16-jähriger IS-Kämpfer festgenommen

Ein 16-jähriger Wiener, der im Vorjahr ins syrisch-irakische Bürgerkriegsgebiet gereist ist, um sich der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) anzuschließen, ist am Dienstag festgenommen worden. Der Lehrling stellte sich freiwillig den Behörden.

Bei seiner Einreise klickten auf dem Flughafen Wien-Schwechat die Handschellen. Der Lehrling, der eine Ausbildung zum Versicherungskaufmann machte, ehe er sich zum Islamisten entwickelte, wurde seit vergangenem Oktober von der Justiz gesucht. Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt gegen ihn unter anderem wegen Mitgliedschaft an einer terroristischen Vereinigung, Ausbildung für terroristische Zwecke und Aufforderung zu terroristischen Straftaten.

Bei Bombenangriff schwer verletzt

Seinen eigenen Angaben zufolge wurde er bei der Schlacht um Kobane vom IS als Rettungsfahrer eingesetzt. „In Österreich habe ich bereits mit der Führerscheinausbildung begonnen, daher konnte ich mit dem Fahrzeug fahren“, gab er zu Protokoll. Seine Aufgabe sei es gewesen, „die Verletzten ins Krankenhaus zu bringen“. Die Eindrücke, die er dabei gewann, sowie die schwere Verletzung, die er später in al-Rakka erlitt, bewogen ihn am Ende dazu, das Kriegsgebiet zu verlassen.

Video Dschihadist

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Der 16-Jährige trat in einem Propagandavideo der IS-Miliz auf

„Nur durch sehr viel Glück habe ich überlebt“, sagte der 16-Jährige seinem Anwalt Werner Tomanek zufolge bei der Beschuldigtenvernehmung im Wiener Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT). „Bei dem Bombenangriff hat er die Milz, eine Niere und einen Lungenflügel verloren“, berichtete Tomanek am Donnerstagnachmittag im Gespräch mit der APA. Der Bursch habe „praktisch seine Eingeweide in der Hand gehabt“.

Noch immer steckten zahlreiche Splitter in seinem Körper, weshalb Tomanek davon ausgeht, dass der Jugendliche nach seiner Überstellung ins Landesgerichtliche Gefangenenhaus, die noch am Donnerstag erfolgen soll, in der dortigen Krankenabteilung aufgenommen wird.

Anwalt: 16-Jähriger will kooperieren

„Er will reinen Tisch machen. Er ist umfassend geständig. Die Einvernahmen vor dem LVT sind bereits abgeschlossen“, skizzierte Tomanek die Verantwortung des 16-Jährigen, der mit den Behörden kooperieren wolle.

Diese interessieren sich vor allem für die Männer, die den Lehrling dazu bewogen hatten, im vergangenen August in den bewaffneten Dschihad zu ziehen, nachdem er erst im Mai zum Islam konvertiert war. Seiner Aussage zufolge wurde der Lehrling „zur Reise verleitet“. Ihm sei in Wien vorgemacht worden, „dass man dort auch ohne zu kämpfen gut leben kann. Ich verstand darunter, dass ich ein Haus habe, eine Frau und Geld bekomme“, hielt der Bursche bei seiner Befragung fest. Man habe ihm erklärt, dass er sich aussuchen könne, ob er kämpfen wolle oder nicht. Er habe Ersteres nie im Sinne gehabt.

Bereits drei Tage nachdem er in Syrien angekommen war, wollte der IS den Burschen aber zum Kämpfen in den Irak schicken. Er habe keine Waffenausbildung erfahren, sei lediglich eine Woche in den islamischen Glaubensgrundsätzen geschult worden, verriet der 16-Jährige den Staatsschützern.

Berufsschule Hans Mandl

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In diese Schule ging der 16-Jährige - seinen Klassenkameraden drohte er per SMS mit dem „Abschlachten“

Rückkehr selbst organisiert

Nachdem er schwer verletzt worden und um ein Haar ums Leben gekommen war, dürfte der 16-Jährige nur noch darauf bedacht gewesen sein, zurück nach Österreich zu gelangen. „Ich wollte nur noch weg aus Rakka“, offenbarte er dem Referat für Staatsschutz im Wiener LVT.

Ende September hatte sich der Bursch, der seinen bürgerlichen Namen abgelegt hatte und sich nun Abu Muktail Al Almani nannte, für drei Wochen im Irak aufgehalten, wo er in Mossul und Tal Afar kämpfen sollte. Weil es ihm dort zu gefährlich war, bat er die lokalen Entscheidungsträger beim IS, wieder nach Syrien gehen zu dürfen, was ihm Ende Oktober genehmigt wurde.

Mit IS-Angehörigen in Türkei gereist

„Ich habe nie aktiv an Kämpfen teilgenommen“, behauptet der 16-Jährige. Weil er an derart starken Schmerzen gelitten habe, habe er in der vergangenen Woche den Bürgermeister von al-Rakka gebeten, ihn in der Türkei ärztlich behandeln zu lassen, berichtete er dem LVT: „Obwohl mein direkter Kommandant dagegen war, durfte ich mit einer Gruppe von IS-Angehörigen in die Türkei fahren.“

In Gaziantep in der Türkei angelangt, organisierte sich der Bursch seine Rückkehr nach Wien, nachdem er Mitte Februar wieder Kontakt mit seinem Vater aufgenommen hatte. Per Bus erreichte er zunächst Istanbul, wo ihm nach längerem Hin und Her ein Notpass ausgestellt wurde, nachdem er ein Flugticket nach Wien vorlegen konnte.

In Propagandavideo mitgewirkt

Die Entscheidung, ob über den Burschen die U-Haft verhängt wird, hat innerhalb von 48 Stunden ab seiner Überstellung in die Justizanstalt Josefstadt zu erfolgen. „Ich hab in meinem Beruf schon einiges erlebt. Aber das, was er zu Protokoll gegeben hat, macht mich teilweise sprachlos“, bemerkte sein Verteidiger Tomanek zum Grundsätzlichen.

Der 16-Jährige hatte über sein Facebook-Profil die Ziele des IS beworben und tauchte auch auf einem Propagandavideo des IS auf, wobei er in Kampfmontur bewaffnet auf den Dächern von al-Rakka posierte - mehr dazu in Wiener Schüler in Dschihadistenvideo. Ehemaligen Mitschülern und „Ungläubigen“ drohte der junge Islamist mit dem „Abschlachten“ - mehr dazu in IS-Drohungen: Psychologen betreuen Schüler. Mittlerweile habe er „all dem abgeschworen. Er ist geläutert“, bemerkte sein Anwalt abschließend.

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