Terrorprozess: Zeuge entlastet Angeklagten

Am Straflandesgericht Wien muss sich ein mutmaßlicher Terrorist und IS-Sympathisant verantworten. Am zweiten Tag entlastete ein 14-jähriger Zeuge den Angeklagten. Er habe selbstständig gehandelt und Bomben gebaut.

Der zum Tatzeitpunkt zwölf Jahre alte Deutsche sagte per Videokonferenz aus. Laut Staatsanwalt soll er von dem in Wien Angeklagten zu einem Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt in Ludwigshafen angestiftet worden sein. Das verneinte der Zeuge: „Die Idee kam von mir. Ich bin selbst draufgekommen.“ Generell will der Deutsche kaum von dem 19-Jährigen beeinflusst worden sein. Vielmehr habe er dem Älteren geholfen, indem er diesem etwa einen direkten Kontakt zu einem Mitglied der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) vermittelte.

Er habe den IS und seine Ziele „gut gefunden“, sagte der Jugendliche. Deshalb wollte er „was in Deutschland" machen.“ Auf seinen Wiener Kontakt, den er über Facebook kennengelernt hatte, sei er dabei gar nicht angewiesen gewesen: „Als ich neun war, habe ich schon Bomben gebaut.“ Vom Angeklagten hätte er weder eine Anleitung zum Bombenbauen benötigt noch eine solche erhalten.

Kontakt zu Wiener „nicht wichtig“

Er habe den 19-Jährigen „nur am Laufenden gehalten“ und sei von diesem „zu nichts“ angestiftet worden: „Ich hab dem IS gesagt, ich will etwas machen für euch.“ Mit seinem Wiener Chat-Partner habe er kommuniziert, „weil ich wissen wollte, was er denkt. Aber der wusste selber nicht besonders viel über Kirchen.“ Was ihm der 19-Jährige schrieb, sei „nicht wichtig“ gewesen: „Befehle bekommen habe ich nur vom IS.“ Er sei nur ein Freund gewesen, den er „um Rat gefragt“ habe, doch geholfen habe ihm das nicht viel.

Laut seinen Aussagen soll der Deutsche weitere Anschläge geplant haben, darunter einen Anschlag mit einem Beil in einem Krankenhaus. Der heute 14-Jährige kann strafrechtlich nicht belangt werden, da er zum Tatzeitpunkt nicht strafmündig war.

Der 14-Jährige betonte, er hätte entgegen dem Rat des 19-Jährigen seine Bombe während eines Gottesdiensts in einer katholischen Kirche und nicht auf einem Weihnachtsmarkt zur Explosion bringen wollen. In Ludwigshafen wären die Weihnachtsmärkte nämlich anders als in Wien schlecht besucht. Doch er verschlief die Messe. So ging er dann mit einer selbst gebastelten Bombe doch zu einem Weihnachtsmarkt in der Nähe des Ludwigshafener Rathauses - die Bombe explodierte aber nicht.

Bombentest schlug fehl

Nach seinen eigenen Terrorplänen befragt räumte der 19-Jährige ein, eine Bombe gebaut zu haben. Die Anleitung dazu habe er im Internet gefunden. Mit einigen Bauteilen reiste er nach Deutschland, um die Bombe gemeinsam mit einem anderen IS-Sympathisanten fertig zu bauen. Im Visier hatte er ursprünglich den US-Militärstützpunkt in Ramstein. Dann habe er den Plan aber verworfen, ein Test der Bombe in einem Park schlug fehl.

Eine damals 16-Jährige, die er nach islamischem Recht geheiratet hatte, war in die Terrorpläne des Angeklagten eingebunden. Er soll sie laut Anklage radikalisiert und dazu gebracht haben, gemeinsam mit ihm einen Selbstmordanschlag durchzuführen. Das behauptet jedenfalls das Mädchen. „Das ist Blödsinn“, wies der Angeklagte das zurück. „Sie wollte dabei sein. Hat sie selbst gesagt“, versicherte er den Geschworenen.

Zu in Messenger-Diensten sichergestellten Botschaften etwa über eine „Operation Österreich“ und eine Messerattacke sagte der Angeklagte, er habe gegenüber seinem Kontaktmann beim IS nicht als Feigling dastehen wollen. Er habe befürchtet, in diesem Fall auf einer Todesliste zu landen.

Bilder an Zellenwand als „Provokation“

Der Wiener muss sich als mutmaßlicher Terrorist des IS verantworten. Vor der Videokonferenz waren einige Zeichnungen aus der Zelle des Angeklagten Thema im Prozess. Eine zeigte die US-Flagge mit dem Teufel, eine weitere einen bewaffneten Mann, der offenbar einen IS-Kämpfer darstellen soll. „Wir wissen alle, dass die heutige Politik der US-Regierung nicht schön ist“, nahm der Angeklagte zum ersten Bild Stellung. Das zweite zeige keinen IS-Kämpfer, sondern „einen Mudschahedin“.

Er habe mit seinen Bildern „provozieren“ wollen, behauptete der 19-Jährige nun. Er habe fast alle Bilder in seiner Zelle aufgehängt, um damit gegenüber der Justizwache seinen Unmut über die Haftbedingungen kundzutun: „Man wird nicht gut behandelt mit diesem Delikt (gemeint: terroristische Vereinigung, Anm.).“ Einige Beamte hätten ihn schlecht behandelt. Als Gegendruck, um zu zeigen, dass er sich nicht unterkriegen lasse, habe er die Bilder als Protest aufgehängt.

Radikalisierung von Mithäftlingen?

Einem Bericht der Justizanstalt Josefstadt zufolge soll der 19-Jährige auch Mithäftlinge beeinflusst und zum Islam gebracht haben. Einige Gefangene hätten ihr Aussehen und ihre Bekleidung verändert. Der Angeklagte wies das zurück, er hätte andere radikalisiert: „So etwas ist üblich, dass Gefangene im Gefängnis zu beten anfangen.“

Dass sich manche Bärte wachsen lassen, sei ebenfalls nichts Besonderes: „Die Leute lassen sich im Gefängnis gehen.“ Einer sei zum Islam konvertiert, „aber das war seine freie Entscheidung. Ich habe ihn nicht dazu gezwungen, ich habe ihn nicht beeinflusst.“ Mit dem betreffenden Mann („ein paranoid Schizophrener“) hätte er sich gut verstanden: „Er hat Philosophisches gelesen, wir haben viel geredet.“

In zwei Punkten schuldig bekannt

Der Angeklagte hatte sich am ersten Prozesstag zu den Punkten terroristische Vereinigung und kriminelle Organisation schuldig bekannt. Er bestritt aber, einen Zwölfjährigen zu einem Selbstmordanschlag auf einen Weihnachtsmarkt angestiftet zu haben - mehr dazu in Terrorprozess: „Keine Anstiftung zum Mord“. Die Verhandlung wird am kommenden Montag fortgesetzt.