Dorotheum zieht Totenschädel zurück

122 Artefakte hätten am Dienstag im Wiener Dorotheum bei der Auktion „Tribal Art“ versteigert werden sollen. Doch nach Aufregung über aus menschlichen Schädeln gestaltete Artefakte wurden rund 15 Objekte zurückgezogen.

Im Online-Katalog wurde noch am Vormittag als letztes Stück unter Lot Nr.122 unter dem Titel „Kondominium Neue Hebriden – Vanatu – Small Nimbas, menschlicher Schädel. - Übermodelliert mit Ton und in schwarz und rot bemalt. Knochen, Lehm, Spinnennetz. H: 22 cm.“ eben ein menschlicher Schädel angeboten. Der Schätzwert wurde mit 6.000 bis 8.000 Euro angegeben. Unter Provenienz hieß es „Gallerie Dodier, Paris. Bedeutende europäische Sammlung“.

Dann, gegen 13.00 Uhr, teilte das Dorotheum wien.ORF.at mit, dass alle rund 15 Objekte menschlichen Ursprungs nicht zur Versteigerung kommen. „Es handelt sich bei den angebotenen Objekten um Kultgegenstände, wie sie in allen großen ethnologischen musealen Sammlungen vorhanden sind, um historische religiöse Kultobjekte, den europäischen Reliquien vergleichbar“. Der Handel damit sei legal. Alle notwendigen Behörden seien im Vorfeld einbezogen worden. Man bedaure allerdings, „Menschen irritiert und in ihren Gefühlen verletzt zu haben“.

Verbindung zu Ahnen und Urahnen

Der Dorotheums-Experte für Stammeskunst, Jan Joris Visser, schrieb in einem Gastbeitrag auf der Homepage des Dorotheums unter dem Titel „Stammeskunst. Kunst und Kult“, dass afrikanische Stammeskunst „schal und kraftlos wie eine leere Leinwand“ ist, „bis sie von Medizinmännern oder -frauen, Priestern oder Schamanen spirituell aufgeladen wird.“ So werde etwa im Kongo ein Gemisch aus Kräutern, Blut und Knochen in die Schädel- oder Rumpfhöhle eines Kunstobjekts gefüllt, um einen lebenden, funktionellen Gegenstand zu erschaffen, mit dem kommuniziert werden könne.

Sinn der Skulpturen ist es, mit Mächten, die uns umgeben, in Verbindung zu treten und sie zu beeinflussen, schreibt Visser weiter. Sie sollen mit Ahnen und Urahnen kommunizieren, Trost spenden und beschützen, nicht aber Schaden zufügen.

Aufregung auf Facebook

„Österreich 2017 übertrifft sich in rassistischer und kolonialer Manier nur selbst“ lautete einer der ablehnenden Kommentare, die zu der Auktion auf Facebook gepostet wurden. Von „Leichenhandel“ ist die Rede, genauso wie vom Ausblenden von „Versklavung, Unterwerfung, Ermordung und Ausrottung“.

„Menschliche Leichenteile“ oder Kulturgut?

Die Totenköpfe aus Borneo, Neuguinea, Nigeria und den Philippinen stammen aus einer europäischen Privatsammlung. Sie sollten in Wien zwischen 3.000 und 12.000 Euro je Stück einspielen. Dass diese Art von Kunst in Europa nicht unbedingt gleich gesehen wird, zeigt ein Artikel im „Standard“. Unter dem Titel „Dorotheum: Kunsthandel mit Leichenteilen“ werden die „Irritationen“ angesprochen, die von derartigen historischen Trophäen auch heute noch ausgehen. Es scheint nicht ausreichend geklärt, ob menschliche Leichenteile auch Kulturgut sein können oder nicht.

Juristisch betrachtet gebe es keine Konvention und keine Regel, die den Handel mit solchen menschlichen Überresten verbieten würde, zitiert die Zeitung den international anerkannten Juristen des Max-Planckh-Institutes, Kurt Siehr. „Human remains“ gelten allerdings nicht als Kulturgut.

2014 etwa scheiterte laut „Standard“ in München der Verkauf eines Schrumpfkopfs: Die Behörden hatten argumentiert, dass er „als menschlicher Leichenteil“ unter das Bestattungsgesetz falle. Von dieser Regelung seien nur Körperteile ausgenommen, die medizinischen oder wissenschaftlichen Zwecken oder als forensische Beweismittel dienen.

Zwicker des Kaisers um 6.875 Euro

Bei einer vorangegangenen Auktion hat ein Zwicker von Kaiser Franz Joseph I. von Österreich 6.875 Euro eingebracht - mehr dazu in Brille von Kaiser Franz Josef wird versteigert.

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