Stoß vor U-Bahn: Ein Jahr bedingt
„Das Ziel, eine schwere Körperverletzung herbeizuführen, war nicht nachweisbar“, begründete Richterin Gerda Krausam das Urteil. Gegen den Mann war ursprünglich wegen versuchten Mordes ermittelt worden, angeklagt war er wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung.
ORF
Der Mann habe sich „in einer Stresssituation befunden“, konstatierte die Richterin zudem in der Urteilsbegründung.
Ehefrau freigesprochen
Bei einem Strafrahmen von bis zu drei Jahren für eine schwere Körperverletzung gemäß Paragraf 84 Strafgesetzbuch (StGB) erschien ihr eine einjährige Bewährungsstrafe angemessen, „da sich der Angeklagte reumütig gezeigt hat, einer Beschäftigung nachgeht und integriert ist“. Die wegen Unterlassung der Hilfeleistung mitangeklagte Ehefrau des Elektrikers wurde freigesprochen.
Während der Angeklagte seine einjährige Bewährungsstrafe annahm, meldete die Staatsanwältin dagegen volle Berufung an. Sie war weder mit der rechtlichen Qualifikation der Richterin noch dem Strafausmaß einverstanden. Auch gegen den Freispruch für die mitangeklagte Ehefrau legte die Staatsanwältin Rechtsmittel ein. Die Entscheidungen sind nicht rechtskräftig.
APA/Helmut Fohringer
Lautstarke Proteste nach Verhandlung
Das Urteil sorgte unmittelbar nach der Verhandlung für lautstarke Proteste von Prozessbeobachtern. „Das ist Mordversuch! Keine Körperverletzung!“, riefen sie. Besonders die Frau, die damals die verletzte Kenianerin begleitet und den Stoß vor die U-Bahn mitangesehen hatte, echauffierte sich: „Das ist Rassismus! Das war Mordversuch!“
Bereits während der Verhandlung hatten zwei Prozessbesucher mit Zwischenrufen auf sich aufmerksam gemacht und für bedrohliche Situationen gesorgt. Die Richterin hatte daraufhin telefonisch die Justizwache um Unterstützung gebeten, die „Störenfriede“ den Gerichtssaal verlassen. Zum Prozessfinale waren dann auch mehrere Beamte der WEGA zugegen, die die beiden „Störenfriede“ nicht mehr in die Nähe des Gerichtssaals ließen.
Diese zwei Aktivisten platzierten sich darauf in einiger Entfernung hinter einer Brandschutztüre, hielten Transparente in die Höhe („Mordversuch! Keine Körperverletzung! Wir suchen Gerechtigkeit!“) und protestierten mit lautstarken Unmutsäußerungen gegen den Ausgang des Strafverfahrens.
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Streit über lautes Telefonieren
Er sei „leicht verärgert“ gewesen, sagte der 51-Jährige im Prozess aus. Er war am 5. Jänner mit seiner Ehefrau nach einem Gasthausbesuch gegen 23.40 Uhr auf dem Heimweg in der U-Bahn-Station Taborstraße. Auf dem Bahnsteig trafen sie auf die beiden Kenianerinnen, von denen eine dem Täter zufolge lautstark telefonierte. Als sie die beiden Frauen gebeten hätten, leiser zu sein, entstand zwischen der aus Russland stammenden Ehefrau und den beiden Frauen laut Ohrenzeugen ein Wortgefecht mit Schimpfwörtern und rassistischen Ausdrücken.
„Irgendwann bin ich angespuckt worden. Und dann habe ich ihr einen Stoß versetzt. Es war ein Reflex“, schilderte der Angeklagte im Prozess. Vorher habe er der 36-Jährigen mit der flachen Hand gegen den Kopf geschlagen. Er habe die Frau nicht verletzen wollen: „Ich wollte nicht, dass sie runterfällt.“ Dann habe er Angst bekommen und sei nach Hause gelaufen.
Seine Ehefrau blieb in der U-Bahn-Station zurück, da sie von der Begleiterin des Opfers festgehalten wurde. Beim Sturz auf die Gleisanlage hatte sich die 36-Jährige das Fersenbein gebrochen, sie konnte nicht mehr auf die Plattform klettern. Etwa 30 bis 40 Sekunden später wäre ein Zug in die Station eingefahren. Er wurde allerdings von einem aufmerksamen Augenzeugen rechtzeitig über die Notstopp-Taste abgebremst und zum Stehen gebracht - mehr dazu in Frau gestoßen: Mann bestreitet Vorsatz.
Zeugen belasteten Mann
Das Abrücken vom Verdacht des Mordversuchs hatte vor dem Prozess insofern überrascht, als der Mann nach Zeugenaussagen während der Auseinandersetzung mit der Kenianerin und ihrer Begleiterin auf die U-Bahn-Signaltafel geblickt haben soll, die in drei Minuten einen einfahrenden Zug ankündigte. Er soll daraufhin seiner Freundin zugerufen haben, in drei Minuten sei „alles vorbei“, und diese möge „dann laufen“.
Für die Staatsanwaltschaft lag allerdings kein hinreichender Beweis für eine konkrete Tötungsabsicht vor, so dass sie den Fall nicht vor Geschworene gebracht hat. Nun musste sich eine Einzelrichterin mit der Frage befassen, was den Mann zu seinem gewalttätigen Verhalten bewogen hatte. Wie sein Verteidiger Roland Friis im Vorfeld des Verfahrens gesagt hatte, sei dem Mann „der Kragen geplatzt“. Er habe sich zu dem Stoß auf Provokationen hin bedauerlicherweise hinreißen lassen, dabei aber nicht mit dem Vorsatz gehandelt, die Frau absichtlich schwer zu verletzen.