Integrationsexperte: „Keine falsche Toleranz“

Weder falsche Toleranz noch Panikmache helfen bei der Integration, sagt der international tätige Integrations-, Islamismusexperte und Psychologe Ahmad Mansour. wien.ORF.at hat ihn zum Interview getroffen.

Auf Einladung von Paul Stadler (FPÖ), Bezirksvorsteher von Simmering, und des Integrationsfonds ist Mansour nach Wien gekommen. In der Bezirksvorstehung wurde über Integrationsversäumnisse und unterschiedliche Rollenbilder diskutiert.

wien.ORF.at: Herr Mansour, Ihr aktuelles Buch heißt „Klartext zur Integration. Gegen falsche Toleranz und Panikmache.“ Was lesen wir von Ihnen, wenn Sie Klartext sprechen?

Ahmad Mansour: Ich versuche die Art und Weise, wie wir als Gesellschaft mit dem Thema umgehen, anzusprechen. Die Fehler die Politiker und wir als Gesellschaft in den letzten Jahren gemacht haben, anzusprechen. Ich erhoffe mir durch das Buch, dass wir eine andere Art und Weise finden zum Umgang mit solchen Problemen. Kein anderes Thema hat die Menschen in den letzten Jahren so emotional beschäftigt wie Flüchtlinge, Migration und Integration.

Wo orten Sie falsche Toleranz?

Kinder zu gefährden im Namen von Religionsfreiheit ist falsche Toleranz. Kopftuch bei Kindern zu tolerieren ist falsche Toleranz. Die Art und Weise, wie manche das Thema vermeiden, damit sie nicht die Rechten bedienen ist falsche Toleranz.

Wo sehen Sie Panikmache?

Das sind diejenigen die solche Themen undifferenziert und unsachlich benutzen, um politische Ängste zu schüren. Das sind diejenigen die kein Interesse an Lösung haben. Das sind diejenigen die uns Flüchtlinge als wilde Tier sehen, die nicht integrierbar sind und jeden von uns als potentiellen Terroristen sehen. Beide Seiten haben einen falschen Umgang mit dem Thema.

Mansour

ORF

„Diejenigen, die Themen tabuisieren sind Teil des Problems“

Aktuell diskutiert Österreich darüber, dass heuer bereits sechs Frauen ermordet wurden und vier Täter Migrationshintergrund haben. Ein Zufall?

Nein. Das ist ein Riesenproblem. In meiner Begegnung mit Flüchtlingen merke ich, dass sie viele patriarchale Strukturen mitbringen. Dass sie viel Angst haben vor der Emanzipation der Frauen.

Es fallen in der Debatte Sätze wie: ‚Ohne die Flüchtlingskrise von 2015, gäbe es diese Form der Gewalt an Frauen nicht.‘ Stimmt das?

Das ist superkurz gedacht. Ich beschäftige mich mit dem Thema in Österreich und Deutschland schon vor 2015. Seit mehr als 14 Jahren. Und ich kann Ihnen sagen, es gab auch vorher Ehrenmorde. Es gab auch vorher Menschen, die ihre patriarchalen Strukturen ungehindert in Europa gelebt haben.

Was muss Ihrer Ansicht nach passieren?

Wir müssen auf zwei Ebenen Klarheit schaffen. Einmal muss der Staat selbstbewusst und entschieden auftreten. Wir müssen den Leuten klar machen, dass Schutzsuchende nicht andere Menschen in dieser Gesellschaft zu Opfern machen dürfen, weil sonst spielen sie mit ihrem Aufenthaltstitel. Die zweite Ebene ist gewinnend arbeiten. Es müssen pädagogische Konzepte entwickelt werden, um Migranten in Integrationskursen und Schulen zu erreichen. Es braucht Kurse auf Augenhöhe und als Dialogplattformen, keinen Frontalunterricht. Die meisten die zu uns kommen, sind ja nicht böse. Sie haben auch viele Ängste.

Integrationsdebatte in Simmering

Bei einer Diskussion im Simmeringer Bezirksamt ist über Integration - und wie sie gelingen kann - gesprochen worden.

Oft hat man das Gefühl, dass es nur mehr extrem linke Positionen oder extrem rechte Positionen gibt. Gibt es überhaupt noch eine Position der Mitte?

Die müssen wir schaffen. Wir müssen unaufgeregt und emotionslos an Lösungen arbeiten. Das ist eigentlich ja die Aufgabe der Politik und der Führungskräfte in diesem Land. Diejenigen die Themen tabuisieren sind Teil des Problems, genauso wie Panikmacher, die warten, dass negative Sachen passieren um sich in ihrem Weltbild bestätigt zu sehen. Beide Seiten werden uns nicht weiterbringen. Es sind diejenigen, die Lösungen anbieten. Die versuchen Migranten hier ankommen zu lassen, ihnen zu helfen aber auf der anderen Seite ganz klare Botschaften vermitteln und im Extremfall sagen: Abschieben, wenn es nicht anders geht.

Das Interview führte Katharina Weinmann, ORF Wien

Link: