Fernwärme-Prozess: Angeklagter sieht Fehler

Der Prozess wegen angeblicher Preisabsprachen bei der Vergabe von Bauaufträgen durch die Fernwärme Wien (Wien Energie) ist am Montag am Straflandesgericht gestartet. Ein Angeklagter räumte ein, dass manche seiner Handlungen „nicht ganz in Ordnung waren“.

Am ersten Verhandlungstag wurde auch gleich der erste Angeklagte befragt. Der ehemalige leitende Mitarbeiter der Fernwärme räumte ein, dass manche seiner Handlungen im Nachhinein „nicht ganz in Ordnung waren“. Er kam in Erklärungsnot als der Richter von ihm wissen wollte, warum er eine Nachricht an eine Anlagenbaufirma verschlüsselt geschickt hatte - und zum Teil auch nicht von seiner offiziellen Mailadresse aus, sondern als „Franko Cornetto“.

Auf die Frage des Richter, ob es von den Auftragswerbern auch mal kleine Geschenke gegeben hatte, bejahte der Angeklagte dieses. Er erklärte, seine Vorgehensweise von seinem Vorgänger übernommen zu haben. Grundsätzlich merkte Richter Böhm an: „Ich fange mit Ihren Antworten wenig an - aber Sie wahrscheinlich mit meinen Fragen auch.“

Prozess um Absprachen bei Fernwärme. Angeklagte im Gerichtssaal

ORF

Der Staatsanwalt weitete am Montag die Anklage aus

12 Angeklagte bei Prozessauftakt

Auf der Anklagebank im Großen Schwurgerichtssaal fanden sich zwölf Angeklagte ein, ein Angeklagter war aus gesundheitlichen Gründen entschuldigt. Sämtliche Angeklagte, ausschließlich Männer, waren bisher unbescholten. Die Wien Energie, in der die Fernwärme Wien mittlerweile aufgegangen ist, schloss sich als Privatkläger dem Verfahren an.

Die Wien Energie merkte an, dass ein Teil des Schadens bereits zurückgezahlt wurde. Dem Verfahren schloss sich auch ein Mitbewerber mit einer Forderung von rund 54 Mio. Euro an. Sein Vorwurf: Er sei von dem vermeintlichen Preiskartell in die Insolvenz gedrängt worden.

Staatsanwalt: „Die Spitze des Eisberges“

Die von der Staatsanwaltschaft vorgeworfenen Absprachen betreffen ehemalige Mitarbeiter der Wien Energie in den Bezirken 2, 3 und 5. Gleich zu Beginn der Verhandlung erweiterte die Staatsanwaltschaft die Anklage um weitere Absprachen. „Das Verfahren hier ist nur die Spitze des Eisberges“, sagte der Staatsanwalt.

„In keiner Weise durch Beweise begründet“

Die Verteidigung des Erstangeklagten, des Chefs einer Anlagenbaufirma, bezweifelte in ihrer Stellungnahme, dass es sich überhaupt um einen strafrechtliche relevanten Vorwurf handle. Es sei zwar ein Mitarbeiter des Unternehmens über Dinge informiert gewesen, die er von der ausschreibenden Fernwärme gar nicht hätte wissen dürfen, der Erstangeklagte habe diese Informationen aber nicht genutzt. Die Vermutungen, die die Staatsanwaltschaft anstelle, seien „in keiner Weise durch Beweise begründet“, so Verteidiger Martin Nemec. Sein Fazit: Es liege auf keinen Fall eine strafrechtliche Verfehlung vor, er plädiere daher auf Freispruch.

Möglicher Verstoß gegen das Bundesvergabegesetz

Der Verteidiger des Fünftangeklagten ortete sogar bei der Fernwärme sogar einen „krassen Verstoß“ gegen das Bundesvergabegesetz. Die Fernwärme habe ihre marktbeherrschende Stellung ausgenützt, um die Bewerber wechselseitig auszuspielen - und dies widerspreche den Vergabeverfahren. Eine Baufirma, die sich ebenfalls für die Aufträge interessiert habe, sei - möglicherweise bewusst - solange hingehalten worden, bis ihr die Liquidität gefehlt habe.

Keine der Firmen, die um die Aufträge gerittert haben, sei in der Lage gewesen, diese ohne Subunternehmen auszuführen. Gegipfelt habe dies darin, dass es mehr Bewerber als Subfirmen gab, so der Anwalt. Die Wien Energie betonte am Rande des Verfahrens, dass sich das Unternehmen nach Bekanntwerden der Vorwürfe von insgesamt sieben Mitarbeitern getrennt habe.

Die Verhandlung im gut besuchten Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgericht ist vorerst für neun Tage angesetzt und wird am Dienstag fortgesetzt. Für die Betroffenen gilt die Unschuldsvermutung. Die Absprachen soll es bei Aufträgen zum Verlegen von Leitungen seit 2011 gegeben haben. Bei den Ermittlungen der Korruptionsstaatsanwaltschaft waren 14 Personen betroffen - mehr dazu in Fernwärme: Verdacht auf Preisabsprache (wien.ORF.at; 8.11.2013).