Lehrer fordern Parkpickerl

Heuer sind mindestens 200 Pflichtschullehrerinnen und -lehrer in andere Bundesländer gewechselt. Der oberste Personalvertreter Thomas Krebs fordert nun Anrainerparkpickerl als Anreiz, in Wien zu bleiben.

Krebs geht zudem von noch höheren Zahlen aus als die von der APA ermittelten 200 abgewanderten Lehrerinnen und Lehrer. Der Gewerkschafter der Fraktion Christlicher Gewerkschafter (FCG) fordert neben Anrainerparkplätzen außerdem eine bessere Sozialversicherung, um die Abwanderung zu stoppen.

Als einen Grund für den Lehrerabgang vermutet Krebs die „vermeintlich besseren Arbeitsbedingungen“ abseits der Bundeshauptstadt: In Wien säßen mit durchschnittlich 24 Schülern deutlich mehr Kinder in der Klasse, auf dem Land gebe es gleichzeitig weniger Schüler mit Problemen in der Unterrichtssprache und teils sehr gut ausgestattete Schulen.

Private Gründe als Hauptmotiv

Eine Rolle spielt laut Krebs außerdem Frust, wenn vom Stadtschulrat (künftig: Bildungsdirektion) Ansuchen um Versetzung an eine andere Schule wiederholt mit Verweis auf „dienstliche Gründe“ abgelehnt würden. Krebs und Österreichs oberster Lehrervertreter Paul Kimberger (FCG) nennen allerdings noch ein weiteres wichtiges Motiv: die Rückkehr ins Heimatbundesland, vor allem wenn es an die Familiengründung geht, und das Beenden des Pendlerdaseins.

Lehrer, Schule, Schüler

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Viele Lehrerinnen und Lehrer ziehen früher oder später aufs Land

„Viele Kolleginnen und Kollegen haben in Wien studiert und die Möglichkeit genutzt, dort sofort in den Beruf einzusteigen“, sagte Kimberger im APA-Gespräch. Immerhin gebe es in Bundesländern wie Ober- und Niederösterreich und der Steiermark immer noch Wartelisten für manche Schultypen und Fächer. Bei Freiwerden einer Stelle im Heimatbundesland würden diese Personen Wien dann den Rücken kehren. „Die Herausforderungen in den Zentralräumen sind einfach enorm“, so Kimbergers Erklärungsversuch.

Himmer sieht andere Herausforderungen

Im Wiener Stadtschulrat sieht man jedoch keinen Handlungsbedarf. Laut dem Bildungsdirektor (früher: Stadtschulratspräsidenten) Heinrich Himmer ist das Privatleben der häufigste Grund für Lehrerschwund. Viele Junglehrer, von denen rund ein Drittel aus den Bundesländern kommt, würden auch bei der Anstellung gleich dazusagen, dass sie nur auf Zeit hier bleiben wollen. „Das finde ich zutiefst menschlich, und ich glaube auch nicht, dass es die Aufgabe eines Dienstgebers ist, das zu verhindern“, so Himmer.

Der neue Wiener Stadtschulratspräsident Heinrich Himmer (SPÖ)

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Heinrich Himmer kann mit den Goodies-Vorschlägen wenig anfangen

Wien sei außerdem nicht in der Situation, dass man diese Wechsel unbedingt verhindern müsste. „Der Wechsel in andere Bundesländer ist nicht die Riesenherausforderung bei der Personalplanung.“ Dringender sei es, den Bedarf in bestimmten Fächern sowie im Bereich Deutsch als Fremdsprache und Zweitsprache abzudecken und Pensionierungen nachzubesetzen. Er wolle deshalb seine Energie nicht dafür einsetzen, Lehrerinnen und Lehrer vom Wechsel in andere Bundesländer abzuhalten.

BVA statt Gebietskrankenkasse

Anders die Personalvertretung, die dafür auch bereits ein paar Hebel gefunden haben will: Anrainerparkpickerl für Lehrer wären laut Krebs ein möglicher Anreiz, um am Standort zu bleiben. „Interessanterweise tatsächlich ein Thema“ sei auch die Versicherung der Vertragslehrenden bei der Wiener Gebietskrankenkasse anstelle der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (BVA). Hier sei Wien im Wettbewerb um Lehrer im Nachteil. Ein wichtiger Punkt sei außerdem der Erhalt bzw. Ausbau von Supportsystemen.

In Zukunft müsse es Wien aus Krebs’ Sicht allerdings nicht nur gelingen, die Abwanderung zu stoppen. Weil zu wenige Junglehrerinnen und -lehrer nachkämen, müsse man auch verstärkt Pädagogen von außerhalb anwerben. „Wir haben den Lehrermangel zwar seit Jahren. Heuer ist aber das erste Jahr, wo es sich nicht mehr irgendwie mit Sonderverträgen ausgeht.“ Ein Beispiel, wie dieses Anwerben aussehen kann, liefert für Krebs das Land Vorarlberg: Dort wird etwa Pflichtschullehrern aus anderen Ländern ein „Zimmerzuschuss“ von 120 Euro pro Monat gewährt, auch bei der Suche nach einer geeigneten Unterkunft wird geholfen.

„Mit Goodies nicht zu verhindern“

Himmer, früher selbst Lehrerinteressenvertreter, kann mit diesen Vorschlägen wenig anfangen. Verantwortlich wäre allerdings ohnehin die Stadt. Wieso Lehrer das Anrainerparkpickerl erhalten sollten und andere Berufsgruppen nicht, wäre aus seiner Sicht schwer argumentierbar. „Außerdem hat mir das noch nie jemand als Grund genannt, dass er nicht in Wien arbeiten will - weder als Personalvertreter noch als Bildungsdirektor.“

Auch Zuckerln wie in Vorarlberg findet er nicht sinnvoll für Wien, schließlich seien diese als Maßnahme gegen die Abwerbung von Lehrern durch die Schweiz, Liechtenstein und Süddeutschland entstanden. „Die Wiener Lehrer wollen nicht in die Slowakei oder nach Tschechien unterrichten gehen, sondern das sind Wechselbewegungen fast immer aufgrund der Herkunft.“ Mit Goodies könne man das nicht verhindern - und sollte das auch gar nicht versuchen, so Himmer.

Gemeinsame Personalsteuerung in Ostregion

Stattdessen setzt Wien gemeinsam mit Niederösterreich und dem Burgenland seit einem Jahr verstärkt auf gemeinsame Personalsteuerung. Immerhin sei die Ostregion traditionell eine starke Pendelregion gewesen. Derzeit sind mehr als 20 Prozent der Lehrer an Wiener Schulen Pendler. Gemeinsam soll nun laut Himmer eine langfristige Planung etabliert werden, „damit nicht jemand in Niederösterreich etwa auf einer Warteliste steht, der in Wien vielleicht einen Job haben könnte“.

Dadurch könnten außerdem Lehrende, für die es in Niederösterreich und im Burgenland wegen Schülerschwunds nicht mehr genug Stunden gibt, von Wien übernommen werden. „Die Kollegen bleiben vielleicht nicht für immer, aber ihr Beitrag ist dennoch ein großer“ - egal ob für ein Jahr, fünf Jahre oder 25.

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