Flüchtlingsintegration durch Freundschaften

Flüchtlinge und lokale Wienerinnen und Wiener sollen den nächsten Schritt wagen: sich kennen lernen und Freunde werden. Dafür organisiert der junge Verein „Start with a Friend“ Freundschafts-Tandems.

„Jetzt, nach den drei Jahren seit der Flüchtlingswelle 2015, hat jeder das Bedürfnis, ein normaler Mensch zu sein und nicht nur der Flüchtling und Bittsteller“, so Judith Schneider, Obfrau des Vereins Start with a friend in Österreich. Er organisiert Freundschafts-Tandems zwischen Flüchtlingen und „Locals“, da „Integration jetzt auf Augenhöhe passieren muss“. Das Konzept stammt aus Deutschland, wo der Verein schon 2015 gegründet wurde.

start with a friend poster

ORF/Sofie Hörtler

Das Infotreffen für Tandeminteressierte im Jänner fand im Café Caspar statt

Sowohl Flüchtlinge als auch Locals können sich freiwillig bei Start with a friend für ein Tandem registrieren. Der Verein organisiert einmal im Monat einen Infoabend für Interessierte. Ist man dort von der Idee überzeugt, wird man bereits vor Ort persönlich von einer der Vermittlerinnen interviewt. Interessen und Erwartungen werden abgefragt und auf Basis dessen ein passender Freund oder eine passende Freundin gesucht.

Kulturaustausch im Fitnesscenter

„Man kann auch einfach angeben, dass man jemanden zum Gitarre spielen sucht“, so Schneider. Gründungsmitglied Anna Ploch zum Beispiel geht häufig mit ihrem Tandempartner ins Fitnesscenter. „Wir hatten es von Anfang an sehr lustig und dann hat uns der Sport verbunden.“

Wie man die Tandemzeit gestaltet, bleibt jedem selbst überlassen: sei es mit Kochen, Spaziergängen, Museumsbesuchen, gemütlich im Kaffeehaus oder abends bei einem Spritzer. „Wir sind halt kein Hilfsprojekt. Wir führen einfach Leute zusammen, die sich im Alltag so nicht kennen lernen würden“, so Ploch.

local abend jänner

ORF/Sofie Hörtler

Obfrau Judith Schneider beim Infotreff

Noch arbeitet der Verein ehrenamtlich. „Für mich ist das derzeit ein unbezahlter Teilzeitjob“, so die Obfrau. Als nächste Schritte wollen sie mit Hilfsorganisationen wie etwa dem Ute Bock Verein kooperieren, um Flüchtlinge über ihre Idee zu informieren. „Wir haben schon vier fixe Tandems und 22 weitere Locals sind als Tandempartner registriert.“ In der Organisation arbeiten 15 Freiwillige, die sich um Fundraising, Marketing, Vermittlung und Koordination kümmern.

5.000 Tandempaare in Deutschland

In Deutschland gibt es die Organisation seit 2015 und ist in 22 Städten aktiv. Bis dato zählen sie insgesamt 235 Freiwillige, 23 Teilzeit-Angestellte und insgesamt 5.000 Tandempaare. Seit 2016 werden sie vom deutschen Bundesfamilienministerium finanziell gefördert. In Deutschland sei die Nachfrage der Flüchtlinge sehr groß, dort gäbe es für sie lange Wartelisten.

Die Gründerin Judith Schneider hat die Jahre zuvor in Thailand gearbeitet und ist mit dem Wunsch nach Wien zurückgekommen, etwas Positives zu bewegen. Nach einer Online-Recherche hat sie sich Anfang 2018 mit Start with a Friend Deutschland in Verbindung gesetzt. Zusammen haben sie beschlossen, ein österreichisches Start with a Friend zu gründen.

Das Kommunikationskonzept des österreichischen Vereins wird derzeit in Kooperation mit der der Non Profit Academy der WU erarbeitet. Im Endeffekt soll als selbständiger Verein, unabhängig vom deutschen, agiert werden. „Jetzt am Anfang ist es ein großer Vorteil, dass wir schon auf ein funktionierendes und erprobtes Konzept aus Deutschland zurück greifen können“, so Schneider.

local abend jänner

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„Start with a friend ist kein Hilfsprojekt“

Familientandems geplant

Die Sprachanforderungen an Tandemteilnehmende sind Englisch oder Deutsch „auf einem Niveau, das eine Freundschaft möglich macht“. Der rechtliche Status der Geflüchteten ist für eine Aufnahme in ein Tandem nicht relevant, „wir heißen alle willkommen.“ Tandempartner müssen aber alle über 18 Jahre alt sein. Mit steigender Anzahl an Tandempartnern und -partnerinnen sollen auch Vierer- und Familientandems angeboten werden. Hierbei soll eine geflüchtete Familie mit einer lokalen Familie in Wien zusammengeführt werden.

Sofie Hörtler, wien.ORF.at

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