Bakary Jassey: Buch über Folter

2006 ist Bakary Jassey von Polizisten misshandelt worden. Die Beamten wurden schuldig gesprochen, die Republik entschuldigte sich bei Jassey. Er schildert nun in einem Onlinebuch seine Sicht der Ereignisse.

„Wie es sich zugetragen hat - Ein Erlebnisbericht aus meiner Sicht“ nennt Jassey seine Schilderungen. In acht Kapiteln stellt er die Ereignisse dar, von der Misshandlung in einer Lagerhalle im Frühjahr 2006 bis zur Freilassung im August 2006.

„Ich habe heute noch jede Nacht Alpträume, in denen ich mich unsicher und hilflos fühle. In denen ich brutal gefoltert, mit dem Polizeibus angefahren und mit tödlichen Schmerzen im Stich gelassen werde. In manchen Nächten kann ich gar nicht schlafen, weil ich ständig daran denken muss. Ich leide noch immer unter starken Schmerzen, und nur Gott weiß, wann ich endlich wieder Teil der Gemeinschaft sein werde“, fasst er am Ende zusammen.

Bakary Jassey

APA/Georg Hochmuth

Bakary Jassey schildert in einem Buch die Misshandlung und die Folgen

Schläge und Tritte mit Stiefeln

Zu den Misshandlungen in der Lagerhalle schreibt Jassey unter anderem: „Schläge trommelten auf mich ein. Es hörte nicht auf und fühlte sich wie eine Ewigkeit an. Meine Stimme war weg, ich konnte nicht mehr um Erbarmen flehen. Ein extrem harter Punch brachte mich schließlich endgültig zu Fall, ich blieb auf dem Betonboden liegen. Die Polizisten traten weiter mit ihren Stiefeln auf mich ein. Dann zog einer seinen Schlagstock, oder war es ein Elektroschockgerät, mit einem Schlag brannte es jedenfalls wie Feuer.“

Zurück im Polizeianhaltezentrum sei ihm nicht geholfen worden. Erst mehr als einen Monat nach den Misshandlungen habe eine Arzt im Spital die massiven Verletzungen konstatiert. „In meinem Gesicht waren mehrere Knochen gebrochen, bis hinunter zum Kiefer. Ich hätte operiert werden müssen, sagte der Arzt, aber dazu war es jetzt zu spät. Ich hätte sehr, sehr viel Glück gehabt, hieß es. Das Blut aus meinem Mund sei Folge der Fraktur gewesen. Ich erzählte ihm von den anderen Schmerzen in meinem Körper, doch er sagte, er würde sich nur mit dem Gesicht beschäftigen“, heißt es.

„Menschen, die Verbrechen begangen haben“

In Interviews mit der APA und der Tageszeitung „Die Presse“ sagte Jassey, dass das Buch einiges bewegen könne: „Viele der Menschen, die gegen mich waren, wussten vieles nicht, was passiert ist. Sie bekommen nun einen vollen Einblick.“ Das Buch sei „nicht über Österreicher, es ist über Menschen, die ein Verbrechen begangen haben“. Er glaubt, dass sein Fall auch etwas bewirkt hat. „Generell haben sich die Dinge für aus Afrika stammende Menschen mit der Polizei um einiges zum Besseren entwickelt.“

„Ich bekomme noch immer Medikamente, ich bekomme Psychotherapie und auch Physiotherapie. Ich schlafe sehr schlecht, ich wälze mich von einer Seite auf die andere, wegen meines Rückens“, erzählte Jassey. Auch mit längerem Sitzen und dem Tragen schwerer Lasten hat er Probleme. Dazu kommen Schwierigkeiten bei der Bewältigung von Alltagsproblemen, etwa Begegnungen mit Polizisten. „Ich bin immer verängstigt. Ich vermeide Treffen mit Polizisten“, sagte Jassey.

Dabei hat er nun durchaus positive Erfahrungen mit der Exekutive, etwa in dem Grätzel im Süden Wiens, in dem er wohnt: „Wenn ich mit den Polizisten bei mir im Bezirk etwas zu tun hatte, ist das fast freundschaftlich abgehandelt worden.“ Jassey hat nach eigenem Bekunden auch nicht das Vertrauen in das österreichische Rechtssystem verloren, trotz des ob seiner Milde heftig kritisierten Urteils gegen seine Peiniger. „Ich habe Vertrauen in das System. Wenn mein Fall nicht anständig ermittelt worden wäre, hätte ich ihn verloren.“

Patzelt von Jassey beeindruckt

Dass Jassey keine ausreichende medizinische Hilfe erhalten hat, ist für Heinz Patzelt „einer der erschreckendsten Aspekte dieses Falls“. Der Generalsekretär von Amnesty International hat das Vorwort zu dem Buch geschrieben. „Es bleibt die Feststellung, dass es in diesem System zum Glück auch Menschen gibt, die in diesem sowohl gesellschaftlichen wie beamteten System anders agieren, im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Die es sich nicht nehmen lassen, sich trotz all dieser Widerwärtigkeiten zu engagieren. Es gibt viel Menschlichkeit in dieser Unmenschlichkeit, und das macht doch Hoffnung“, so Patzelt.

„Am meisten beeindruckt mich Bakary Jassey selbst. Unlängst sind wir einander wieder begegnet. Dieser Mann hat immer noch Überlebenswillen und auch –kraft, trotz aller Verzweiflung. Er ist schwer verletzt, aber nicht zerstört. Und ich kenne niemanden, der so stark ist wie er“, schließt Patzelt.

Ein weiteres Vorwort kommt von dem Juristen Alfred J. Noll, er schreibt unter anderem: „Bakary Jassey berichtet von den Geschehnissen, wie er sie erlebte – und er berichtet so, wie er sich an diese Ereignisse heute erinnert. Es handelt sich also um eine subjektive Sicht des Vergangenen. Zwar wird der Anspruch erhoben, ehrlich und wahrhaftig zu berichten, aber in Erlebnisberichten dieser Art gibt es keine Objektivität.“

Oberlandesgericht hob Entscheidung auf

Von der Republik Österreich erhielt Jassey 110.000 Euro als finanzielle Wiedergutmachung. 2015 klagte Jassey weitere 384.000 Euro ein, das Wiener Zivillandesgericht wies das zurück. Das Oberlandesgericht Wien hob diese Entscheidung im Juni 2016 auf - mehr dazu in Bakary Jassey: Chance auf mehr Schadenersatz.

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