Türkische Präsidentenwahlen in Wien

Wahlberechtigte, in Österreich lebende Türken, haben am Wochenende erstmals an der Präsidentenwahl der Türkei teilgenommen. Am Wiener Messegelände standen laut türkischem Generalkonsulat 94 Wahlkabinen bereit.

Gut organisiert erschien die Stimmabgabe in der großen Halle am Wiener Messeplatz: Große Schilder mit Pfeil und der Aufschrift „Cumhurbaskani Secim Mahalline Gider“ („Zum Wahllokal zur Präsidentschaftswahl“) zeigten den Weg zum überdimensionalen Wahllokal. Davor fanden sich im Laufe der ersten Stunden nach Öffnung der Halle zwar Wähler ein, großer Andrang herrschte jedoch nicht.

Wiener Türken wählen

APA/Hans Punz

Nur wenige Registrierungen

Bei der Online-Einschreibung waren an die Wähler Termine mit genauem Tag und Zeitfenster für ihre Stimmabgabe in Österreich vergeben worden. Von den 90.000 österreichischen Stimmberechtigten haben sich laut Homepage der obersten Wahlbehörde YSK nur 6.559 Türken als Wähler registrieren lassen.

Österreichs türkische Gemeinde umfasst knapp 270.000 Personen, davon besitzen rund 115.000 die österreichische Staatsbürgerschaft. Das in Österreich geltende Verbot der doppelten Staatsbürgerschaft wird aber immer wieder umgangen. Die Türkei vergibt an ihre im Ausland lebenden Bewohner mit nicht-türkischen Pässen Personalausweise der türkischen Republik. Dieser Ausweis berechtigt offiziell nicht zur Stimmabgabe bei türkischen Wahlen.

Video: Wahllokal im Wiener Messezentrum

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Fünf Wahlbeobachter pro Urne

In insgesamt 47 durchsichtigen Urnen wurden die Wahlzettel gesammelt, bei jeder davon saßen „insgesamt fünf Beauftragte“, erklärte Ceysun Uzunay, Sekretär des türkischen Generalkonsulats Wien. Jeweils einer davon sei ein Staatsbeamter der Türkei. „Wir müssen dabei sein“, sagte der Sekretär.

Die anderen vier setzten sich jeweils aus einem Mitglied der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP, einem Mitglied der Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP), einem Mitglied der Republikanischen Volkspartei (CHP) und einem „normalen türkischen Bürger“ zusammen. Letzterer sei notwendig um den Wahlvorgang zu beobachten, so Uzunay.

Erdogan voraussichtlicher Gewinner

Drei Kandidaten haben sich für das höchste Amt in der Türkei beworben. Als aussichtsreichster Kandidat wird der amtierende Regierungschef der AKP, Recep Tayyip Erdogan gehandelt. Gegen ihn treten der Kurde Selahattin Demirtas und der konservative Muslim Ekmeleddin Ihsanoglu an.

Gemischte Gefühle gegenüber Erdogan äußerten von der APA befragte Wiener Wähler: Während die einen klar hinter ihm stünden, würden andere einen autoritären Staatschef in ihm sehen. „Erdogan hat viel Gutes getan“, sagte eine knapp 30-jährige Österreicherin mit türkischen Wurzeln. Dabei verwies sie auf den Ausbau der Infrastruktur und den wirtschaftlichen Aufschwung in der Türkei unter der Amtszeit Erdogans als Premierminister (seit 2003).

Wiener Türken wählen

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Zudem habe Erdogan bei dieser Wahl „keine starken Gegner“. Sie begrüßte die erstmalige Gelegenheit an der Wahl vom Ausland aus teilnehmen zu können. Eine um die 50-jährige, aus dem nahe der türkischen Hauptstadt gelegenen Yozgat stammende Wählerin stellte sich ebenfalls bedingungslos hinter den Premier. „Erdogan soll unser Präsident sein. Er hat viel gutes für die Armen gemacht“, sagte sie.

Sendungshinweis:

Einen „Wien heute“-Beitrag dazu sehen Sie am 2. August um 19.00 Uhr in ORF2 und danach sieben Tage auch on Demand.

Vor Erdogan nirgends „sicher“

Kritisch gegenüber dem Premier äußerte sich ein etwa 40-jähriger Wähler: „Erdogan ist ein Diktator“, erklärte er. In der Türkei herrsche Angst vor ihm, auch in Österreich könne man sich vor seinem Regime nicht sicher fühlen. Die Medien seien in Erdogans Hand und unterlägen einer Zensur, zudem liefen auch die wirtschaftlichen Fäden allesamt bei ihm zusammen. Es sei „alles ungerecht“ an der Wahl, sagte der Mann sichtlich enttäuscht.

Seinen für Sonntag zugeteilten Termin könne er aus Arbeitsgründen höchstwahrscheinlich nicht wahrnehmen, stimmen wolle er für Selahattin Demirtas. „Er ist Kurde, Sozialist und steht für Frieden und Freiheit“, sagte er. „Das Ergebnis der Wahl geht aber zu hundert Prozent für Erdogan aus“, zeigte sich der Mann überzeugt.

Wahllokale Samstag und Sonntag geöffnet

Diejenigen, die die Online-Terminvergabe verpasst oder an ihrem ihnen zugeteilten Termin nicht am Urnengang teilnehmen können, haben laut oberster Wahlbehörde nur mehr an den geöffneten Wahllokalen an der türkischen Grenze die Gelegenheit zum Stimmzettel zu greifen. Dort sind die Wahllokale laut Uzunay seit dem 26. Juli bis zum Tag der Präsidentschaftswahl in der Türkei, am 10. August, geöffnet.

Bei einer möglichen Stichwahl wird neuerlich am 19. und 20. August abgestimmt. Für die Stichwahl haben sich nur 2.539 Türken eingeschrieben.

Türkische Präsidentschaftswahlen

APA/Hans Punz

Erdogan auf Wahlkampftour in Europa

Erdogan hatte im Vorfeld seine Landsleute im Ausland aufgerufen, ihre Stimmen bei der Wahl zum Staatspräsidenten abzugeben. Türkische Migranten im Ausland sind ein wichtiges Wählerpotenzial für den Regierungschef.

„60 bis 70 Prozent der im Ausland lebenden Türken würden für ihn stimmen, erklärte er. Weltweit sind laut oberster Wahlbehörde YSK knapp 2,8 Millionen Türken aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Erdogan war deshalb auf einer Werbetour in den europäischen Städten Paris, Berlin, Köln, Lyon und Wien. In der Albert-Schultz-Halle hielt Erdogan vor 13.500 Anhängern eine umstrittene Rede - mehr dazu in Protest und Beifall für Erdogan (wien.ORF.at; 18.6.2014).

Die türkischen Oppositionsparteien haben Zweifel über die Sicherheit der Wahlurnen angemeldet und ein Auszählen im jeweiligen Land der Stimmabgabe gefordert. Bei ihnen geht die Angst um, dass, wie etwa bei den Kommunalwahlen in der Türkei im März Wahlurnen gestohlen, ausgetauscht werden oder einfach verschwinden.

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