Menschenhandel am Bau: Prozess vertagt

Im Wiener Straflandesgericht hat heute ein Prozess um Menschenhandel auf Baustellen begonnen. Über Wochen sollen rumänische Arbeiter ausgebeutet worden sein. Weil Angeklagte nicht erschienen, wurde der Prozess jedoch vertagt.

Zwei der fünf Angeklagten erschienen am Montag nicht vor Gericht. Der Prozess wurde daher nach einer halben Stunde vertagt, fortgesetzt wird er am 8. November. Sollten die Männer - dabei handelt es sich um den Chauffeur und den Quartiergeber der Arbeiter - im November erneut nicht vor Gericht erscheinen, werden sie polizeilich vorgeführt.

Angeklagt ist eine mutmaßliche Bande, die Rumänen mit falschen Versprechungen nach Wien gelockt und auf Baustellen in Wien und Niederösterreich wochenlang ausgebeutet haben soll. Den fünf Männern im Alter zwischen 43 und 70 Jahren drohen wegen Menschenhandels zwischen sechs Monaten und fünf Jahren Haft.

Wochenlang keinen Lohn erhalten

„Unseres Wissens handelt es sich dabei um den ersten Fall, wo von einem Strafgericht über Menschenhandel verhandelt wird, der zum Zweck der Ausbeutung in der Bauwirtschaft betrieben wurde“, so Stefan Zingerle von der Beratungsstelle MEN VIA, die seit 2013 im Auftrag des Sozialministeriums männliche Betroffene von Menschenhandel betreut. Grundsätzlich sind laut Zingerle solche Fälle im Niedriglohnsektor keine Seltenheit: „Speziell in der Bauwirtschaft, wo ein hoher Kostendruck herrscht, kommt es wiederholt vor, dass Arbeiter nur einen Teil ihres Lohns bekommen.“

Den Rumänen wurde im konkreten Fall ein monatlicher Verdienst von 1.200 Euro zugesichert. Die Männer landeten ab 20. September 2015 auf Baustellen in Wien und Tulln, wo sie dann jedoch über Wochen hinweg keinen Lohn bekamen. Die 200 Euro, die ihnen insgesamt für ihre Verpflegung zugesteckt wurden, reichten bei weitem nicht für eine menschenwürdige Versorgung mit Essen und Trinken aus. „Sie haben richtigen Hunger gelitten“, so Zingerle.

Mit Drohungen zum Arbeiten gezwungen

Als sich die Unzufriedenheit der ausgebeuteten Männer immer mehr bemerkbar machte, wurden sie dem Strafantrag der Staatsanwaltschaft Wien zufolge an einen anderen Bauleiter vermittelt, der sich ebenfalls nicht an seine Zusagen hielt. Vielmehr wurden die Betroffenen mit Drohungen eingeschüchtert und zum Weiterarbeiten bewogen: „Vergesst nicht, dass ihr zu Hause Familien habt“, „Gemeinsam mit meinen Freunden werde ich dich finden und erledigen“.

Angeklagt sind nun neben dem Chauffeur und dem Quartiergeber auch zwei Bauherren und ein Mann, der die Arbeiter nach Wien gebracht hatte. Einer der Bauherren fungierte als Übersetzer und „Aufpasser“, der die Männer ständig - auch nach Feierabend - kontrolliert und überwacht haben soll. Der Unterkunftgeber wiederum soll ihnen vorübergehend ihre Pässe abgenommen und sie auf eine Baustelle in Floridsdorf gebracht haben, wo er sie laut Anklage zwang, ihre „Mietschulden“ abzubauen.

Absturz aus sechs Meter Höhe

Auf der Floridsdorfer Baustelle kam es am 25. November zu einem Arbeitsunfall. Einer der Männer stürzte von einem Dach sechs Meter in die Tiefe und zog sich dabei Verletzungen zu. Obwohl der Arbeiter vorübergehend sogar das Bewusstsein verlor, wurde keine Erste Hilfe geleistet und kein Rettungsdienst verständigt. Erst nach Feierabend durfte der Mann von seinem Quartier aus die Rettung anrufen und sich in Behandlung begeben, weswegen sich ein Angeklagter auch wegen unterlassener Hilfeleistung verantworten muss.

Im Licht dieser Vorgänge suchten fünf Betroffene um Beistand und nahmen die Hilfe von MEN VIA in Anspruch. Sie wurden vorübergehend in einer Schutzwohnung untergebracht und werden seither von der Einrichtung des Männergesundheitszentrums betreut. Der Großteil von ihnen lebt mittlerweile nicht mehr in Österreich, alle fünf wollen als Zeugen aussagen. Sollte es zu Schuldsprüchen kommen, hoffen sie, als Privatbeteiligte zumindest einen Teil des Geldes zugesprochen zu bekommen, dessentwegen sie sich auf den Weg nach Österreich gemacht hatten.

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