Alkoholsucht: Möglichst frühe Diagnose wichtig

Die Zahl der Alkoholkranken nimmt nach Jahren mit einer Stabilisierung in Österreich zu. 350.000 Menschen sind bereits betroffen, sagte der Ärztliche Leiter des Anton Proksch Instituts, Michael Musalek. Wichtig zur Behandlung sei eine möglichst frühe Diagnose.

„Der ehemals ‚problematische‘ Gebrauch von Alkohol wird jetzt als Frühstadium der Alkoholkrankheit angesehen. Das macht es möglich, diese Erkrankung frühzeitiger zu diagnostizieren und zu behandeln“, sagte Musalek.

Der Experte: „Es gibt ein Kontinuum vom normalen Gebrauch des Alkohols zum problematischen Konsum bis hin zur Abhängigkeit. Jeder, der Alkohol konsumiert, hat sozusagen die ‚Chance‘, dass er einmal bei der Suchterkrankung ‚ankommt‘. Der Einzelne weiß das zumeist recht genau, wenn er die Abhängigkeit erreicht hat.“

Musalek: „Möglichst früh aufmerksam werden“

In allen Fällen komme es zunehmend darauf an, möglichst individuell zu therapieren. Hier ist neuerdings nicht mehr in allen Stadien der Alkoholkrankheit völlige Abstinenz das alleinige Ziel. Im Frühstadium, wenn noch der ehemals als solcher bezeichnete ‚problematische Konsum‘ vorliegt, wird vermehrt auf Strategien zur Reduktion des Trinkens auf ein moderates Niveau gesetzt.

Hier gibt es auch ein neues Medikament, das zur Dämpfung des Alkohol-Cravings (Verlangen nach dem Suchtmittel, Anm.) eingesetzt werden kann. Auf der anderen Seite, so Musalek: „Wenn die Alkoholkrankheit erst im Spätstadium mit einer bedeutenden körperlichen Abhängigkeit diagnostiziert wird und/oder auch eine psychische Abhängigkeit gegeben ist, ist Abstinenz unumgänglich.“ Man sollte eben – wie bei allen chronischen Erkrankungen – möglichst früh aufmerksam werden, Diagnose und Therapie anbieten.

Sucht oft mit psychischen Krankheiten Hand in Hand

Im Gegensatz zu alten Auffassungen der Medizin stehen Erkenntnisse, wonach die Suchtkrankheit viel eher die Folge anderer psychiatrischer Erkrankungen ist, als dass sie selbst am Beginn psychischer Leiden steht.

36 Prozent der Suchtkranken haben laut einer Studie des Anton Proksch Instituts und des Ludwig Boltzmann Instituts eine schwere Depression, ebenfalls 36 Prozent eine generalisierte Angststörung, 30 Prozent Panikattacken, 24 Prozent eine posttraumatische Belastungsstörung und 14 Prozent eine Essstörung. Es gibt natürlich auch Kombinationen.

Musalek: „Wir gehen heute davon aus, dass die Suchterkrankung eher eine Erkrankung ist, die sich auf eine andere psychische Erkrankung aufpfropft.“ Die Therapie sollte also beide Phänomene umfassen – zum Beispiel eine antidepressive Therapie und eine Behandlung der Suchterkrankung.

Links: