Ungewöhnliche „Koalition“ gegen Hunger

Noch bis Samstag läuft in Wien die prominent besetzte Konferenz „Zukunft ohne Hunger“. Am Freitag bildeten bereits Bundespräsident Heinz Fischer und Kardinal Christoph Schönborn eine ungewöhnliche „Koalition“.

An der Konferenz der Caritas nehmen in der Aula der Wissenschaften namhafte Experten aus 20 Ländern teil. Angekündigt war auch der ehemaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan, der jedoch kurzfristig absagen musste. „Die von ihm verfasste Rede wird aber ein Vertreter verlesen“, sagte Organisatorin Henrike Brandstötter gegenüber wien.ORF.at.

Kristalina Georgieva, EU-Kommissarin für Internationale Zusammenarbeit, humanitäre Hilfe und Krisenbewältigung, sprach in ihrer emotionalen Rede vom „enormen Leid, dass Mangelernährung auslöst“. Allein im vergangenen Jahr „hat die Kommission eine halbe Milliarde Euro in die Nahrungsmittelhilfe investiert“, so Georgieva.

Caritas: „Nicht gelungen, den Hunger zu beseitigen“

Auch Rodriguez Maradiaga, Präsident der Caritas Internationalis, sieht dringenden Handlungsbedarf: „Nahrung ist ein existenzielles Grundbedürfnis der Menschen. Dennoch ist es bis heute nicht gelungen, den Hunger auf der Welt nachhaltig zu beseitigen. Die Ursache dafür, dass Menschen hungern müssen, ist nicht ein Mangel an Ressourcen, sondern die ungerechte Verteilung der verfügbaren Nahrungsmittel.“ Anlässlich der bevorstehenden Konferenz „Rio+20“ ruft die Caritas Internationalis die Regierenden der Welt auf, einen ganzheitlichen Ansatz zur nachhaltigen Entwicklung zu verfolgen.

„Die Hungerkrise in meiner Heimat wird immer bedrohlicher, die Situation ist mittlerweile dramatisch, es ist ein Wettlauf mit der Zeit“, berichtete Abbe Ambroise Tine, Generalsekretär der Caritas Senegal. Es habe seit neun Monaten nicht mehr geregnet, Lebensmittelpreise seien massiv gestiegen und die nächste Ernte könne erst im Oktober eingefahren werden.

Bundespräsident Heinz Fischer

Caritas

Fischer: „Die Kürzungen sind außerordentlich unerfreulich.“

„Koalition“ gegen Kürzungen bei Entwicklungshilfe

Gegen die geplanten Kürzungen der Bundesregierung bei der internationalen Entwicklungshilfe bildete sich auch eine ungewöhnliche „Koalition“. Im Rahmen der Konferenz appellierten sowohl Schönborn als auch Fischer, das Vorhaben nicht durchzuführen. Für ihr gemeinsames Auftreten ernteten die beiden tosenden Applaus.

„Hunger ist für uns ein allzu fernes Leid“, sagte Schönborn in seiner Rede vor mehreren hundert Zuhörern in der Akademie der Wissenschaften. „Ich bitte, die geplanten Kürzungen nicht durchzuführen.“ Fischer erinnerte daran, dass auch die Österreicher nach dem Zweiten Weltkrieg hungern mussten und auf Hilfe von außerhalb angewiesen waren. „Das allein sollte schon Grund genug sein, um jetzt nicht wegzuschauen.“

Der Bundespräsident verwies in diesem Zusammenhang auf die „internationalen Verpflichtungen“ Österreichs punkto Entwicklungshilfe. „Die Kürzungen sind außerordentlich schmerzlich und unerfreulich.“ Er schloss sich der Forderung Schönborns spontan an und bezeichnete diese „Koalition“ als „nicht die schlechteste Form der Zusammenarbeit zwischen Kirche und Staat“.

Küberl kritiserte Regierung

„Wir sind wütend darüber, dass so viele Menschen einen sinnlosen, vermeidbaren Tod sterben müssen. Deshalb hoffe ich, dass von hier ein starkes Signal ausgeht“, so Caritas-Präsident Franz Küberl bei einer Pressekonferenz. Kritik übte Küberl bereits im Vorfeld an der Bundesregierung: „Es wurden 1,5 Millionen Euro für die Menschen in der Sahelzone zugesichert, das war ein guter Schritt. Erst auf akute Katastrophen zu reagieren, ist jedoch zu wenig. Ich fordere die österreichische Bundesregierung auf, die Kürzungen bei der Entwicklungszusammenarbeit zurückzunehmen.“

Die aktuellen Zahlen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) bestätigen Küberl. Laut einem Bericht hat Österreich 2011 nur 0,27 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) für Entwicklungshilfe ausgegeben, was einem Rückgang von 14,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Mehr gekürzt haben nur Griechenland (minus 39,3 Prozent) und Spanien (minus 32,7 Prozent).

Laut FAO leben 578 Millionen Menschen, die nicht genug zu essen haben, in Asien, 239 Millionen in Afrika, 53 Millionen in Lateinamerika, 37 Millionen im Nahen Osten bzw. Nordafrika und 19 Millionen in den übrigen Regionen der Welt. Zwei Drittel der Hungernden leben in lediglich sieben Ländern: Bangladesch, China, Demokratische Republik Kongo, Äthiopien, Indien, Indonesien und Pakistan. Darüber hinaus haben 884 Millionen Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser.

Kirche am Hof mit Hungerschwerpunkt

Im Rahmenprogramm zur Konferenz gibt es am Freitagabend einen Gedenkgottesdienst im Stephansdom und ein Benefizkonzert im Museumsquartier. Ebenfalls am Freitag, ab 19.15 Uhr, wird die Kirche Am Hof zur Caritas-Kirche mit Hungerschwerpunkt. Zur Stärkung wird ab 22.30 Uhr ein afrikanischer Eintopf vom Canisibus serviert. Am Samstag findet um 16.30 Uhr bei der Pestsäule am Graben eine Abschlusskundgebung statt mit Caritas-Präsident Küberl und Caritasdirektor Michael Landau statt.

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