72 Jahre Kriegsende: Kern warnt vor Rechten

Anlässlich des 72. Jahrestages der Befreiung vom Nationalsozialismus hat heute in Wien eine Gedenkfeier stattgefunden. Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) nahm diese zum Anlass vor neuen faschistischen Strömungen zu warnen.

„Der 8. Mai ist ein Tag der Freude“ - Kern ließ in seiner Rede keinen Zweifel daran, was das Kriegsende nicht nur für das offizielle Österreich bedeutet. In Anwesenheit von Bundespräsident Alexander Van der Bellen sowie von Vertretern der Glaubensgemeinschaften und Opferverbänden gedachte der Regierungschef aber auch der Opfer des Nationalsozialismus und würdigte den Widerstand im Dritten Reich.

Bundeskanzler Christian Kern

BKA/Andy Wenzel

Bundeskanzler Christian Kern bei seiner Rede

Dabei äußerte Kern auch die Sorge, dass sich die „Fratze des Rassismus und Antisemitismus“ wieder vermehrt „in ungeschminkter Form“ zeige. Der Bundeskanzler erinnerte dabei an den Anstieg rechtsextremer Straftaten sowie an die „neue Rechte“, die lediglich aus den alten Rechtsradikalen in neuem Gewand bestehe. Seien früher Nazi-Parolen auf Häuser geschmiert worden, gebe es diese heute in Form von Facebook-Postings.

Mitterlehner: Versäumnisse bei Aufarbeitung

Auch Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) erinnerte an teilweise Versäumnisse bei der Aufarbeitung des Nationalsozialismus in Österreich, wie die sich lange haltende „Opferrolle“. Und wie Kern sieht er die Europäische Union als Mittel gegen nationalistische Strömungen. Die EU sei auch anfänglich das Mittel gewesen, „dem Krieg die Grundlage zu entziehen“, sagte er in seiner Rede, denn: „Internationalität trennt nicht, sie verbindet.“

Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Nationalratspräsidentin Doris Bures

BKA/Andy Wenzel

Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Nationalratspräsidentin Doris Bures

Erinnerung an Deportation der Kärntner Slowenen

Die Festrede hielt die Zeitzeugin und Kärntner Slowenin Katja Sturm-Schnabl, die an die Deportation ihrer Volksgruppe in der Nazi-Zeit erinnerte. Bauern seien dabei zu Staats- und Volksfeinden erklärt worden, deren Höfe an deutsche Aussiedler aus Italien übergeben worden. Wer nicht in die Wälder fliehen konnte und sich den Partisanen anschloss, sei in Konzentrationslagern umgekommen, so Sturm-Schnabl, deren Schwester durch Nationalsozialisten ermordet wurde.

„Die Kärntner Slowenen teilen das Schicksal von Millionen Opfern des Nazi-Regimes“, gedachte die Festrednerin etwa auch der ermordeten Juden und Roma. Aus diesem Anlass begrüßte sie im Publikum auch die Widerstandskämpferin und Zeitzeugin Käthe Sasso. Eine Würdigung galt auch den Alliierten, die in Österreich zuweilen als „Besatzer“ gesehen würden anstatt als Befreier.

Fest der Freude

ORF/BKA/Andy Wenzel

Der Heldenplatz im Vorjahr

„Fest der Freude“ ging in fünfte Runde

Am Abend fand auf dem Wiener Heldenplatz anlässlich von 72 Jahren Kriegsende bereits zum fünften Mal das „Fest der Freude“ statt. Dabei gaben die Wiener Symphoniker ein Gratiskonzert - mehr dazu in 4.000 feierten „Fest der Freude“.

Glawischnig: „Antidemokratische Tendenzen“

Auch Freiheitliche und Grüne warnten anlässlich der Befreiung vom Nationalsozialismus vor 72 Jahren vor Extremismus. So trat FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache via Aussendung dafür ein, „jedweder Form des Antisemitismus entschieden entgegenzutreten“. Österreich habe hier „eine besondere Verpflichtung“, so Strache.

Vor „besorgniserregenden antidemokratischen Tendenzen in unserer Gesellschaft“ warnte Grünen-Chefin Eva Glawischnig. Der 72. Jahrestag solle daher nicht nur Grund zur Erinnerung an das Ende des nationalsozialistischen Verbrecher-Regimes sein, „sondern auch Anregung, darüber nachzudenken“, wie man diesen Tendenzen entgegenwirken könne.