20 Jahre „Augustin“: Feiern trotz Problemen
„Wir sind Karli“ steht auf der Titelseite der „Augustin“-Ausgabe Nummer 382. Die „Augustin“-Journalistinnen und Journalisten arbeiten seit zwanzig Jahren an einer Zeitung, die alle zwei Wochen erscheint und sich als alternativ-obrigkeitskritisch versteht. Man wolle den Blick auf Themen werfen, die andere Medien links liegen lassen.
„Der große Unterschied ist, dass wir versuchen die Fragen immer so zu stellen, dass sie Herrschaft und Machtverhältnisse in Frage stellen, dass sie Platz machen für Konzepte für ein Leben, das sich für alle ausgeht, wo alle glücklich werden können, unabhängig von ihrer ökonomischen Macht“, so „Augustin“-Redakteurin Lisa Bolyos.
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Eigenfinanzierung erlaubt kritische Themen
Für den Wiener Publizistik-Professor Fritz Hausjell erfüllt der „Augustin“ mit seiner Art Journalismus eine wichtige Rolle in der boulevardlastigen österreichischen Zeitungsszenerie. „Man hat sich bevorzugt Themen angenommen, die in den Mainstream-Medien aus strukturellen Gründen oft nicht Platz haben, aufgrund der Eigentümerinteressen verpönt waren oder mühsam durchzukriegen waren“, so Hausjell. Als Beispiel nennt er eine lange und kritische Serie über den Raiffeisen Konzern. Möglich ist das auch, weil sich die „Augustin“-Zeitung eigenfinanziert.
Zu viele Verkäufer, halbierte Auflage
Das Konzept bei der Gründung der Zeitung im Oktober 1995 war einfach: kritischer Journalismus, verkauft von obdachlosen Kolporteuren, die sich die Hälfte des Verkaufspreises behalten können. Das Grundprinzip ist immer noch das Gleiche, dennoch veränderte sich einiges. Lag die Auflage vor 20 Jahren bei 60.000 Stück, liegt sie derzeit bei unter 25.000. In den Anfangszeiten hat ein halbes Dutzend Wiener Obdachlose den „Augustin“ vertrieben, derzeit sind rund 500 Verkäufer aktiv.
Sendungshinweis:
Ein „heute österreich“-Beitrag über „Augustin“ können Sie in der ORF TVthek nachsehen.
„Wir haben einen ganz niederschwelligen Zugang. Man muss keine Bedürftigkeit, Armut oder Arbeitslosigkeit vorweisen. Es genügt einfach hier aufzutreten und den Wunsch zu äußern“, so Reinhard Schachner vom „Augustin“-Vertrieb. Doch so einfach ist das nicht immer. Vor rund einem Jahr war der Straßenzeitungsverkauf in Wien „ausgeschöpft“. Der Augustin musste einen Aufnahmestopp bei den Verkäufern machen, erzählte Sozialarbeiterin Eva Rohrmoser im Gespräch mit wien.ORF.at - mehr dazu in „Augustin“: „Aufnahmestopp bei Verkäufern“ (wien.ORF.at; 12.12.2013).
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Turrini-Theater zum Jubiläum
Die „Augustin“-Verkäufer gehören mittlerweile zum Straßenbild. Die meisten Wienerinnen und Wiener scheinen damit auch kein Problem zu haben. Ein Vorwurf an den „Augustin“ ist jedoch, dass er der so genannten „Bettelmafia“ in die Hände spielen würde. Das wird jedoch entschieden zurückgewiesen: „Es ist in einer gewissen Weise natürlich nachvollziehbar, wenn man herumsitzt und alle fünf Minuten kommt jemand und bietet eine Zeitung an. Wir meinen halt, man sollte doch ein bisschen versuchen, das Ganze gelassen zu betrachten“, so Schachner.
Zum Jubiläum interpretiert die Augustin-Schauspieltruppe „11% K.Theater“ am Samstag um 20.00 Uhr im Kulturcafe 7stern Peter Turrinis Volksstück „Sauschlachten“. Weitere Veranstaltungen zu den Feierlichkeiten „20 Jahre Augustin“ folgen. Hausjell meint, dass die Straßenzeitung - trotz Internet und Konkurrenz - eine gute Zukunft hat: „Es ist ein Phänomen, dass viele die Zeitung kaufen, dann oft nur kurz reinblicken und für sich das Gefühl haben, jetzt haben sie etwas Gutes getan.“
Links:
- Der „Augustin“ kämpft ums Überleben (wien.ORF.at; 30.5.2012)
- Schwere Folgen des „Augustin“-Schwindels befürchtet (wien.ORF.at; 28.9.2011)
- Augustin
- Kulturcafe 7stern