Särge werden immer größer

Weil die Menschen dicker werden, kommen nun öfter geräumige Sargtruhen zum Einsatz. Auch die „schene Leich“ ist den Wienern nicht mehr so wichtig wie früher. Und bei der Trauermusik gibt es immer wieder neue „Hits“.

Der Tod begleitet Leopold Dienstl fast täglich - und das seit 27 Jahren. Der 59-Jährige ist bei der Bestattung Wien für die Abholung der Leichen zuständig. Dabei hat sich über die Jahre einiges geändert. „Da merkt man wirklich, dass die Menschen zugenommen haben und schwerer geworden sind. Es macht natürlich einen Unterschied, ob ich jemanden mit 60 Kilo oder 90 Kilo trage, plus den Sarg“, sagt Dienstl gegenüber „Wien heute“.

Die Gewichtszunahme wirkt sich auch auf die Form der Särge aus. Statt dem klassischen Sarg, der an Ober- und Unterseite schmäler zusammenläuft, kommen immer öfter rechteckige Truhen zum Einsatz, weil sie mehr Platz bieten. „Rund ein Viertel machen sie bereits aus“, sagt Florian Keusch, Sprecher der Bestattung und Friedhöfe Wien.

„Heute schaut jeder aufs Geld“

Eine weitere Veränderung: Die ‚schene Leich‘, für die Wien bekannt ist, gibt es immer seltener. „Früher hat jeder geschaut, dass der Angehörige eine schönes Begräbnis, einen schönen Sarg bekommt, das ist heute vorbei. Heute schaut jeder aufs Geld, das ist halt leider so“, sagt Dienstl.

Er muss mit seinen Kollegen immer öfter zu Altersheimen ausrücken. In Wien verstarben dort im Vorjahr 2.761 Menschen. Zum Vergleich: 1988 waren es 711. Zuhause und im Spital sterben hingegen immer weniger Wienerinnen und Wiener. 1988 waren noch 16.164 Menschen in einem Wiener Krankenhaus verstorben, im Vorjahr waren es nur mehr 9.538. „Früher hat man sie zum Sterben im Spital behalten, jetzt kommen sie nach Hause oder in eine Hospiz“, sagt Gesundheitsökonom Ernest Pichlbauer.

Zuhause sind 1988 insgesamt 3.710 Wienerinnen und Wiener gestorben, im Vorjahr waren es 2.878. Überhaupt sinkt die Zahl der Verstorbenen in Wien. 1988 waren es insgesamt 21.644 Menschen, die in Wien verstorben sind, im Vorjahr waren es nur mehr 16.424. Das hat laut Pichlbauer zwei Gründe: „Erstens die steigende Lebenserwartung und damit sinkende Mortalität, zweitens die Abwanderung der alten Bevölkerung aus Wien“.

„Nehmt sie mit, macht es bei euch“

Abgeholt werden die Verstorbenen von der Bestattung Wien mit sogenannten Leihsärgen aus Metall. Für sie gibt es eine eigene Waschmaschine in der Zentrale. Bei 60 Grad dauert ein Waschgang zu Reinigung des leeren Sarges rund acht Minuten. Gewaschen wird vor allem am Donnerstag und Freitag.

„Die Hausabholungen haben sich insofern geändert, als dass wir zu Hause nicht mehr so viele Verstorbene anziehen, wie früher. Früher wurden sie zu Hause gewaschen und angezogen. Heute sagen schon viele: ‚Nehmt sie mit, macht es bei euch‘“, erzählt Dienstl.

„Gabalier am meisten gespielt“

Auch am Friedhof hat sich einiges geändert. Immer öfter finden Begräbnisse ohne oder mit nur wenigen Hinterbliebenen statt - mehr dazu in Immer mehr „Einsame Begräbnisse“. Auch bei den Blumen und Kränzen geht es heute nicht mehr so üppig zu. „In den 1970er Jahren bis zur Mitte der 1990er war noch ein richtiges Blumenmeer in der Aufbahrungshalle“, erinnert sich Christian Leppich, der für die Bestattung die Begräbnisse organisiert. Jetzt würden sich die Angehörigen immer öfter Spenden für karitative Zwecke anstelle von Blumen wünschen.

Die Musik bei der Trauerfeier unterliegt ebenfalls gewissen Trends. „Zu Beginn war ‚My way‘ von Sinatra der Renner. Das wurde dann von ‚Time to say goodbye‘ abgelöst und jetzt ist es eben der Gabalier mit ‚Amoi seg‘ ma uns wieder’, der am meisten gespielt wird“, sagt Leppich.

Änderungen auch in der digitalen Welt

Und auch in der digitalen Welt gibt es Änderungen. Die Bestattung hat zu Allerheiligen einen Bestattungskonfigurator online gestellt, mit dem sich Begräbnisse vor dem Computer zuhause planen lassen - mehr dazu in Begräbnis mit Konfigurator online planen. Daneben gibt es seit kurzem auch einen Onlineshop, in dem unter anderem Bestatterpärchen aus Lego, Sarg-USB-Sticks, T-Shirts und der „Große Sensenmann“ erhältlich sind.

Damit versucht sich die Bestattung Wien abzugrenzen und für Schlagzeilen zu sorgen: Denn seit der Liberalisierung des Bestattungswesens im Jahr 2002 hat sie Konkurrenz bekommen. Derzeit sind knapp 25 private Bestattungsunternehmen in Wien auf dem Markt. Auch eine Veränderung zu früher, als die Bestattung Wien noch das Monopol auf das Sterben in der Stadt hatte.

Hubert Kickinger, wien.ORF.at

Links:

• Zentralfriedhof-Tour: „Der Hang zum Morbiden“ (wien.ORF.at; 28.9.2018)
• Onlineshop der Bestattung
• Bestattung Wien