Platzmangel in Wiener Kinderpsychiatrie

Da es zu wenig Platz in der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Wien gibt, wird ein Drittel der psychisch kranken Kinder bei einem Notfall etwa in der Erwachsenenpsychiatrie behandelt. Dort fehlt es laut Patientenanwaltschaft an Know-How.

180 Mal wurde in den Jahren 2013 und 2014 ein Kind bzw. ein Jugendlicher in die Erwachsenenpsychiatrie eingewiesen, weil Plätze in den Kinder- und Jugendpsychiatrischen Abteilungen fehlten. Die Konfrontation mit psychisch kranken Erwachsenen kann für Kinder und Jugendliche sehr belastend sein - mehr dazu in oe1.ORF.at.

Bernhard Rappert vom Vertretungsnetz Patientenanwaltschaft kritisiert, dass „die Erwachsenenpsychiatrie weder über die Ressourcen noch über das spezielle Know-How verfügt. Es gibt kein entsprechendes pädagogisches Angebot, es gibt kein schulisches Angebot.“ Es gäbe außerdem kaum Psychopharmaka, die für jungen Patienten zugelassen sind.

„Minderjährige bekommen aber Psychopharmaka auf der Psychiatrie. Gerade bei Minderjährigen bedarf es aber des langjährigen Know-Hows, betreffend Dosierung und Menge einer Medikation, um das korrekt durchzuführen“, so Rappert gegenüber Ö1.

Zu wenige gepolsterte Auszeiträume

In der Psychiatrie selbst darf im Akutfall die Bewegungsfreiheit eines Menschen eingeschränkt werden, etwa durch Fixierungen am Bett. Rappert: „Es ist auffällig, dass solche Fixierungen an Jugendlichen an der Erwachsenenpsychiatrie deutlich häufiger stattfinden als auf der Kinder- und Jugendpsychiatrie.“

Um etwa Fixierungen zu vermeiden, braucht es laut Charlotte Hartl von der Österreichischen Gesellschaft für Kinder und Jugendpsychiatrie neben der speziellen Ausbildung des medizinischen Personals auch Infrastruktur in Form von Auszeiträumen. „Das sind Räume mit Matten und gepolsterten Bereich, damit sich die Kinder nicht verletzen können“, so Hartl.

In einer Kinder und Jugendpsychiatrischen Abteilung bleibt der Jugendliche gemeinsam mit zwei Betreuungspersonen im Auszeitraum, bis nach der Aufregungsphase die Erschöpfung eintritt. Hartl: „Dann erspart man sich einerseits die Fixierung und andererseits die hochdosierte Medikation.“

120 Plätze fehlen in Wien

Damit aber Kinder und Jugendliche in psychischen Ausnahmesituationen besser versorgt werden können, braucht es dringend einen Ausbau der Spezialabteilungen. Experten sprechen davon, dass allein in Wien zumindest 120 Plätze für Kinder und Jugendliche nötig wären, derzeit gibt es 64 - Akut- und längerfristige Versorgung zusammengerechnet.

Das Gesundheitsministerium spricht davon, dass der aktuelle Zustand unbefriedigend sei, verweist aber auf die Zuständigkeit der Länder. Ein im Regierungsprogramm angekündigtes Konzept für die Kinder- und Jugendpsychiatrie, das heuer fertiggestellt werden sollte, wird bis Ende 2016 brauchen.

Entlastung durch Krankenhaus Nord

Der Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) stellt fest: „Sollte es zu Engpässen in den Kinder- und Jugendpsychiatrischen Abteilungen kommen, sind wir dennoch in Akutsituationen dazu verpflichtet, die Minderjährigen medizinisch zu versorgen. Das wäre dann etwa die Betreuung und Unterbringung in einer ‚Erwachsenen‘-Psychiatrie. Die Versorgung dort ist immer nur kurzfristig und im Rahmen einer Notsituation zu verstehen.“

Eine Entlastung erhofft man sich vom Krankenhaus Wien Nord, in dem bis 2017 weitere 30 Betten in der Kinder- und Jugendpsychiatrie entstehen sollen. Das wäre aber noch immer nicht von Experten geforderte Bettenzahl - mehr dazu in KH Nord um 95 Mio. Euro teurer (wien.ORF.at; 30.6.2015).

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