Granatenmord-Prozess wird zur Lesung

Ein schweigender Hauptangeklagter und zwei Mitangeklagte, die teils unter Tränen ihre Unschuld beteuern: Das war der erste Prozesstag um den Handgranatenmord in Ottakring mit zwei Toten. Zudem wurden seitenweise Einvernahmeprotokolle vorgelesen.

„Ich bekenne mich schuldig und bleibe bei meinen bisherigen Aussagen“, sagte der 35-jährige mutmaßliche Haupttäter. Ansonsten machte er von seinem Schweigerecht Gebrauch. Er habe in einem Schreiben an Gericht und Staatsanwalt seine „Motive und Beweggründe“ dargelegt, so der Mann. Mehr wolle er nicht mehr sagen und verwies auf gegen ihn gerichtete Drohungen.

Der Verteidiger des Hauptangeklagten, Philipp Winkler, sagte, dass es „zu diesen Taten nicht gekommen wäre“, hätten die beiden späteren Opfer seinen Mandanten nicht bedroht. Dieser habe in den Vernehmungen ein umfassendes Geständnis abgelegt und jede einzelne Frage beantwortet. Notgedrungen begann die Richterin danach mit der Verlesung der zahlreichen Einvernahmeprotokolle mit dem Hauptangeklagten.

Staatsanwalt: „Von langer Hand geplant“

Es gehe um einen „Streit im kriminellen Milieu“, der „auf drastische Weise geregelt wurde“, sagte Staatsanwalt Leopold Bien in seinem Eröffnungsplädoyer. „Die allermeisten Morde geschehen ohne Vorplanung und haben ein ganz banales, normales Motiv. Nicht so in diesem Fall.“ Hier seien „die Geschehnisse von langer Hand geplant“ und „das Ergebnis einer rationalen, zutiefst verfehlten Entscheidung“ gewesen.

Angeklagte

APA/ Roland Schlager

Unter großem Medieninteresse startete der Prozess am Mittwoch

Der Hauptangeklagte sei aber im Wesentlichen von Beginn an zu den Tatvorwürfen geständig gewesen, billigte ihm Bien zu. Auch von einer angeschafften Rohrbombe, mit der ursprünglich der Doppelmord hätte durchgeführt werden sollen, habe er von sich aus den Polizisten erzählt. Von deren Verwendung soll der 35-Jährige Abstand genommen haben, weil er befürchtete, Unbeteiligte könnten zu Schaden kommen.

Angst vor Verrat als mögliches Motiv

In der Nacht auf den 11. Jänner waren ein 45-jähriger Transportunternehmer und ein von ihm als Fahrer beschäftigter 57-Jähriger auf spektakuläre Weise in der Odoakergasse in Ottakring getötet worden. Der 35-jährige Hauptangeklagte verwendete laut Anklage zwei Tatwerkzeuge, eine Handgranate und einen Revolver.

Der Verdächtige wollte demnach die beiden Männer beseitigen, mit denen er gemeinsam illegale Dieselimporte abgewickelt hatte. Insgesamt sollen sie 1,53 Millionen Liter Diesel illegal importiert haben. Alleine die hinterzogene Mineralölsteuer machte mehr als 600.000 Euro aus.

Spurensicherung am Tatort

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Spurensicherung in der Odoakergasse

Aus Angst, die beiden könnten ihn verraten, habe der Hauptangeklagte sie nach Wien gelockt. Am Treffpunkt in der Odoakergasse seien die beiden in eine tödliche Falle gegangen. Der Hauptangeklagte stellte ihnen laut Staatsanwalt seinen Bekannten unter dem Namen „Eddy“ als vermeintlichen Dieselverkäufer vor. Laut Anklage schoss der Hauptverdächtige dem 45-jährigen Oberösterreicher mit einem Revolver in einem geparkten Auto in den Kopf und in die Brust.

Revolver hatte Ladehemmung

Als er die Waffe auf den 57-jährigen Deutschen gerichtet habe, habe sie Ladehemmung gehabt. Daraufhin warf er laut Staatsanwalt dem zweiten Opfer eine Handgranate vor die Füße, nachdem er den Splint gezogen hatte. Bevor es zur Explosion gekommen sei, habe der Hauptangeklagte das Fahrzeug bereits verlassen gehabt.

Die Detonation der Granate hatte keine unmittelbare tödliche Wirkung, obwohl sie den 57-Jährigen schwer verletzte. „Er war kurzfristig sogar noch bei Bewusstsein und rief nach Hilfe, ehe er in Ohnmacht fiel“, ist der Anklageschrift zu entnehmen. Der Tod erfolgte erst im Rettungsauto.

Wollen von den Plänen nichts gewusst haben

Neben dem Hauptangeklagten müssen sich seine ältere Schwester sowie ein befreundeter 30-Jähriger als Beitragstäter vor den Geschworenen verantworten. Beide bekannten sich „nicht schuldig“ und versicherten, von den mörderischen Plänen des 35-Jährigen nichts gewusst zu haben.

Die 43-jährige Schwester soll laut Anklage in die Pläne zur Gänze eingeweiht gewesen sein, ein Hotelzimmer angemietet, ihre eigene Wohnung als Lager für diverse Tatutensilien zur Verfügung gestellt sowie ihren Bruder und dessen Helfer zum Tatort chauffiert und von dort wieder weggebracht haben. Auch den beiden droht lebenslange Haft.

Angeklagte

APA/ Roland Schlager

Auch die Schwester ist angeklagt

„Sie hat keinen Tatbeitrag geleistet“, betonte der Verteidiger der Frau, Nikolaus Rast. Er räumte ein, dass die Frau in die illegalen Dieselgeschäfte des Bruders involviert gewesen sei - laut Staatsanwalt soll sie dabei innerhalb von nur sechs Wochen 100.000 Euro verdient haben - und von diesem erzählt bekommen habe, dass er bedroht werde. „Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass ich jemanden kenne, der wen umbringt“, meinte die 43-Jährige. Dass sie wusste, dass ihr Bruder seinen ehemaligen Geschäftspartnern nach dem Leben trachtete, stellte sie in Abrede.

Schwester nahm Bruder nicht ernst

Die Frau musste allerdings zugeben, dass ihr Bruder vor dem Treffen Munition für seinen Revolver auf dem Tisch liegen hatte und die Patronen mit einem Messer präparierte. Auf ihre Frage, was er da mache, erwiderte dieser: „Damit die Patrone besser im Körper platzt.“ „Und da haben Sie sich nichts gedacht?“, wunderte sich die Richterin. Für sie sei das „deppertes Burschengerede“ gewesen, schluchzte die Angeklagte. Ihr Bruder sei „immer schon ein Waffennarr gewesen, das hab’ ich gewusst“.

Die beiden Männer habe sie zum Tatort chauffiert im Glauben, dass es sich um einen Geschäftstermin handle. Seine Begründung: Seine eigener Wagen sei „zu auffällig“. Auch dabei habe sie sich nichts gedacht, stellte die Frau fest. Sie habe „mit dem allen nichts zu tun haben“ wollen.

Freund soll Bombe und Revolver besorgt haben

Dem 30-jährigen angeblichen Mittäter wird angekreidet, an der unmittelbaren Tatausführung in Kenntnis des mörderischen Plans beteiligt gewesen zu sein. Außerdem soll er den Revolver und eine Rohrbombe besorgt haben, mit der das Verbrechen ursprünglich hätte ausgeführt werden sollen.

Sein Mandant sei „nur durch Zufall in dieser Sache nicht mitverstorben“, sagte sein Verteidiger Ernst Schillhammer. Als die Handgranate detonierte, sei der 30-Jährige fünf Meter danebengestanden und nicht weggelaufen. „Glaubt wirklich jemand ernsthaft, dass sich jemand fünf Meter daneben hinstellt und abwartet, wenn er weiß, was dort passiert?“, warf Schillhammer in den Raum.

Der Verteidiger machte darauf aufmerksam, dass der 30-Jährige bei der Explosion erheblich verletzt wurde. Der Hauptangeklagte wolle neben seinem Geständnis weitere Milderungsgründe sammeln und habe Unschuldige hereingezogen, um der Höchststrafe zu entgehen, so der Anwalt des Drittangeklagten. Der Prozess ist zunächst auf zwei Tage anberaumt. Die Verhandlung wird am Donnerstag mit den Einvernahmen der Beschuldigten, Zeugenbefragungen und der Erörterung mehrerer Sachverständigengutachten fortgesetzt.

Vater des Hauptangeklagten bereits verurteilt

Bereits am 8. September wurde der Vater des Hauptangeklagten nicht rechtskräftig nach dem Kriegsmaterial- und nach dem Waffengesetz zu neun Monaten bedingter Haft sowie einer unbedingten Geldstrafe von 1.800 Euro verurteilt. Der 63-Jährige hatte auf Ersuchen seines Sohnes eine Handgranate aus Kroatien nach Wien gebracht, ohne zu wissen, wofür diese gedacht war - mehr dazu in Granatenmord: Neun Monate für Vater.