Vienna Greeters: Gratis Stadtführungen

Wien abseits der Touristenziele und Lieblingsplätze der Einheimischen entdecken: Die Vienna Greeters spazieren mit Touristen kostenlos durch die Stadt. Konkurrenz für Fremdenführer sieht die Wirtschaftskammer nicht.

Durch den Adlerhof in der Siebensterngasse, vorbei an der St. Ulrichs-Kirche zum Schottendurchhaus - das die Neustiftgasse und die Lerchenfelderstraße verbindet - führt der Spaziergang durch den siebenten Bezirk mit Jonathan Irons. Dabei erzählt er Geschichten über die Gebäude und Geschäfte. Versteckte Innenhöfe, Durchhäuser und kleine Gassen haben es dem gebürtigen Engländer in seinem Grätzel angetan.

Seine Lieblingsorte in Wien teilt er gerne mit anderen Menschen. Irons ist einer von 67 Freiwilligen, die mit fremden Menschen durch Wien kostenlose Spaziergänge machen. Diese sind meist auf Deutsch und Englisch, teilweise auch auf Italienisch, Französisch und Russisch. Die Vienna Greeters sind Teil eines weltweiten sozialen Netzwerkes. Die Idee der Greeter entstand in den frühen 90er Jahren in New York. Mittlerweile finden die persönlichen Spaziergänge in über 100 Städten statt.

Vienna Greeters

ORF/Laura Schrettl

Die Vienna Greeters-Gründer Daniel Frankl und Jonathan Irons

Durchschnittlich zehn Anfragen pro Woche

Die Idee dabei ist, nicht die typischen Sehenswürdigkeiten einer Stadt kennenzulernen, sondern einen zwei- bis dreistündigen Spaziergang abseits der üblichen Pfade zu erleben. „Es kommen nicht nur Anfragen von Individualtouristen, sondern es ist eine sehr durchmischte Gruppe, Leute die nicht die 08/15 Tour wollen. Hauptsächlich sind es die Jungen und die Älteren ab 40 und Rentner“, sagt Irons. Leute aus der ganzen Welt wenden sich an die Greeter, der größte Teil komme jedoch aus dem deutschsprachigen Raum.

Auf der Onlineplattform der Vienna Greeters können sich Touristen für einen Spaziergang melden. Rund zehn Anfragen erhalten sie durchschnittlich in einer Woche. Einmal wöchentlich werden die Anfragen gesammelt und an die Greeter verschickt. Diese können sich dann einen Touristen aussuchen, bisher sei es sich immer gut ausgegangen. Man musste zwar schon Touristen absagen, aber meistens wegen zu kurzfristiger Anfragen.

„Mit jemandem durch die Stadt zu gehen, der hier lebt, hat etwas Persönliches, Geheimes – man erlebt das ‚echte Wien’“, sagt Irons. Sein Partner, Daniel Frankl meint, dass 50 Prozent des Konzeptes ausmacht, das man mit einer Person spazieren geht, quasi einen echten Wiener trifft. „Die Leute sind glücklich wenn sie mit jemandem intimere Gespräche haben können, das geht mit einem Reiseführer nicht", sagt Frankl.

Beweggründe: Spaß, fremde Leute und Sprachen

Warum Irons seine freie Zeit fremden Menschen schenkt und das ohne Bezahlung: „Weil es mir Spaß macht und weil ich meine Stadt dadurch besser kennen lerne“. Frankl ist gebürtiger Wiener: „Ich möchte Leute aus aller Welt kennenlernen und die Stadt immer wieder neu entdecken.“ Laut den Beiden sind die Beweggründe vieler Greeter: Neue Leute kennen zu lernen, eine Sprache zu verbessern und der Gesundheitsaspekt, dass man draußen spazieren geht. „Es ist ja nicht so, dass man nichts davon hat“, meint Frankl.

„Die Transaktion ist bei uns nicht Geld sondern Kommunikation und davon haben beide Beteiligten etwas“, sagt Irons. Trotzdem würden ihnen viele Leute mit Skepsis und Unglauben begegnen, da sie kein Geld verlangen.

WKO sieht in Greetern keine Konkurrenz

Da die Spaziergänge ehrenamtlich angeboten werden, ist das Konzept der Greeter für Gertraud Schmidt, Fremdenführerin und Obmann-Stellvertreterin der Fachgruppe Freizeit der Wirtschaftskammer Wien in Ordnung. Konkurrenz sieht sie in den Greetern nur zu einem bestimmten Grad. „Da muss man schon einen Unterschied machen zwischen gutausgebildeten, zertifizierten Personen und Leuten die es einfach aus Begeisterung machen."

Sie sieht die Spaziergänge der Greeter mehr als Zusatzprodukt für Touristen. Außerdem glaubt Schmidt, dass das Konzept eher auf Menschen abzielt, die neu nach Wien gezogen sind.

„Die Spaziergänge der Greeter sind etwas persönliches, sie umfassen nur den intimen Rahmen des Greeters. Dieser interessiert sich für etwas in seinem Grätzel, bei mir geht es darum was der Kunde will und nicht was ich will", sagt Schmidt. Dass die Touren eines Stadtführers unpersönlicher seien, als die eines Greeters, findet Schmidt nicht. „Ich bin meistens nur mit zwei bis vier Leuten am Weg, das ist maßgeschneidert zugeschnitten, aber nicht auf meine Komfortzone, sondern auf die der Personen und das kann ein Greeter nicht bieten", sagt Schmidt.

Innenhof

ORF/Laura Schrettl

67 Freiwillige bieten Gratis-Spaziergänge durch Wien

Irons war bereits vor einigen Jahren zweimal Teilnehmer bei den Spaziergängen in New York. Mit Beginn dieses Jahres haben Irons und Frankl mit drei anderen Freiwilligen den Verein in Wien gegründet. „Es gibt viele Menschen in Wien die ihre Stadt herzeigen möchten“, sagt Irons. Mittlerweile haben sich 67 Freiwillige gemeldet, hauptsächlich Studenten und Rentner. Die Greeter sind bereits 100-mal in Wien mit Touristen spazieren gegangen. „Im Sommer hatten wir sogar mehr Greeters als Touristen“, sagt Irons.

"Viele Leute haben die Vorstellung, dass es ein Fulltime Job ist, aber das ist es nicht. Ein Greeter sollte zumindest sechsmal im Jahr einen Greet machen“, sagt Irons. „Wenn jetzt neue Greeter dazukommen, dürfen sie keine hohen Erwartungen haben, da wir derzeit mehr Greeter als Anfragen haben“, sagt Frankl. Sie ziehen einen Aufnahmestopp in Erwägung, damit die derzeitigen Freiwilligen überhaupt Spaziergänge machen können.

Laura Schrettl, wien.ORF.at

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