Tschetschene als Terrorist angeklagt

Ein Hochsicherheitsprozess gegen einen angeblich hochrangigen Terroristen des „Emirats Kaukasus“ steht dem Landesgericht Wien bevor. Die Staatsanwaltschaft Wien hat letzten Donnerstag Anklage gegen den 38-Jährigen erhoben.

Der gebürtige Tschetschene, der 2005 nach Österreich gekommen war und seit November 2009 als Konventionsflüchtling Asylstatus genießt, soll im Sommer 2012 als Kommandant einer 17-köpfigen Terrortruppe im georgisch-russischen Grenzgebiet in ein Feuergefecht mit georgischen Spezialeinheiten verwickelt gewesen sein.

Die Staatsanwaltschaft legt ihm mehrfachen Mord im Rahmen einer terroristischen Vereinigung nach den Paragrafen 278 b Absatz 2, Terroristische Vereinigung und 278 c, Terroristische Straftaten StGB zur Last.

Verdächtiger soll mehrere Morde begangen haben

Der 38-Jährige wird für den Tod eines georgischen Hauptmanns einer Anti-Terror-Einheit, eines Majors einer paramilitärischen Einheit des Innenministeriums und eines Feldsanitäters verantwortlich gemacht. Fünf weitere georgische Sicherheitskräfte wurden bei dem Schusswechsel mit den Terroristen verletzt.

Verteidiger Wolfgang Blaschitz weist die gegen den Verdächtigen gerichteten Vorwürfe zurück. „Es kann keine Rede davon sein, dass er jemanden gemeuchelt hat“, meinte der Wiener Anwalt am Mittwoch.

Verteidiger: „Kein Terrorist“

Sein Mandant sei in Wahrheit „als Mitglied des russischen Geheimdiensts dorthin entsandt worden“ und keineswegs als Terrorist tätig geworden. Es gebe „umfangreiche Beweisergebnisse“, die der - noch nicht rechtskräftigen - Anklage widersprächen, so Blaschitz, der die Anklageschrift noch bis Mitte April beeinspruchen kann.

Dem 34 Seiten starken Dokument zufolge soll der 38-Jährige im Auftrag eines mutmaßlichen Verbündeten - dieser gilt als Drahtzieher des verheerenden Terroranschlags auf den Istanbuler Flughafen vom Juni 2016 mit Dutzenden Toten - nach Georgien gereist sein und dort das Kommando über eine 17-köpfige Kämpfergruppe des „Emirats Kaukasus“ übernommen haben.

Einmarsch in russische Teilrepublik geplant

Gemäß der Anklage ging der Ausreise des Verdächtigen ein konspiratives Treffen mit dem Verbündeten in Wien Ende Juni 2012 voran, wo er von dem Terroristen detaillierte Informationen und Anweisungen erhalten haben soll. Geplant war demnach, mit der Kämpfertruppe über Georgien in die russische Teilrepublik Dagestan einzumarschieren. Dort sollten - folgt man Staatsanwalt Leopold Bien - Terroranschläge verübt werden.

Das mehrstündige Gefecht kostete zumindest drei georgische Beamte das Leben. Sieben Terroristen - darunter der junge Ringer - kamen um. Der verdächtige 38-Jährige wurde an der Hand getroffen, sein mutmaßlicher Verbündeter am Fuß schwer verletzt, der sich darauf von den restlichen Überlebenden absetzte und den georgischen Behördenvertretern stellte.

Mutmaßlicher Verbündete schloss sich IS an

Offenbar gelang es dem mutmaßlichen Verbündeten, diese zu überzeugen, dass er mit den Terroristen nicht unter einer Decke steckte. Er konnte das Land verlassen, um sich später der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) anzuschließen. Der 38-Jährige wiederum schaffte es, nach Österreich zurückzukehren, wo er - wie der Staatsanwalt betont - seit 2012 für seinen mutmaßlichen Verbündeten als „Stellvertreter agierte“.

Terroristische Vereinigung nicht immer abgestritten

Entgegen seiner nunmehrigen Verantwortung hat der Verdächtige seine Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung nicht immer abgestritten. Im Februar 2013 gestand er dem Wiener Landesamt für Verfassungsschutz aus freien Stücken, am Feuergefecht im Lopota-Tal mitgewirkt zu haben.

Dabei brüstete er sich laut Einvernahmeprotokoll, es wären wesentlich mehr als drei Georgier getötet worden. Der 38-Jährige befindet sich seit April 2016 in U-Haft. Seit Jänner 2017 behauptet er, er gehöre bereits seit 2005 dem russischen militärischen Nachrichtendienst an. Der tschetschenische Präsident Ramsan Kadyrow und dessen Bruder Islam wären seine Führungsoffiziere - eine Darstellung, die sich nach im Rechtshilfeweg eingeholten Auskünften von russischer Seite bisher nicht bestätigt hat.

Richter von Aliyev-Prozess

Die Sprecherin des Wiener Landesgerichts für Strafsachen, Christina Salzborn, bestätigte am Mittwoch das Vorliegen der Anklage. Den Schwurprozess wird - nach allfälliger Prüfung der Anklageschrift durch das Oberlandesgericht (OLG) - Richter Andreas Böhm leiten. Dieser hat Erfahrungen mit Hauptverhandlungen, denen Tathandlungen im entfernten Ausland zugrunde liegen. Er hat 2015 den Aliyev-Prozess um die Entführung und Ermordung zweier Manager der kasachischen Nurbank geleitet.