Venezolanerinnen zur Prostitution gezwungen

Am Landesgericht ist am Mittwoch der Prozess gegen einen mutmaßlichen Menschenhändlerring eröffnet worden. Angeklagt sind drei Frauen und zwei Männer aus Venezuela. Sie sollen Frauen zur Prostitution gezwungen haben.

Der Prozess ist auf mehrere Wochen anberaumt. Als Chefin der kriminellen Organisation fungierte laut Staatsanwältin Julia Koffler-Pock eine seit zwölf Jahren in Österreich lebende Venezolanerin. Die 34-Jährige habe die Notlage in ihrem Heimatland, das unter katastrophalen wirtschaftlichen Verhältnissen leidet, ausgenutzt und auf Kosten von einkommensschwachen- bzw. -losen Landsfrauen ein auf Ausbeutung angelegtes „Familienunternehmen“ aufgebaut.

Mutter soll Frauen in Venezuela rekrutiert haben

Mitangeklagt sind der Ehemann und ein Bruder der 34-Jährigen sowie zwei mit jener verschwägerte Schwestern. Die Mutter dieser beiden Frauen ist für die Wiener Justiz nicht greifbar - sie lebt in Venezuela und soll dort Mädchen als Sexarbeiterinnen für den ostösterreichischen Raum rekrutiert haben.

Laut Anklage wurden dabei den Betroffenen teilweise falsche Versprechen gemacht. Während einigen klar war, dass sie als Prostituierte angeheuert wurden, sollen anderen Jobs als Kindermädchen oder Masseurinen in Aussicht gestellt worden sein. Nach Österreich kam auch ein venezolanisches Model - ihr wurde angeblich fälschlicherweise zugesichert, sie könne hier ihre Modelkarriere fortsetzen.

Reisekosten mussten abgearbeitet werden

Sämtliche Frauen kamen mit einem auf drei Monate beschränkten Touristenvisum nach Europa. Das Flugticket bekamen sie bezahlt. Im Anschluss mussten sie zunächst die Reisekosten abarbeiten, in weiterer Folge wurden ihnen 50 Prozent ihrer Einkünfte als „Vermittlungsgebühr“ abgeknöpft.

Die laut Anklage weit überhöhten Kosten für die Wohnungen oder Hotels, in denen sie untergebracht waren, wurden ihnen eben so in Rechnung gestellt wie Kondome, die auf einschlägigen Plattformen geschalteten Anzeigen oder die „Telefondienste“ der perfekt Deutsch sprechenden Hauptangeklagten.

„Keinen einzigen Tag frei“

„Sie hatten keinen einzigen freien Tag in der Woche. Sie mussten auch arbeiten, wenn sie die Periode hatten. Sie wurden bewacht“, schilderte die Staatsanwältin. Um die Betroffenen gefügig zu machen, habe man ihnen mit der Veröffentlichung von Nacktbildern in ihrer Heimat oder mit Gewalt gegen Verwandte gedroht.

Die Hauptangeklagte gab zu, zwölf Mädchen angeworben und der Prostitution zugeführt zu haben, wobei diese gewusst hätten, zu welchem Zweck sie in Venezuela das Flugzeug nach Europa bestiegen. Sämtliche darüber hinaus gehenden Vorwürfe stellte sie in Abrede. „Es wurde kein Zwang ausgeübt, es wurde niemand getäuscht, es wurde niemand eingesperrt“, sagte Mathias Burger, der Verteidiger der 34-Jährigen.

Verteidiger: „Durch Zufall“ hineingeraten

Seine Mandantin sei „durch Zufall in dieses Geschäft hineingekommen. Sie hat als Telefonistin für eine Dame begonnen“. Auch von Ausbeutung könne keine Rede sein: „Die Mädchen wussten, dass sie nur für drei Monate da waren. Sie wollten jeden Tag arbeiten, um möglichst hohe Einnahmen zu erzielen.“

Die vier Mitangeklagten - die Männer sollen vor allem als Chauffeure tätig gewesen, die Frauen waren laut Anklage der 34-Jährigen bei der Abwicklung des Geschäftsgangs behilflich - bekannten sich zu sämtlichen gegen sie gerichteten Vorwürfen nicht schuldig. „Das ist alles erstunken und erlogen“, sagte Erich Gemeiner, der Rechtsvertreter des Ehemanns der 34-Jährigen.

„Gutes Leben“

Sein Mandant sei „für die Mädchen da gewesen, wenn es Probleme gibt“. Diese hätten in Wien ein gutes, jedenfalls weit besseres Leben in ihrer Heimat gehabt, hätten schicke Lokale besucht, wären untertags einkaufen gegangen und am Abend in einem Szenelokal tanzen gegangen: „Wenn ich eingesperrt werde, kann ich nicht abtanzen gehen.“