Die Geisterflüsterin

Die Schriftstellerin Lotte Ingrisch ist vor allem für ihren Hang zum Übersinnlichen bekannt. Die Witwe von Gottfried von Einem spricht bei „Menschen im Gespräch“ von einer neuen Weltordnung, Gesprächen mit Geistern und einem geliebten Säufer.

„Sie haben mich nicht nur belächelt, sie haben mich ausgelacht. Und natürlich halten sie mich für verrückt, die meisten Leute“, sagt Lotte Ingrisch bei „Menschen im Gespräch“ mit Bernd Matschedolnig. Mit der Zeit werde das jedoch weniger schlimm, weil Esoterik heute salonfähig sei, so die Schriftstellerin. Ihre vermeintlich blasphemische Weltanschauung brachte ihr oft Spott und sogar eine Briefbombe von Franz Fuchs ein, die glücklicherweise an eine falsche Adresse zugesandt wurde.

Lotte Ingrisch

ORF/Bernd Matschedolnig

Lotte Ingrisch provozierte oft mit ihrem Glauben an übersinnliche Phänomene

Gabe für das Übersinnliche

Eine Gabe für das Übersinnliche habe sie immer gehabt, behauptete Ingrisch: „Ich habe als Kind schon mit Steinen und Sternen gesprochen.“ Als sie Gottfried von Einem heiratete und ins Waldviertel zog, sei sie immer wieder in Katalepsie verfallen und habe damit begonnen, Astralwanderungen zu machen - ein Zustand der körperlichen Starre, bei dem der Geist den Körper verlässt. Immer wieder habe sie mit Geistern und toten Dichtern gesprochen, die ihr sogar beim Schreiben ihrer Bücher geholfen hätten.

Mit ihren Theorien sieht sich die Autorin im Recht und begründet diese mit neuen Strömungen in der Quantenphysik, die das herkömmliche Weltverständnis verwerfen. Ingrisch fordert deshalb seit Jahren das Recht auf Sterbehilfe und eine rechtshemisphärische Pädagogik - die Förderung von Kindern im Bereich der Intuition und Gefühlswelt statt der Logik.

Die Angst vor dem Tod

„Die Katholiken, wenn es noch welche gibt und es gibt noch genug, die haben Angst vor der Strafe. Die glauben wirklich an Hölle und Fegefeuer und diesen ganzen Unsinn. Und die Atheisten haben Angst vor dem Ende ihrer Person“, sagte Ingrisch. Die Angst vor dem Tod ist ihrer Meinung nach eine Angst vor dem Unbekannten. Gott sei ein Zustand und keine Person. Die Schriftstellerin glaubt auch nicht an Himmel und Hölle. „Man sitzt auch nicht auf einer Wolke und singt ‚Halleluja‘, das wäre ja unerträglich“, meint sie.

Radiohinweis

„Menschen im Gespräch“, jeden Samstag um 12.10 Uhr auf Radio Wien.

Die modernen Menschen bezeichnet sie als Personen, die „vor ihrem Ego knien, wie vor einem Altar“, die alles ablehnten, was sie nicht kennen. Sie selbst habe sich schon vor Jahren von der Hülle ihres Körpers und ihres Egos gelöst: „Weil ich schon lange aufgehört habe, mich selber ernst zu nehmen. Es gibt dieses Ich gar nicht.“ Der Körper ist für Ingrisch „ein Automobil“, das man im materiellen Leben brauche und das der Geist nach dem Tod verlasse und körperlos weitergehe.

„99 Prozent sind Betrüger“

Heute sei die Gesellschaft offener für Esoterik und übersinnliche Erfahrungen. Ingrisch kritisierte aber die Tatsache, dass viele im Übersinnlichen ein Geschäft wittern. „Was heute unter Esoterik läuft, ist leider zu 90 Prozent ein Geschäftszweig geworden. Auch wenn man am Anfang versucht, sich an einer Gabe, die man hat, zu bereichern, verliert man sie. 99 Prozent sind einfach Betrüger“, so die Autorin. Sie selbst hat zahlreiche Bücher über das Jenseits und über Bewusstseinsveränderung geschrieben.

„Wir sind mitten im Chaos“, so Ingrisch. Die Gesellschaft befinde sich derzeit in einer Umbruchphase zu einer neuen Weltordnung. „Die alte Ordnung zerbricht gerade in allen ihren Bestandteilen. Ob das jetzt die Wirtschaft oder Geld ist“, sagt sie. Jene, die „auf der Zeitscholle der alten Ordnung“ stünden, würden mit ihr untergehen. Ingrisch: „Und einige wenige stehen schon auf der neuen Zeitscholle, aber die werden angespuckt und ausgelacht.“

Witwe eines Machos und Anti-Feministin

„Alle großen dieser Erde waren Säufer, das gehört dazu. Er war in der Unterwelt zu Hause und in die steigt man nicht mit einem Glas Milch“, sagt Ingrisch über ihren verstorbenen Mann, den Komponisten Gottfried von Einem. Immer wieder habe sie versucht, seine Trinksucht in Grenzen zu halten und seine Machismen ertragen müssen. Trotz allem hätte sie „mit niemandem so glücklich sein können“. Auch 16 Jahre nach dem Tod des Komponisten spreche sie noch immer mit seinem Geist.

Sie selbst bezeichnet sich nicht als Feministin. Sie habe weder Patriarchen noch Feministinnen gemocht. Mit von Einem habe sie in der Welt des Sichtbaren und Unsichtbaren gelebt. „Wir haben diese Welten geteilt, das war so schön“, so Ingrisch. Wie sie die Männer in ihrem Leben bewältigt hätte? „Ich habe sie einfach geliebt“, antwortete sie.

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