KH Nord: Stadt bestätigt 300 Mio. Mehrkosten
Die Stadt und der Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) gehen derzeit im Best-Case-Szenario von Kosten in Höhe von 1,29 Mrd. Euro aus. Das Worst-Case-Szenario liege bei knapp unter 1,4 Mrd. Euro, bestätigte der ehemalige stellvertretende KAV-Generaldirektor Thomas Balazs, der bis vor kurzem für den Bau des Krankenhauses verantwortlich war, Medienberichte über den Rohbericht des Rechnungshofs. Davon werde man 200 Mio. Euro an Regressforderungen zurückholen können, zeigte er sich bei einem Hintergrundgespräch am Dienstagnachmittag überzeugt.
ORF
Ursprünglich 825 Millionen Euro
Ursprünglich sei man von Kosten in Höhe von 825 Mio. Euro ausgegangen. Rechnet man die Valorisierung ein, wäre das heute rund 1 Mrd. Euro, sagte Balazs. Im besten Fall würde die Kostenüberschreitung im Vergleich zum ursprünglichen Plan also bei rund 300 Mio. Euro liegen, im schlimmsten Fall bei fast 400 Mio. Euro, sagte Balazs.
„Wir werden intensiv daran arbeiten, dass wir die 1,29 Mrd. Euro einhalten“, betonte er. Diese Zahl habe man bereits seit einem Jahr kommuniziert. Die in den Medien kursierenden Kosten in Höhe von 1,09 Mrd. Euro kämen dadurch zustande, dass hier die Regressforderungen bereits weggerechnet worden seien.
Patientenbetrieb ab Ende 2018 oder Anfang 2019
Frauenberger rechnet laut eigener Aussage damit, in zwei bis drei Wochen konkretere Aussagen zu den Kosten und dem Zeitplan der Eröffnung geben zu können. Balazcs bekräftigte, dass das Spital noch heuer baulich fertiggestellt wird. 2018 folgen die Inneneinrichtung, die Medizintechnik und die IT. Ende 2018 werde man in der Lage sein, zu übersiedeln. Ob man mit dem Patientenbetrieb dann vor oder nach Weihnachten 2018 beginnen können werde, könne er aus heutiger Sicht noch nicht sagen.
Zuletzt hatte die KAV-Führung kein Datum mehr nennen wollen, wann die ersten Patienten im Neubau behandelt werden sollen - nur soviel: „Das Ziel ist, dass die Betriebsbereitschaft 2018 gegeben ist“ - mehr dazu in Noch kein Datum für Eröffnung des KH Nord
Rohbericht listet 8.000 Mängel auf
Im Gemeinderat wurde heftig über den Rohbericht des Rechnungshofs diskutiert. Die „Kronen Zeitung“ zitierte aus dem Rechnungshof-Rohbericht. Demnach listet die „Bauaufsicht mehr als 8.000 Mängel auf. So mussten bereits errichtete massive Betonwände wieder abgerissen, Stützen abgebrochen werden“. Und der Innenausbau soll begonnen haben, obwohl die Gebäudedichtheit noch nicht hergestellt war.
Zudem beklagen die Prüfer offenbar, dass beim Spitalbetreiber Krankenanstaltenverbund (KAV) „kein ausreichendes Know-how“ für ein derartiges Projekt gegeben gewesen sei. Laut „Krone“ umfasst der RH-Rohbericht - die Endfassung samt Stellungnahmen von Stadt und KAV ist noch nicht veröffentlicht - 170 Seiten.
Kein Generalplaner sei Fehler gewesen
Der Rohbericht des Rechnungshofs beziehe sich vor allem auf Entscheidungen, die ganz zu Beginn getroffen worden seien, sagte Balazs. Unter anderem habe es sich als Fehler herausgestellt, keinen Generalplaner eingesetzt zu haben. „Das würden wir heute sicherlich nicht noch einmal so machen“, sagte er. Vor allem Probleme bei der Fassade und der Statik hätten den Zeitplan verzögert. Ein Baustopp sei immer wieder evaluiert worden, man habe sich aber aus „fachlichen und sachlichen Gründen fürs Weitermachen entschieden“.
„Es hat Fehlentscheidungen gegeben, die wir jetzt aufarbeiten“, sagte Frauenberger. Unter anderem habe der KAV die Rolle des Bauherrn nicht ausreichend wahrgenommen. Außerdem seien nicht genügend Kompetenzen im KAV aufgebaut worden, um so ein Vorhaben durchzuführen. Nun gebe es zwei Prioritäten: „Die erste ist, dass wir das Haus gut in Betrieb nehmen, die zweite, dass wir für die Zukunft daraus lernen.“
Muss nicht „gleich wieder umgebaut“ werden
Berichte, wonach das Krankenhaus nach der Fertigstellung, „gleich wieder umgebaut“ werden müsse, wies Balazs zurück. Man habe die neuen medizinischen Entwicklungen großteils bereits antizipiert und könne bei der Infrastruktur flexibel reagieren.
Bis der Rechnungshofbericht der Öffentlichkeit vorliegen wird, wird es noch dauern. Der KAV habe nun Zeit, eine Stellungnahme zum Rohbericht abzugeben, die Beschlussfassung der Stellungnahme, die dann in den Endbericht eingearbeitet wird, werde voraussichtlich im Februar erfolgen, sagte Frauenberger.
Opposition kündigt U-Kommission an
Die Rathausopposition reagierte einstweilen mit Empörung. Die FPÖ - sie hatte die RH-Prüfung damals verlangt - sah einen Beleg, „dass hier Steuergeld im ganz großen Stil verbrannt wurde“. Vizebürgermeister Johann Gudenus kündigte in einer Aussendung erneut die Einberufung einer Untersuchungskommission an, sobald der Endbericht veröffentlicht ist.
Wiens ÖVP-Chef Gernot Blümel kündigte Unterstützung in Sachen U-Kommission an. Diese müsse die politische Verantwortung umfassend aufklären. Der RH-Rohbericht sei „ein noch nie da gewesener Beleg für völlige Unprofessionalität, unverantwortliche Planlosigkeit und augenscheinliche Überforderung“.
„Verärgert und enttäuscht“ zeigte sich auch NEOS-Klubchefin Beate Meinl-Reisinger: „Unsere Sorgen und Warnungen sind leider eingetroffen, die rot-grüne Stadtregierung war und ist mit dem Bauprojekt vollkommen überfordert.“ Auch die Pinken wollen die Verantwortung „in fachlicher und politischer Hinsicht lückenlos“ klären. Alle Fakten müssten jetzt auf den Tisch.
Links:
- RH-Kritik an hohen KAV-Vorstandsgagen (wien.ORF.at; 11.5.2017)
- „Krone“-Artikel