China-Mafia-Prozess: Sieben Jahre Haft

Mit 7:1 Stimmen haben die Geschworenen den Angeklagten am Mittwochnachmittag am Landesgericht wegen Mordes schuldig gesprochen: Damit wurde 18 Jahre nach einer Bluttat im Dunstkreis der chinesischen Mafia ein juridischer Schlussstrich gezogen.

Der 36-jährige Angeklagte nahm die sieben Jahre Haft an, der Staatsanwalt gab keine Erklärung ab, weshalb das Urteil nicht rechtskräftig ist. Der Beschuldigte soll Teil einer Bande gewesen sein, die auf Menschenhandel und Schutzgelderpressung spezialisiert war.

Gerichtssaal

APA/Hans Punz

Der Angeklagte vor Beginn des Prozesses am Wiener Landesgericht

Im August 2000 war ein 25-jähriger Chinese in Wien überfallen, verschleppt, gefoltert und getötet worden. Die um sechs Jahre jüngere, ebenfalls aus China stammende Lebensgefährtin des Mannes brachte man als mutmaßliche Mitwisserin über Bandeninterna zum Schweigen. Ihre Leiche wurde in einem Gebüsch in Leobersdorf (Bezirk Baden) entdeckt. Die 19-Jährige war in Mafia-Manier mit einem Hackbeil getötet worden.

Daran soll neben drei weiteren abgeurteilten Männern ein damals 17-Jähriger beteiligt gewesen sein. Der inzwischen 36 Jahre alte Mann wurde im Dezember 2017 mit internationalem Haftbefehl auf dem Flughafen München festgenommen, nachdem er aus Schanghai angereist war.

Fahndung Chinesen-Mord alte Bilder

ORF

August 2000 - Ermittler machten im Gebüsch den schrecklichen Fund

Pärchen wegen Schulden festgehalten

Die Laienrichter hatten am Donnerstag am Landesgericht zu entscheiden, ob der Angeklagte zum Mord an der 19-Jährigen beitrug, indem er sie gefesselt und in ein Gebüsch gezerrt hatte, wo sie mit einem Hackbeil getötet wurde, oder ob er sie „nur“ gefesselt und dadurch misshandelt hatte.

Der 36-Jährige schilderte seine Rolle bei der Bande als eine untergeordnete. Er habe zwar gewusst, dass es um Schlepperei ging, doch er habe lediglich Dolmetscherdienste geleistet. Für solche sei er auch vor der Tat in die Wohnung in Ottakring geholt worden, obwohl seine Dienste nie benötigt wurden. Dort habe er mitbekommen, dass das Pärchen festgehalten wurde, angeblich wegen Schulden.

Archivbilder vom Tatort

„Wien heute“ zeigt Archivbilder vom Tatort in Leobersdorf.

Angebliche Flucht nach Zeitungsbericht

Zum Tathergang sagte der Beschuldigte aus: Auf einem finsteren Waldweg sei er dazu gezwungen worden, das Opfer zu fesseln, danach sei er im Auto geblieben, während die Frau ins Freie gezerrt wurde. „Was haben Sie sich dabei gedacht, als die dann ohne die Frau zurückgekommen sind?“, wollte Richter Daniel Rechenmacher wissen: „Dass sie nach Italien oder Spanien gebracht würde?“

„Mitten im Finsteren, ohne dass ein anderes Auto dort war?“, wunderte sich der Vorsitzende des Gerichts. Ebenso wenig habe sich der Angeklagte etwas dabei gedacht, als während der Rückfahrt ein Plastiksackerl im Donaukanal beseitigt wurde - darin befand sich die Tatwaffe. Er habe erst am nächsten Tag in der Zeitung von den Morden gelesen und sei geflüchtet. Von allen Beteiligten an dem zweifachen Mord im Dunstkreis der chinesischen Mafia war bei der Verhandlung am Mittwoch lediglich ein Zeuge greifbar. Der Boss, der den Auftrag gegeben hatte, hatte in der Untersuchungshaft im Jahr 2000 Suizid begangen, zwei konnten nicht identifiziert werden.

Angeklagter „enger Vertrauter des Bosses“

Von den Verurteilten tauchten laut Staatsanwalt zwei nach ihrer mittlerweile erfolgten Freilassung unter, ein weiterer machte sich nach 16 Jahren bei einem Freigang aus dem Staub. Deren Aussagen bei Polizei bzw. vor Gericht wurden in jenen Teilen verlesen, die sich auf den Angeklagten bezogen.

Mord Chinesen-Mafia

ORF

Die Spurensicherung in Leobersdorf bei Baden führte auch zum Angeklagten

Nach deren überwiegender Darstellung war der damals 18-Jährige sehr wohl in die Mordpläne eingeweiht. Der bei der heutigen Verhandlung vernommene Besitzer des Autos, der seine Strafe für die Beteiligung am ersten Mord mittlerweile abgesessen hat, war damals in Leobersdorf nicht dabei. Allerdings widersprach er der Darstellung des Beschuldigten, nur ein kleines Rädchen in der Bande gewesen zu sein: „Er war ein enger Vertrauter des Bosses.“ Und der Angeklagte sei nicht in der Wohnung abgesondert gewesen.

Verdächtiger Polizei

APA/Hans Punz

Der Mann bekannte sich am Mittwoch nicht schuldig

Der Staatsanwalt wies in seinem Plädoyer nochmals auf die Aussagen der anderen Täter hin, die sich keineswegs an dem Angeklagten „abgeputzt“ hätten. Dass er nichts von den Mordplänen gewusst habe, sei unglaubwürdig. Alfred Boran hingegen, der den Angeklagten gemeinsam mit Nikolaus Rast vertrat, appellierte an die Geschworenen, nur dann einen Schuldspruch zu fällen, wenn sie von der Schuld seines Mandanten zu 100 Prozent überzeugt seien.

Prozess im April verschoben

Der Angeklagte hatte sich bereits einmal im April am Landesgericht zu verantworten gehabt - und wurde von den Geschworenen damals mit 4:4 Stimmen und damit mit dem knappestmöglichen Quorum vom Mordvorwurf freigesprochen. Sie erkannten auf Beteiligung an einer Körperverletzung mit tödlichem Ausgang - mehr dazu in Prozess um Mafia-Doppelmord ohne Urteil. Doch die drei Berufsrichter akzeptierten diese Entscheidung nicht und setzten sie wegen Irrtums der Geschworenen aus. Die Verhandlung wurde daher vor einem zur Gänze neu zusammengesetzten Schwurgericht wiederholt.