Schüler schreiben über ihren Alltag

Schulstress, Streit mit der Familie, eine neue Freundschaft: In dem Buch „Wien schreibt Geschichte(n)“ erzählen Schüler aus ihrem Alltag. In Gedichten und Kurzgeschichten thematisieren sie dabei auch Schwierigkeiten.

„Ich wusste nie, wo ich wirklich hingehöre“, erzählt die 20-jährige Rosa. Als Kleinkind musste sie mit ihrer Familie aus Tschetschenien fliehen. Sich für eine Kultur zu entscheiden, fiel ihr schon als Kind schwer: „Die Kultur der Österreicher war wie meine Kultur, ich bin hier aufgewachsen, aber zu Hause kam immer dieses Heimat-Ding: Du bist nicht, wer du denkst, dass du bist. Wir sind andere Menschen, wir haben eine andere Kultur.“

Diese Erfahrungen schildert sie auch in ihrem Text „Heimat“, den sie für das Buch „Wien schreibt Geschichte(n)“ geschrieben hat. Es ist einer von rund 100 Texten, die unter dem Motto „Begegnungen“ in dem Band gesammelt sind.

Rund 100 Texte aus drei Schulen

Insgesamt waren drei Schulen an dem Projekt beteiligt: Das Schulzentrum Ungargasse auf der Landstraße, das Schulzentrum Friesgasse in Rudolfsheim-Fünfhaus und die Business Academy Donaustadt im 22. Bezirk.

Rosa möchte mit ihrem Text vor allem jenen helfen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben. „Viele Menschen sind sich sehr ähnlich und wissen es nicht und fühlen sich sehr alleine“, sagt sie. „Wenn dann ein Buch herauskommt und du denkst dir, das ist fast wie bei mir, dann hat man so eine Bindung, von der man nicht wusste, dass es sie gibt.“

Helfen soll auch der Beitrag der 17-jährigen Elina. In dem Text „Meine etwas andere Freundschaft“ erzählt sie von einem Mann, der vor einem Supermarkt Zeitungen verkauft. „Ich hatte damals keinen guten Tag und bin zu ihm hingegangen und habe ihn gefragt wie es ihm geht und ihm was zu essen gekauft“, so Elina.

Schüler schreiben über ihren Alltag

ORF

Elinas Text handelt von einer Begegnung mit einem Zeitungsverkäufer

„Das Miteinander beinhaltet Konflikte“

Auf die Begegnung folgen weitere, die beiden unterhalten sich über ihren Alltag und der Mann erzählt Elina, dass er das verdiente Geld spart, um seine Familie nach Österreich holen zu können. „Diese Begegnung war sehr berührend für mich“, sagt sie. „Ich wollte, dass dieser Text im Buch ist, damit mehr Leute darüber nachdenken, wie sie anderen begegnen.“

Betreut wurde das Projekt unter anderem von der Deutschlehrerin Andrea Motamedi. In Schreibworkshops förderte sie vor allem die privaten und persönlichen Geschichten der Schüler. „Es ist ganz wichtig, dass Jugendliche Zeit und Raum bekommen, um über ihre Gefühle zu sprechen“, so Motamedi. „Diese Gefühle sind nicht nur positiv. Das Miteinanderleben beinhaltet Konflikte. Manche werden gut gelöst, manche bleiben offen stehen. All das macht Leben aus.“ Sehr persönliche Geschichten durften auch anonym veröffentlicht werden.

Weitere Bände geplant

Dass die Texte eine Vielfalt an Begegnungen zeigen, war auch der Geschäftsführerin von Basis Kultur Wien, Monika Erb, die das Buch herausgibt, sehr wichtig. „Es gibt in Wien sehr viele Menschen, die aus den unterschiedlichsten Kontexten kommen und wir wollen sie hier zusammenbringen und mit ihnen gemeinsam über Wien nachdenken“, sagt Erb.

Von dem Erlös des ersten Buches sollen in Zukunft weitere Bände finanziert werden, sagt Erb. Möglichst viele Wiener Schulen sollen so die Möglichkeit bekommen, Geschichten aus ihrem Alltag zu erzählen.

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