Wählen trotz Obdachlosigkeit

Das Wahlrecht ist in Österreich eng an den Wohnsitz geknüpft, doch was, wenn man diesen verliert? Die MA 62 klärt über Wahlmöglichkeiten für Obdachlose auf. Für Betroffene ist es jedoch oft schwer, diese wahrzunehmen.

Bei der Austragung einer Wahl können Pannen passieren, aber daran teilzunehmen ist ganz einfach. Vor einer Wahl bekommt jeder österreichische Staatsbürger ab 16 Jahren ein Informationsblatt zugeschickt, in dem der Wahltermin und das zuständige Wahllokal vermerkt sind. Ist man zum angegebenen Termin nicht zu Hause, kann man eine Wahlkarte beantragen und im Vorfeld per Briefwahl wählen. Doch was tun, wenn man kein zu Hause hat?

Otto Gmoser von der MA 62

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Otto Gmoser von der MA 62 erklärt, wie Obdachlose wählen können

MA 62 stellt Wahlhilfe für Obdachlose bereit

Menschen können durch verschiedene Umstände ihre Unterkunft verlieren, aber ihr Wahlrecht verlieren sie dabei nicht, so Otto Gmoser von der MA 62, der Magistratsabteilung für Wahlen. „Sofern sie sich im Melderegister als obdachlos mit einer Hauptwohnsitzbestätigung registrieren lassen, werden sie auch automatisch in die Wählerevidenz eingetragen und sind bei Wahlen wahlberechtigt“, sagt der Beamte im „Wien heute“-Interview.

Information

Eine Hauptwohnsitzbestätigung belegt, dass sich der Lebensmittelpunkt einer Person in einem bestimmten Bezirk befindet, nicht an einer bestimmten Adresse. Zusätzlich kann eine Kontaktadresse - die Anschrift einer Sozialeinrichtung etwa - als Postadresse angeben werden.

Alternativ kann man sich auch mittels eines Berichtigungsverfahrens in die Wählerevidenz eintragen lassen. An wen man sich für genauere Informationen darüber wenden kann, wird auf Wahlhilfeblättern speziell für Obdachlose erläutert. Diese werden von der MA 62 angefertigt und in Zusammenarbeit mit dem Fonds Soziales Wien an Hilfseinrichtungen und Betroffene verteilt.

Dennoch soll die Wahlbeteiligung unter obdachlosen Menschen nach Schätzungen der MA 62 und des Wiener Roten Kreuzes nicht sehr hoch sein. Die Gründe dafür sind vielfältig.

Wahlhilfe für Obdachlose: Bezirksvertretungswahl im 2. Bezirk

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Solche Wahlhilfen werden auch für die Bundespräsidentschaftswahl gefertigt

Weniger als ein Drittel wahlberechtigt

Das Rote Kreuz gibt an, dass im vergangenen Jahr mehr als 10.000 Menschen die Einrichtungen der Wiener Wohnungslosenhilfe in Anspruch genommen haben, etwa 4.300 davon die Notschlafstellen. Doch bei der Bundespräsidentschaftswahl im Mai 2016 waren nur 2.769 wohnungslose Wienerinnen und Wiener durch eine Hauptwohnsitzbestätigung oder ein Berichtigungsverfahren in der Wählerevidenz eingetragen. Wie viele davon tatsächlich zur Urne gingen, wird von der MA 62 nicht erhoben.

Sendungshinweis

„Wien heute“, 13. Oktober, 19.00 Uhr, ORF2

Ein großer Teil der obdachlosen Bevölkerung ist trotz Hauptwohnsitzbestätigung nicht in Österreich wahlberechtigt, da er nicht über eine österreichische Staatsbürgerschaft verfügt. Die übrigen Wahlberechtigten unter ihnen haben oft andere Sorgen als die politischen Vorgänge des Landes, sagt Eliane Gut vom Roten Kreuz. „Sie sind mehrheitlich damit beschäftigt, einen Schlafplatz zu finden, Arbeit zu finden - und sich mit Wahlen auseinanderzusetzen, denke ich, haben sie eher weniger Energie dafür.“

Eliane Gut stv Leitung von "das Stern"

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Eliane Gut kümmert sich im Auftrag des Roten Kreuzes um akut Obdachlose

Wählerverzeichnis erweitert

Derzeit sind über 3.000 obdachlose Wienerinnen und Wiener in der Wählerevidenz eingetragen. Dank der kürzlich beschlossenen Verschiebung des Stichtags auf den 27. September 2016 und der damit einhergehenden Erweiterung des Wählerverzeichnisses können diese Menschen nun auch bei der verschobenen Bundespräsidentschaftswiederholungswahl am 4. Dezember mitstimmen. Wie viele es tatsächlich tun werden, bleibt offen - mehr dazu in Verschiebung soll Reform folgen (news.ORF.at).

Theresa Loibl, wien.ORF.at

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