert. Im Jahr 1987 schloss Gerhard Pürstl das Studium der Rechtswissenschaften ab und trat am 1. April 1988 als Beamter des rechtskundigen Dienstes in die Bundespolizeidirektion Wien ein.

Pürstl war in den Bezirkskommissariaten Brigittenau, Währing und Leopoldstadt als Referent tätig, war Hauptreferent im Büro für Organisation, Rechtsfragen und Fachaufsicht in der Bundespolizeidirektion. Nach der Umstrukturierung der Bundespolizeidirektion war Pürstl vorerst als Hauptreferent im Büro für Rechtsfragen und Datenschutz der Bundespolizeidirektion Wien und ab Oktober 2002 als dessen Vorstand tätig. Seit 1. Jänner 2008 ist Gerhard Pürstl Wiener Landespolizeipräsident.

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