Albertina zeigt „Hype der Jahrhundertwende“

Ein bisher wenig beleuchtetes Kapitel der Wiener Moderne wird seit Mittwoch in der Albertina in den Fokus gerückt: Die Ausstellung „Der Farbholzschnitt in Wien um 1900“ ist bis 15. Jänner zu sehen.

Den „Ball in die Luft geworfen“ und damit das Vorhaben angestoßen hat Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder zufolge Tobias Natter, der gemeinsam mit Eva Michel die Schau kuratierte. „Hier bei uns gibt es ja keine Box, auf der steht: ‚Farbholzschnitt‘.“ Damit verwies Schröder auf die notwendige Recherchearbeit, um die entsprechenden Exponate im Haus zu identifizieren, zu heben und zu versammeln. „Und was dabei aus den Beständen zutage gebracht worden ist, gibt es so nicht noch einmal“, sagte Schröder am Dienstag bei der Presseführung.

Fokus auf den künstlerischen Ansatz

Naturgemäß spielt die Secession eine zentrale Rolle, wobei der um 1900 aufkommende Farbholzschnitt bisher stets „im Schatten des Dreigestirns“ gestanden sei, sagte Natter mit Bezug auf die großen Namen Klimt, Schiele und Kokoschka, die sich selbst mit dieser Technik kaum bis gar nicht auseinandergesetzt hätten. Anders ihre Kollegen wie Koloman Moser und Carl Moll, denen man nun schon nach den ersten Schritten der Schau begegnet.

Veranstaltungshinweis

„Der Farbholzschnitt in Wien um 1900“, 19. Oktober bis 15. Jänner, Tietze Galleries, Albertina, Albertinaplatz 1, 1010 Wien, täglich 10.00 bis 18.00 Uhr, mittwochs bis 21.00 Uhr.

In der Schirn Kunsthalle Frankfurt konnten Interessierte bereits in diese Bilderflut eintauchen, dort war die Schau mit einer unterschiedlichen Werkauswahl bis vor zwei Wochen zu sehen. Die Albertina habe nun aber einen etwas anderen Zugang gewählt, wie Schröder am Dienstag bei der Presseführung erläuterte. Sei in Frankfurt stärker die Technik im Vordergrund gestanden, fokussiere man mit den in Wien zu sehenden hundert Objekten auf das Bild selbst, auf den künstlerischen Ansatz. Zudem stammen sämtliche Werke aus der eigenen Sammlung, die er so „neu entdecken“ konnte.

Bezüge zu Vorlagen aus Japan

Es sind geradezu idealisierte Landschaften und Stadtansichten, die etwa Moll mit der lange vernachlässigten Technik umgesetzt hat. Nachdem in den Jahrzehnten davor der Holzschnitt allen voran für Medien wie Zeitungen eine Rolle spielte, um dem laut Natter „nicht zu stillenden Hype nach Illustration“ gerecht zu werden, hatte spätestens das Aufkommen der Fotografie hier eine einschneidende Bedeutung. „Damit wurde der Farbholzschnitt wieder frei, um künstlerisch entdeckt zu werden“, so Natter.

Bezüge zu Vorlagen aus Japan sind ebenso zu entdecken wie zum Norweger Edvard Munch. Die Breite der Arbeiten ist beeindruckend, wie die Schau in sechs Räumen zeigt: Wo Moll in das verschneite Wien der Jahrhundertwende lockt, wird der Gang durch den zentralen Abschnitt dank Ludwig Heinrich Jungnickel zum abstrahierten Zoobesuch. Seine Tierbilder, von Aras über Flamingos und Löwen bis zu Tigern und Panthern, sind kunstvoll gestaltet, dabei aber ihrem Hintergrund enthoben, den Jungnickel ganz simpel weiß beließ.

Keine Künstlerinnen vertreten

Einen romantischen Blick auf Berglandschaften warf Josef Stoitzner, der in der Pinzgauer Heimat seiner Frau Vorlagen fand und die Alpen einmal in abendliches Rot, einmal in klirrendes Weiß kleidete. „Von fremden Ländern“ erzählen Werke Carl Mosers, Karl Anton Reichel hat mit seinen Aktstudien einen deutlich direkteren Zugang gewählt, und Franz von Zülow lässt im abschließenden Raum den Farbholzschnitt schließlich in seine Elemente zerfallen. Mit dem von ihm angewendeten Papierschnittdruck nutzte er die Abstraktion für ganz eigenwillige Schwerpunkte.

Dass in der Schau (im Unterschied zu Frankfurt) keine Künstlerinnen vertreten sind, erklärte Schröder mit dem Fokus auf die eigene Sammlung und deren Geschichte. So würden sich viele Frauen in der angewandten Kunst wiederfinden, waren allerdings in den entsprechenden Zeit weniger mit Kunstbildern vertreten und folglich auch nicht in den Beständen der Albertina. Aktuell versuche man gerade, entsprechende Bilder zu erwerben, um diese Lücke zu schließen. Für Natter steht ohnedies fest: „Ab jetzt werden wir über den österreichischen Farbholzschnitt sehr viel mehr zu sprechen haben.“

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