Film macht unsichtbare Obdachlose sichtbar

Versteckt in einem Waldstück, unter einer Brücke oder im betreuten Wohnen: Im Film „Zu ebener Erde“ entdecken Zuschauer die Welt der obdachlosen Menschen und begleiten sie in ihrem Alltag bis hin zu ihren Schlafplätzen.

Während die 40-jährige Katka in ihrem Rollstuhl vor einem Park um Geld für sich und ihren Mann Laco bettelt, sitzt Hedy in einer Vorlesung. Sie diskutiert mit der Dozentin über den Klimaschutz und lässt kaum Gegenargumente zu. Dass Hedy in einer selbstgebauten Höhle aus Stöcken an einem Waldrand in Wien lebt, vermutet hier niemand.

Hedy ist eine von fünf Protagonisten in „Zu ebener Erde“. Neben ihr und dem Ehepaar aus der Slowakei, das keinen Anspruch auf reguläre Sozialleistungen hat, zeigt der Film auch den Alltag von Micha und Herrn Birkner. Die zwei älteren Männer sind seit Jahren wohnungslos und übernachten immer wieder in Notschlafstellen. Ein Jahr lang begleitet der Film ihren Alltag mit der Kamera.

Film Obdachlose Wien

Stadtkino Filmverleih

Auch im Winter lebte Hedy in ihrem selbstgebauten Zuhause

„Was haben sie zu erzählen?“

„Ich habe in Wien immer wieder Menschen auf der Straße gesehen und habe mir gedacht: Was denken sie, was fühlen sie, was ist deren Geschichte und was haben sie zu erzählen?“, sagt einer der Regisseure Oliver Werani. Gemeinsam mit den Regisseurinnen Birgit Bergmann und Steffi Franz ist er diesen Fragen nachgegangen.

„Wir wollten verschiedene Seiten der Obdachlosigkeit zeigen“, sagt Bergmann. Die Menschen lernten sie auf der Straße kennen - außer Hedy, sie wurde ihnen über ein Tageszentrum vermittelt. „Am Schwierigsten war es, eine Frau zu finden“, sagt Bergmann rückblickend.

Film über Obdachlose in Wien

Obdachlos. Wie sie ihren Alltag bestreiten, das zeigen jetzt drei junge Filmemacher in der Dokumentation: „Zu ebener Erde“.

Häufig verdeckte Obdachlosigkeit bei Frauen

Denn besonders bei Frauen sei die Obdachlosigkeit versteckter, das hänge unter anderem mit dem erhöhten Sicherheitsrisiko für Frauen zusammen. „Obdachlose Frauen sind noch einmal anderen Gefahren ausgesetzt. Häufig läuft das bei ihnen dann als eine verdeckte Wohnungslosigkeit ab, die Betroffenen wohnen dann innoffiziell vorübergehend bei Bekannten“, sagt die Regisseurin.

Der Film soll auf diese Unsichtbarkeit vieler Obdachloser aufmerksam machen. „Wir wollen den Leuten eine Stimme geben, die ansonsten in der Anonymität untergehen“, sagt Bergmann. „Das sind Menschen, wo im Regelfall über sie statt mit ihnen gesprochen wird und wir wollen sie aus dieser Situation zumindest für 90 Minuten herausholen.“

Film Obdachlose Wien

Stadtkino Filmverleih

Ein Jahr lang begleitetet der Film obdachlose Menschen in ihrem Alltag

Wunsch nach „Normalität und Aufmerksamkeit“

Die Bereitschaft, an dem österreichischen Filmprojekt teilzunehmen, war bei den Protagonisten von Beginn an groß. „Ich glaube, dass das bei manchen schon auch ein gewisser Wunsch nach einer Normalität und Aufmerksamkeit war. Reden zu können und akzeptiert zu werden, dass die Zuschauer einen so nehmen, wie man ist“, sagt Werani. „Für andere war aber auch diese Routine im Alltag der Grund. Katka und Laco fanden das zum Beispiel sehr schön, dass wir mit ihnen Zeit verbringen“, ergänzt Bergmann.

Veranstaltungshinweis:

„Zu ebener Erde“ startet am 28. September im Stadtkino im Künstlerhaus, Akademiestraße 13, 1010 Wien

Wichtig dafür war es, Vertrauen zu den Protagonisten aufzubauen. „Wir haben mit ihnen mehr Zeit ohne Kamera als mit Kamera verbracht“, sagt Werani. Auch nach Drehende hielten die Regisseure den Kontakt zu den Protagonisten aufrecht.

„Seit Drehende hat sich für ein paar auch Vieles geändert“, sagt Steffi Franz. Hedy lebt mittlerweile etwa nicht mehr im Wald, sondern bei einer Freundin. „Für Katka und Laco hat sich allerdings nichts geändert, die sind nach wie vor auf der Straße, so wie es in dem Film auch gezeigt wird“, sagt Franz. „Ich habe das Gefühl, da wird die Situation zunehmend schlimmer.“

Melanie Gerges, wien.ORF.at

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