Video: Polizei räumt „gefährliche Situation“ ein

Nach der Veröffentlichung eines weiteren Videos, das mögliche Polizeigewalt aus einer neuen Perspektive zeigt, räumt die Polizei am Mittwoch erstmals eine „tatsächlich gefährliche Situation“ ein.

Bei der Klimaaktion wurde ein Aktivist von Polizisten unter ein Polizeiauto gezerrt, das wenig später losfuhr. Der Kopf des Mannes wäre beinahe von einem Hinterrad des Autos überrollt worden. Am Dienstagabend tauchte ein weiteres Video auf, das die bereits bekannte Szene mit dem Polizeiauto von der Seite zeigt.

Frühere Aussagen relativiert

Daraus lässt sich schließen, dass sich der Kopf des Demonstranten offenbar wirklich unter dem Auto befand, was Wiens Vizepolizeipräsident Michael Lepuschitz Dienstagabend noch ausgeschlossen hatte. Am Mittwoch wurde diese Ansicht von der Polizei relativiert. In einer Nachricht auf dem Nachrichtendienst Twitter schrieb die Wiener Polizei am Mittwoch: „Diese Videoperspektive zeigt tatsächlich eine gefährliche Situation. Unabhängig von der bereits eingeleiteten strafrechtlichen Überprüfung wird dieser Vorfall im Zuge einer Evaluierung in die Einsatztaktik und das Einsatztraining einfließen.“

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Einer der Demonstranten wird fast von einem Polizeiauto überrollt

Pürstl glaubt nicht an Vorsatz

Der Wiener Polizeipräsident Gerhard Pürstl meldete sich Mittwochnachmittag zu Wort. Er räumte erneut ein, dass es beim Polizeieinsatz zu einer gefährlichen Situation gekommen sei. Wie Pürstl nach seinem Auftritt im BVT-Untersuchungsausschuss sagte, geht er derzeit aber nicht davon aus, dass diese vorsätzlich herbeigeführt wurde.

„Es ist immer eine Herausforderung für die Polizei, wenn derartige Dinge über Soziale Medien hochkommen“, sagte Pürstl. Er bat die Bevölkerung um Vertrauen und sagte „objektive Aufklärung“ zu. Dass sowohl seine Aussagen als auch jene seines Stellvertreters Lepuschitz am Mittwoch bereits auf einen Freispruch für die handelnden Beamten hinauslaufen könnten, wies Pürstl zurück. Es gelte nun, sowohl die beteiligten Beamten als auch die betroffenen Demonstranten zu befragen.

„Auch Polizisten haben Verteidigungsrechte“

Den Vorwurf, die Beamten hätten rascher befragt werden müssen, wies er zurück, denn sie hätten Anspruch auf einen Anwalt: „Auch Polizisten haben Verteidigungsrechte.“ Die von Amnesty International geforderte Entschuldigung bei den betroffenen Demonstranten gibt es von Pürstl vorerst nicht. Sollte Fehlverhalten festgestellt werden, dann werde er die entsprechenden Worte finden, sagte der Wiener Polizeichef.

Neues Video aufgetaucht

Am Montagabend tauchte ein Video vom Fall eines deutschen Aktivisten auf.

Er verwies aber darauf, dass die meisten bei der Klimaaktion festgenommenen Demonstranten keine Ausweise bei sich getragen hätten, um eine Identitätsfeststellung zu verhindern. Das sei eine „konzertierte Aktion“ gewesen. Die Vorwürfe würden nun aus der Anonymität erhoben.

„Absurde Vorwürfe“

Das schaue „dramatisch aus“, hatte Lepuschitz noch vor Bekanntwerden der neuen seitlichen Perspektive das Video relativiert: „Wenn Sie die andere Perspektive wählen, wo Sie von der Seite den Bus und den Kopf sehen, dann geht sich das ohne Verletzung problemlos aus.“ Auf die Frage des ORF, ob diese andere Seite dokumentiert wurde, antwortete der Vizepolizeipräsident, es seien keine Bodycams im Einsatz gewesen, und „selbst die Beweissicherungsteams (...) können nicht jede Amtshandlung permanent filmen, daher fehlt diese Perspektive.“

Lepuschitz im Livegespräch

Wiens Vizepolizeipräsident Michael Lepuschitz nimmt zu den Vorwürfen Stellung.

Im ZIB2-Interview am Dienstag wurde Lepuschitz dann mit dem neuesten Video aus der Seitenperspektive konfrontiert. „Ich gehe davon aus, dass das nicht beabsichtigt war“, sagte er. Außerdem hätten „die Beamten sehr rasch reagiert, es ist niemand zu Schaden gekommen“, so der Vizepolizeipräsident.

Gezielter Faustschlag „durchaus übliche Methode“

Ein anderer fixierter Festgenommener, auf den ein Polizist offenbar wiederholt eingeschlagen hat, habe „zunächst erheblichen Widerstand geleistet“, so Lepuschitz gegenüber dem ORF. Die Anwendung von Körperkraft sei eine Polizeibefugnis, „die wir einsetzen, um einen Waffengebrauch selbst zu verhindern“.

Es sei „nicht einfach“, einen Menschen, der Widerstand leistet, ohne Gewaltanwendung festzunehmen. „Ein gezielter Stoß oder ein gezielter Faustschlag“ sei eine „durchaus übliche Methode“, um diesen Widerstand zu brechen. Das Vorgehen der Demonstranten „wirkt so, als ob das wirklich Berufsaktivsten sind“, sagte der Vizepolizeipräsident. Lepuschitz fügte aber hinzu, dass das „nichts an der Frage der Prüfung der Vorfälle ändert“.

„So fixiert man niemanden“

Die mögliche Polizeigewalt bei der Räumung der Blockade am Freitag in Wien wird auch polizeiintern diskutiert. Öffentliche Kritik seitens der Exekutive wurde in Österreich bisher nicht geäußert. Der deutsche Polizeibeamte und Politiker Oliver von Dobrowolski wiederum fand auf Twitter scharfe Worte. „Habe mir das Video einige Male angesehen und einige Stunden wirken lassen. Zu erkennen sind Polizisten, die einen fixierten Mann mit dem Kopf vor dem Reifen eines Polizeibusses ablegen. Dann gibt der Fahrer Gas. Mir fällt kein Grund für ein ‚Versehen‘ ein. Und das ist furchtbar ...“, twitterte der Bundesvorsitzende der Berufsvereinigung PolizeiGrün. „So fixiert man niemanden“, erklärte der Kriminalhauptkommissar weiter.

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