„Stadt ohne Juden“: Film vor Vervollständigung

Bisher verloren geglaubte Passagen des österreichischen Stummfilms „Die Stadt ohne Juden“ sind in den Bestand des Filmarchiv Austria übergegangen. Nun bittet das Filmarchiv um finanzielle Unterstützung zur Restaurierung.

Das Filmmaterial, welches zufällig auf einem Pariser Flohmarkt entdeckt worden ist, wurde von einem Sammler an das Filmarchiv Austria übergeben. Mit dem Material „lässt sich der Film nun komplett vervollständigen“, erzählt Ernst Kieninger, Direktor des Filmarchiv Austria, gegenüber wien.ORF.at. Um dieses Filmdokument vor dem Verfall zu retten, muss es zunächst restauriert werden. Der erste Schritt dazu sieht eine Übertragung des Materials von einem beschädigten Nitrofilm auf ein modernes Trägermaterial vor. Das Nitromaterial weist starke Zersetzungserscheinungen auf, was auf das Alter des Films zurückzuführen ist.

Dieses aufwendige und kostenintensive Projekt kann nicht aus dem laufenden Budget finanziert werden, heißt es beim Filmarchiv Austria. Daher habe man sich dazu entschlossen, die Zivilgesellschaft im Rahmen einer Crowdfunding-Initiative um Unterstützung zu bitten. „Eine Summe von 75.000 Euro muss erreicht werden, um die Grundsicherung des gesamten analogen Materials zu ermöglichen“, erklärt Kieninger.

Historischer Film mit Bezug zur Gegenwart

Unter dem Leitspruch „Save the Past for the Future“ wird am 22. Oktober das Projekt zur Rettung der Filmaufnahmen im Rahmen der Viennale präsentiert. „Stadt ohne Juden“ ist als „weltweit erster Film zu bezeichnen, der das Thema Judenvertreibung andeutet und die damit verbundenen wirtschaftlichen Folgen zeigt“, so Kieninger. In den Filmaufnahmen ist die Geschichte des jüdischen Lebens und des Antisemitismus Anfang des 20. Jahrhunderts in Wien zu sehen.

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Filmrettung: Die Stadt Ohne Juden

In diesem Beitrag sprechen Ernst Kieninger und Nikolaus Wostry, Direktor und Geschäftsführer des Filmarchiv Austria, über das Projekt.

Copyright: Filmarchiv Austria

Nach Fertigstellung der Restaurierungsarbeiten könnte der Film, über 90 Jahre nach der Erstaufführung, erstmals wieder in einer nahezu vollständigen Fassung präsentiert werden. Der fehlende Schlussteil und die berühmte Szene mit Hans Moser als aufbrausendem Antisemiten sind erstmals komplett überliefert. „Stadt ohne Juden ist nicht nur ein Stück Filmgeschichte, sondern auch ein Stück Zeitgeschichte“, betont Kieninger. Gerade „aus heutiger Sicht“, bei der aufkommenden Ausländerfeindlichkeit, sei der Film „mehr aktuell denn je“.

Film mit „politischem Engagement“

Der Stummfilm wurde 1924 nach einer Romanvorlage des jüdischen Schriftstellers und Journalisten Hugo Bettauer in Wien gedreht und zählt zu den bedeutendsten Werken der österreichischen Filmgeschichte, insbesondere während der Zwischenkriegsjahre. Der Film von Hans Karl Breslauer berichtet von der kulturellen und wirtschaftlichen Verarmung einer Stadt nach Vertreibung der jüdischen Bevölkerung.

Für Nikolaus Wostry, Geschäftsführer des Filmarchiv Austria, ist „Stadt ohne Juden“ ein ganz besonderer Stummfilm, „es ist ein politisch engagierter Film. Der Autor der Romanvorlage, Hugo Bettauer, wurde etwa ein Jahr nach der Premiere des Films ermordet.“

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