Haderer: „Pension, was ist das bitte?“

Gerhard Haderer bekommt für sein „oft subversives, bissiges Werk“ den Österreichischen Kabarett-Sonderpreis verliehen. Der 65-jährige Karikaturist kündigte an, auch weiterhin aktuelle Ereignisse mit Zeichnungen kräftig zu kommentieren.

Neben Thomas Maurer, Lisa Eckhart sowie Hosea Ratschiller und RaDeschnig gehört Gerhard Haderer zu den Gewinnern des Österreichischen Kabarettpreises. Haderer bekommt den Sonderpreis, genauso wie vor ihm unter anderem Manfred Deix (2012) oder Werner Schneyder (2014). Seine Zeichnungen bezeichnet die Jury als „erhellend, erregend und erheiternd“, wobei der Karikaturist seit Jahrzehnten für ein „oft subversives, bissiges Werk“ stehe - mehr dazu in Kabarettpreis geht an Thomas Maurer.

wien.ORF.at: Kann der Österreichische Kabarettpreis als Auszeichnung für das Lebenswerk gesehen werden?

Jetzt bin ich schön langsam in einem Alter, wo man so etwas wie ein Lebenswerk zumindest im Mund führen würde. Ich glaube, es hat etwas damit zu tun, dass man die Jahre über kennengelernt hat, wofür dieser Zeichner steht. Und dass das meine Sprache ist, mit der ich mich zu Österreich äußere, egal in welchen Gazetten oder Zeitungen, auch im Ausland. Ich habe noch nie etwas anderes gemacht, als mich über Österreich zu äußern. Also glaube ich, dass der Österreichische Kabarettpreis eine schöne Auszeichnung ist.

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Haderer zählt zu den bedeutendsten satirischen Zeichnern in Europa

wien.ORF.at: Sie haben einmal gesagt, dass Sie unter anderem deshalb Zeichnen, um Aggressionen abzubauen. Ist das noch immer so?

Das wird wahrscheinlich schon so sein. Wenn man dieses Ventil aufmacht, wenn der Druck im Kopf zu groß wird, dann fühlt man sich besser. Das ist eine ständige Therapie, die man durch seine Kunst laufen hat. Man hat zumindest die Möglichkeit, die Umstände in denen man sich befindet, nicht kommentarlos runterzuschlucken zu müssen. Es ist dieses Ventil, sich Gedanken zu machen und Aussagen zu treffen, die etwas mit der eigenen Position zu den Vorgängen zu tun hat - mehr dazu in Karikaturen gegen Depressionen.

wien.ORF.at: Ihre Waffe ist noch immer der Stift, Stichwort „Charlie Hebdo“, ist das momentan wichtiger denn je?

Auf jeden Fall ist das wichtig, dass alle Menschen in unserer Demokratie, je nachdem welche Mittel und Möglichkeiten sie zur Verfügung haben, sich zu Wort melden. Dass sie ihre eigenen Befindlichkeiten einbringen, dafür sind wir da. Wir dürfen uns nicht in eine passive Rolle begeben. Die Umstände dafür sind jetzt zusehends schwieriger. Sich verantwortlich Gedanken zu machen und die auch auszudrücken verlange ich nicht nur von mir, sondern von allen Künstlern, denen zugehört wird.

Zur Person:

Gerhard Haderer wurde 1951 in Leonding geboren. Nach der Fachschule für Gebrauchs- und Werbegrafik in Linz arbeitete er als selbständiger Grafiker und Zeichner. Seit 1985 veröffentlicht er seine Karikaturen im Profil, seit 1991 im stern. Mit MOFF. startete er 1997 sein eigenes Comic-Heft. Zu Haderers Werk zählen außerdem knapp 30 Bücher.

wien.ORF.at: Es gibt oft die Kritik, dass sich Künstler nicht äußern, wenn weltpolitisch etwas Großes passiert. Wie sehen Sie das? Müssen Künstler das tun?

Es ist absolut notwendig, dass man sich zu Ereignissen, die ganz große Themen mit sich bringen, auch äußert. Speziell dann, wenn man ein Forum hat und eine Sprache gefunden hat, die andere Menschen auch hören. Dann ist es nicht zulässig, dass man sich in solchen Situationen in Neo-Biedermeier zurückzieht, in einen künstlerischen Elfenbeinturm. Sich zu äußern und dafür eine Sprache und verantwortliche Ausdrucksweise zu finden, ist die Aufgabe eines jeden Künstlers. Denn es ist auch der Rückzug aus dieser Haltung eine politische Haltung. Das würde bedeuten, dass man sich zurückzieht und dadurch noch stummer wird.

wien.ORF.at: Die damit verbundene Gefahr sollte man in Kauf nehmen?

Wir sind unglaublich verletzlich in unserer Gesellschaft. Wir können auf die Bedrohungen, die uns entgegenstehen, nicht mit kriegerischen Strategien antworten. Sondern wir müssen diese Offenheit als Qualität sehen und sie mehr pflegen.

wien.ORF.at: Wie wichtig ist für Sie das „Schundheft“ MOFF.?

Mit dem Begriff Schundheft wird natürlich kokettiert, das ist keine Frage. Für mich persönlich hat es eine ganz wichtige Funktion, weil ich sehr häufig opulente Bilder male. Dieses Überprüfen der eigenen künstlerischen Kreativität mit einem weißen Stück Papier und einem Stift ohne weitere Hilfsmittel, das ist das Projekt MOFF.. Das geht sprachlich und auch zeichnerisch an die Basis der Comics und Karikatur.

wien.ORF.at: Und man muss schnell auf aktuelle Ereignisse und neue Personen reagieren...

Man muss es nicht, sondern man macht das. Das ist wie ein Gespräch, das man unter Freunden führt. Wenn man diese Unmittelbarkeit hat, dass man ein Medium wie das MOFF. zur Verfügung hat, wo es keine große Strategien gibt und auch keine Verpflichtung an der Aktualität sich abzuarbeiten, dann unterhält man sich im Plauderton, wie man sich mit Freunden unterhält. Diese Ursprünglichkeit ist es, was mein „Herzblatt“ MOFF. ausmacht.

Ausstellungshinweis:

Think Big! von Gerhard Haderer, bis 20. November 2016, Karikaturmuseum Krems - mehr dazu in noe.ORF.at.

wien.ORF.at: Was zeigen Sie in Ihrer aktuellen Ausstellung im Karikaturmuseum Krems ,mit dem Titel „Think Big!“?

Das ist im Grunde eine Sammlung im Karikaturmuseum Krems, die vom Land Niederösterreich angekauft wurde. Ich freue mich sehr für die Szene, dass es dieses Haus gibt. Es werden die Bilder gezeigt, die in der Sammlung vorhanden sind und zusätzlich auch noch großformatige Ölgemälde. Das wollte ich ausprobieren. Diese Spannung zwischen dem sehr einfachen Strichcomic und der opulent gemalten Barockmalerei ist es, was mich künstlerisch interessiert und lebendig hält.

wien.ORF.at: Nach dem Tod von Manfred Deix hatte man das Gefühl, dass Karikaturen hier sehr beliebt sind. Sind sie das?

Ich bin nicht überzeugt, dass das immer nur Liebe ist. Aber wenn man über die Zeit schaut, in der man als Kabarettist oder Karikaturist auftritt, wird man schon umärmelt und umarmt. Weil man nicht nur attackiert, sondern man bestätigt auch die Sichtweise von vielen Menschen, die ähnliche Gedanken haben. Es gibt da so etwas wie ein Restgewissen, das alle Menschen haben. Und dieses Restgewissen wird eben bedient von unsereins.

Dadurch haben wir natürlich einen Sympathiebonus. Es ist aber nur nicht nur das, sondern das „sowohl als auch“, diese österreichische Ambivalenz spielt auch eine große Rolle. Ausschließlich Liebe gibt es nicht, das kann man sich beim Beispiel Manfred Deix auch nicht vorstellen. Was mich persönlich angeht, kenne ich auch Reaktionen, die sind entweder Liebe oder Hass, etwas dazwischen gibt es nicht. Man wird bekämpft für das was man macht, aber auch geschätzt.

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Die Kabarettpreisträger 2016: Gerhard Haderer, Lisa Eckhart, Thomas Maurer, Hosea Ratschiller und Birgit und Nicole RaDeschnig

wien.ORF.at: Sie haben einmal gesagt, Ihre Zeichnungen kommen gut bei Frauen an. Ist das noch immer so?

Das ist wirklich so und hängt vermutlich damit zusammen, dass ich immer so eine Ebene für mich persönlich entwickelt habe, die ohne Brachialhumor wie der von Mario Barth auskommt. Ich mache keine Schenkelklopfer-Cartoons, sondern suche diese feineren Töne. Hin und wieder ist es wirklich so, dass ich von Frauen schallenden Zuspruch bekomme.

wien.ORF.at: Gibt es genug Nachwuchs bei Karikaturisten?

Das glaube ich nicht, dass es genug gibt. Es gibt gerade in Österreich wieder grandiose Leute, aber der Nachwuchs müsste erst wieder kommen von den Zwanzigjährigen. Da müsste man erst schauen, ob nicht möglicherweise das Medium wechselt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es Printmedien gibt, die verlockend genug sind, für junge, talentierte Menschen.

Außerdem hat auch dieser Begriff Karikaturist ein Stigma erfahren, seit den Entwicklungen in Paris bei Charlie Hebdo. Nicht jede 16-jährige begabte Zeichnerin hat auch nur den Wunsch Karikaturistin zu werden. Da hat sich wirklich etwas verändert. Diese Sichtweise ist eine wesentlich andere geworden in den vergangenen zwei Jahren.

wien.ORF.at: Werden Sie einmal in Zeichnerpension gehen?

Den Begriff Pension müssen Sie mir einmal erklären, was ist das bitte? Solange ich mich äußern kann, werde ich das in der Sprache machen, die meine kräftigste ist und das ist das Zeichnen und Malen. Dabei bleibe ich.

wien.ORF.at: Was soll später auf Ihrem Grabstein stehen?

Diese Frage habe ich befürchtet und ich habe mir vorgenommen Sie nie zu beantworten.

Das Interview führte Florian Kobler, wien.ORF.at

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